It’s terrorism

USA: Bush versus Kerry von william hiscott

Knapp einen Monat vor den US-amerikanischen Wahlen könnten die Chancen für Amtsinhaber George W. Bush kaum besser aussehen. In den meisten battleground states, den umkämpften Bundesstaaten wie Ohio, Wisconsin und Oregon, sehen die Umfragen ihn vor seinem demokratischen Herausforderer John Kerry. Offene Unterstützung erhält Bush von den meisten der großen Medienkonzerne; insbesondere in Rupert Murdochs Fox-News-Imperium wird Kerry als Christenhasser, Terroristenfreund und »Flip-Flopper« beschimpft, also als jemand, der sein Fähnchen in den Wind hängt.

Für Bush kommt die Wählerschaft zusammen, die ihm bereits seine erste Amtszeit bescherte und die spätestens seit dem 11. September 2001 fest zusammengehört: die christliche Rechte im Süden und in den Präriestaaten, die patriotische Rechte, die stark genug erscheint, die wirtschaftlich angeschlagenen nördlichen Industriestaaten für die Republikaner zu gewinnen, schließlich die Neo- und Altkonservativen.

Kerry sei, meinte Vizepräsident Dick Cheney in der vergangenen Woche erneut, ein Sicherheitsrisiko für das Land. »It’s terrorism, stupid«, könnte man Bushs und Cheneys Wahlkampfformel in Abwandlung des Mottos bezeichnen, das einst William Clinton ins Weiße Haus brachte. Das lautete: »It’s the economy, stupid« (»Es geht um die Wirtschaft, Dummkopf«), und auch jetzt gäbe es für Kerry genügend Anlass, ökonomische Fragen in den Mittelpunkt zu rücken. Allein in Ohio wurden in den vergangenen vier Jahren 200 000 Jobs vernichtet. Doch solange auch die Mittelklasse nicht ihr Portemonnaie, sondern den Terrorismus für ausschlaggebend erachtet, hat Kerry keine Chance.

Jüngst hat er Clintons ehemalige Berater engagiert. Deren Einfluss dürfte es zu verdanken sein, dass der demokratische Kandidat nicht länger mit seinen Verdiensten in Vietnam prahlt, sondern das Thema Irak anspricht. In seiner bislang schärfsten Kritik an Bushs Irak-Politik warf er in der vorigen Woche in Philadelphia der Regierung »kolossale Fehler im Urteilsvermögen« vor. Im Kampf gegen al-Qaida sei die Regierung gescheitert, dafür habe sie den Irak erst zu einem Zufluchtsort von Terroristen gemacht. Mit seiner Einschätzung der Lage im Irak lebe Bush in einer »Fantasiewelt«.

Trotz des tatsächlichen Schlamassels liegt Bush in der Irak-Frage vorne. Seine jüngsten Auftritte mit dem irakischen Übergangsministerpräsidenten Ijad Allawi sowie seine Rede vor der UN-Vollversammlung haben ihm im Wahlkampf genutzt, zumal er letzte Woche sogar unerwartete – und ungewollte – Hilfe von UN-Generalsekretär Kofi Annan bekam. Dessen heftige Kritik an den USA stärkt eher die stark unilateralistischen Tendenzen in der amerikanischen Bevölkerung, als dass Kerry davon profitieren könnte.

Noch hofft man in Kerrys Wahlkampfzentrale auf einen starken Endspurt. Allerdings sieht es nicht danach aus, als ob irgendetwas die »Fantasien« über die Kriege im Irak und gegen den Terror, die den US-Wahlkampf prägen, aufbrechen könnte. Ohnehin wird im November nicht über diese Fragen entschieden, sondern über die kulturelle Hegemonie im Land. Diese reklamiert Bush wohl zu Recht für sich, wenn er behauptet, er repräsentiere »das Herz und die Seele Amerikas«. Es geht also darum, der rechten Hegemonie Paroli zu bieten. Wenn auch nur im Hinblick auf 2008.