Terror oder Widerstand

Zwei italienische Pazifistinnen wurden im Irak entführt. Die Friedensbewegung debattiert nun die Frage der Solidarität mit dem »irakischen Widerstand«. von federica matteoni

In Bagdad arbeiteten sie am Wiederaufbau von Bildungsprojekten für die italienische NGO »Eine Brücke für …«. In der irakischen Hauptstadt fühlten sich Simona Torretta und Simona Pari sicher, denn sie arbeiteten »auf der Seite der irakischen Bevölkerung«, wie sie an ihre Familien schrieben. Am Dienstag vergangener Woche fielen die beiden Friedensaktivistinnen irakischen Kidnappern zum Opfer.

Die 29jährigen wurden von einem rund 20köpfigen Kommando aus ihrem Büro mitten in Bagdad verschleppt. Augenzeugen berichten, die bewaffneten Kidnapper hätten die Namen von Pari und Torretta »aus einer Liste« vorgelesen und dann die beiden Frauen, zusammen mit zwei irakischen Mitarbeitern der NGO, Ra’as Alí Abdul-Aziz und Mahnaz Bassam, mitgenommen. Diesmal wurde kein Bekennervideo von arabischen Sendern ausgestrahlt. Stattdessen erschien am Tag nach der Entführung auf der Internetseite »Islamic-minbar« ein Bekennerschreiben einer bislang unbekannten Gruppe namens »Ansar al-Zawahiri«, benannt nach dem als Vize-Chef des Terrornetzwerks al-Qaida geltenden ägyptischen Arzt. Der italienischen Regierung wurde eine Frist von 24 Stunden gesetzt, um »alle im Irak inhaftierten moslemischen Frauen« freizulassen. Andernfalls werde Italien niemals erfahren, was mit den beiden Geiseln geschehen sei.

Das Bekennerschreiben wird jedoch für unglaubwürdig gehalten: Es existiere keine islamistische Gruppe mit diesem Namen, erklärten Geheimdienstexperten. Auch die Authentizität eines weiteren, am Sonntag auf der Internetseite »Yaislah.org« erschienenen Ultimatums des Islamischen Jihad blieb zunächst unklar. Der Regierung wurde eine Frist von 24 Stunden gesetzt, um ihre Truppen aus dem Land abzuziehen. Andernfalls werde den beiden Frauen »die Kehle durchgeschnitten werden, wie Gott es will«.

Während die italienische Regierung sich diesmal auf »dem französischen Weg« um Verhandlungen bemüht setzt, lässt auch die Friedensbewegung nach einer langen Phase des Schweigens ihre Stimme wieder vernehmen, und zwar mit einer Massenmobilisierung. Am Freitag gingen zehntausende von Menschen in Rom auf die Straße. Ihre nicht an die Kidnapper, sondern an die italienische Regierung gerichtete Forderung lautete: »Lasst sie frei.«

»Mit ›sie‹ meinen wir unsere Genossinnen und gleichzeitig das ganze irakische Volk, das von diesem Krieg in Geiselhaft genommen wurde«, erklärten die Initiatoren im Interview mit Radio Onda Rossa. Das ist die herrschende Position innerhalb der italienischen Friedensbewegung, welche die Entführung der Pazifistinnen nicht als terroristischen Akt irakischer Guerillas bezeichnen will. Vielmehr wird sie als Beweis für die vom Krieg im Irak in Gang gesetzte »Gewaltspirale« gedeutet. Daher sei die einzige Lösung, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen, ein Truppenabzug aus dem Irak, da der Terror nichts anderes sei als eine Antwort auf die Besatzung. Eine sehr simple Gleichung. Diese Haltung, die im Verhältnis zwischen Krieg und Terror einen Automatismus sieht, wurde vom Vorsitzenden der kommunistischen Rifondazione, Fausto Bertinotti, scharf kritisiert. Für die Linke sei es notwendig, sich ernsthaft mit der Frage des Terrors auseinanderzusetzen, der nicht eine automatische Konsequenz von Krieg, Armut und Verzweiflung sei, sondern sich als politisches Projekt konstituiere. Gegen dieses Projekt müsse sich die Linke eindeutig positionieren.

Bertinottis Kritik löste in den meisten linken Zeitungen und Internetforen eine heftige Diskussion über die grundsätzlichen Positionen der Friedensbewegung aus, insbesondere über die weit verbreitete Solidarität mit dem »irakischen Widerstand«. Der Freilassung der beiden Frauen wird diese Diskussion kaum nützen. Aber sie könnte für die Bewegung einige Perspektiven eröffnen.