Emile und die Agenten

Die Regierung Syriens hat die verfassungswidrige Mandatsverlängerung des libanesischen Präsidenten erzwungen. Damit hat Präsident Assad auch die EU gegen sich aufgebracht. von hannah wettig, beirut

Die Arabische Liga wurde einmal mehr ihrem Ruf gerecht. In ihrer Stellungnahme sprach sie sich am Dienstag der vergangenen Woche für die »absolute Souveränität« des Libanon aus, ließ aber offen, durch wen sie diese Souveränität gefährdet sieht. Der US-Gesandte William Burns dagegen hatte am Wochenende zuvor in Damaskus von Präsident Bashar al-Assad das »Ende der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Libanon« gefordert.

Die jüngste syrische Intervention in die Politik des Libanon hat jedoch auch die europäischen Staaten verärgert, die bisher versucht hatten, gute Beziehungen aufrechtzuerhalten. Ein Wirtschaftsabkommen mit der EU stand kurz vor der Unterzeichnung. Doch nun hat Frankreich gemeinsam mit den USA eine UN-Resolution in den Sicherheitsrat eingebracht, in der nur auf Druck anderer Staaten eine Nennung Syriens und Sanktionsdrohungen gestrichen wurden. Die Resolution 1559 fordert den Abzug ausländischer Streitkräfte aus dem Libanon und »freie und faire Wahlen«.

Anlass für die Rüge war Syriens Eingreifen in die libanesischen Präsidentschaftswahlen. Dass Syrien sich in die Wahlen im Libanon einmischt, ist nichts Neues. Die syrische Armee ist nach dem Ende des Bürgerkrieges 1990 nicht wieder abgezogen. Der syrische Geheimdienst ist überall präsent, im Vorfeld von Wahlen zwingt er unliebsame Kandidaten zum Rückzug oder berät prosyrische Politiker in Koalitionsfragen.

Vor zwei Wochen traf sich der syrische Geheimdienstchef mit Premierminister Rafik Hariri, der sich zuvor mehrfach gegen eine neue Kandidatur des Präsidenten Emile Lahoud ausgesprochen hatte. Nach dem Gespräch unterzeichnete Hariri einen Verfassungszusatz, der Lahouds Mandatszeit um drei Jahre verlängert. Nur 29 Parlamentarier stimmten gegen die Eingabe.

Vor dem Parlament protestierte eine kleine Schar von rund 200 Demonstranten, und in Beirut reagierte man mit wortlosem Kopfschütteln auf diese erneute syrische Dreistigkeit. Doch der große Protest blieb aus. Denn Lahoud ist nicht unbeliebt, zumindest nicht so unbeliebt wie die anderen beiden Köpfe der Regierung. Premierminister Hariri hat sein Milliardenvermögen unter anderem vermehrt, indem er den gesamten Immobilienbesitz der Innenstadt enteignet und seiner eigenen Firma verkauft hat. Der Parlamentssprecher Nabih Berri gilt als nicht weniger korrupt. Zudem ist er als ehemaliger Führer einer Miliz im Bürgerkrieg vielen suspekt.

Lahoud hingegen war vor sechs Jahren angetreten, die Korruption zu bekämpfen. Das hat er nicht geschafft. Allerdings hat er Privatisierungen von Staatseigentum verhindert, das sich sonst wahrscheinlich einmal mehr führende Politiker angeeignet hätten. Syrien unterstützt ihn, weil der ehemalige General die Position der Hizbollah im Süden des Landes sichert, wo die schiitische Miliz anstelle der staatlichen Armee stationiert ist.

Assad hätte jedoch sicher einen Kandidaten für das Präsidentenamt finden können, der Ähnliches verspricht. Die Libanesen haben damit gerechnet, dass ihnen der große Bruder einen Präsidenten serviert. Der amerikanische Botschafter in Beirut hätte sich dann wie üblich beschwert, doch international hätte es kein Aufsehen gegeben.

Kommentatoren und Experten suchen nun nach einer Antwort auf die Frage, warum Assad sich gerade in einem Moment für ein so provokatives Vorgehen entschied, da die US-Regierung den Druck auf Syrien verstärkt hat. Doch möglicherweise ist eben dies der Grund für Assads Verhalten. Wie schon sein Vater will er sich Einmischungen in seinem Gebiet nicht gefallen lassen – koste es, was es wolle.