Bild so richtig investigativ

Deutschlands größte Zeitung auf Menschenjagd

Es ist hinlänglich bekannt, dass sich weder die Bild noch ihre Leserinnen und Leser bevorzugt auf die Seite von irgendwelchen Minderheiten schlagen. Vor allem, wenn es um Nicht-Deutsche geht, liefert das Boulevardblatt oftmals den Stoff für den rassistischen Plausch für Zwischendurch.

Nun gibt es ein neues Beispiel für diesen Befund: »Ich habe ein echtes Problem, in der Zeitung sind Bilder von mir«, sagt die Frau, um die es in einem Artikel der Bild vom 3. September ging. Mark Huber, Mitarbeiter des Fördervereins Roma in Frankfurt, sagte der Jungle World, die Frau besuche seit Jahren die Beratung für Roma und Sinti. Sie leide seit ihrer Jugend an Epilepsie und sei auf den Rollstuhl angewiesen. Um sich die nötigen Medikamente leisten zu können, müsse sie betteln gehen.

Für Max Schneider, einen Reporter der Bild, stellen sich die Dinge anders dar: Eine Rollstuhlfahrerin, die in Wirklichkeit laufen könne, betrüge systematisch die PassantInnen und ziehe »mit der Mitleidsmasche Frankfurtern täglich hunderte Euro aus der Tasche«, schrieb er in Bild. Über acht Stunden lang folgte der Reporter der Frau, sogar bis vor eine Behindertentoilette in einem Kaufhaus. Und er fotografierte sie, als sie unter großer Anstrengung ein paar Treppenstufen hochstieg. Seitdem der reichlich bebilderte Artikel auf knapp einer ganzen Seite in der Frankfurter Ausgabe der Bild erschien, wird die Frau auf der Straße von PassantInnen beschimpft und bespuckt.

Der Förderverein wirft in einer Presseerklärung der Bild vor, den »Rassismus gegenüber Roma und Sinti« zu stärken. Denn im Zusammenhang mit dem »Bettler-Betrug« werde das »alte Klischee der bettelnden und betrügenden Zigeunerin in den Köpfen der Leserschaft heraufbeschworen«.

Auch wenn der Reporter der Bild nicht explizit von Roma und Sinti spricht, sind die Schlüsse, die er nahe legt, eindeutig: »›Geld‹ nuschelt sie mit südosteuropäischem Akzent und streckt die Tasse aus. (…) An ihrer Seite (…) ein Mann mit Ziehharmonika.« Und weiter: »Nach Bild-Informationen Mitglied einer Großfamilie.«

Das moderne Bild von »Zigeunern« in den Medien setze sich aus verschiedenen antiziganistischen Codes und Stereotypen zusammen, sagte Änneke Winckel, Autorin des Buches »Antiziganismus – Rassismus gegen Roma und Sinti im vereinigten Deutschland«, der Jungle World. Immer wieder werde »auf die angebliche Kriminalität, die vielen Kinder und großen Familien verwiesen«. Seit Anfang der neunziger Jahre würden Roma und Sinti zudem häufig als SozialhilfebetrügerInnen dargestellt. Nicht nur die Boulevardpresse habe das Bild von Roma und Sinti, »die angeblich zu Unrecht Sozialhilfe beziehen, massiv unterstützt«.

Der Förderverein Roma will der Autor nun wegen Verleumdung und Verunglimpfung anzeigen und hat beim Deutschen Presserat eine Beschwerde gegen die Bild eingereicht, sagte Huber. Er halte den Bericht zwar für eindeutig rassistisch, einer Anzeige wegen Volksverhetzung steht er aber skeptisch gegenüber. »Den Leserinnen und Lesern ist zwar klar, dass es um Roma und Sinti geht, das Stereotyp von der bettelnden und betrügenden Zigeunerin wird aber zu subtil bedient.«

jesko bender