Countdown auf dem Amselfeld

Mit den Wahlen im Kosovo beginnen neue Auseinandersetzungen um den endgültigen Status der Provinz. von boris kanzleiter, belgrad

General Yves de Kerambon geht auf Nummer sicher. Der Oberbefehlshaber der Kosovo-Truppe Kfor hat versprochen, alles zu tun, um während der Parlamentswahlen in der Krisenprovinz am kommenden Samstag »maximale Sicherheit« zu gewährleisten. In den vergangenenTagen wurde die Kfor deshalb um 2 000 auf jetzt 20 000 Soldaten verstärkt. Ein französisches Fallschirmspringerregiment ließ es sich dabei nicht nehmen, über einem Vorort der Hauptstadt Pristina spektakulär aus sieben tief fliegenden Transall-Maschinen abzuspringen. Das Manöver sei zu Übungszwecken erfolgt, sagte ihr Kommandeur. Tatsächlich sollte wohl aber auch ein politisches Signal gesetzt werden: Die Kfor-Truppe ist einsatzbereit, und das soll man sehen.

Schließlich ist die politische Situation in der Provinz, in der das zweite Mal seit der Intervention der Nato 1999 und dem Aufbau einer UN-Verwaltung ein Parlament gewählt wird, angespannt. Die große Unbekannte dabei ist die Antwort auf die Frage, wie sich die serbische Minderheit in den Wahlen verhalten wird. Während der als prowestlich geltende serbische Präsident Boris Tadic die Kosovo-Serben aufruft, mit den Wahlen ihre Interessen wahrzunehmen, fordern Premier Vojislav Kostunica, die orthodoxe Kirche und die nationalistische Serbische Radikale Partei zum Boykott auf. Vordergründig argumentieren sie dabei, dass es während der Stimmabgabe »keine Sicherheitsgarantien« für die Serben gebe, wie Kostunica seine Position begründet. Genauso wichtig scheint aber zu sein, was Milan Ivanovic vom Serbischen Nationalrat im Kosovo erklärt: »Wir wollen dem Aufbau eines unabhängigen albanischen Staates keine Legitimität geben.«

Tatsächlich ist diese Frage aktueller denn je. Nachdem im vergangenen März Zehntausende Albaner an Pogromen gegen die in Enklaven lebende serbische Minderheit teilgenommen haben und dabei zum ersten Mal in größerem Umfang auch UN-Personal und Kfor-Soldaten angriffen wurden (Jungle World, 14/04), drückt die internationale Diplomatie, vor allem in Washington und Berlin, bei der Lösung der »Statusfrage« der Provinz auf das Tempo. Der amtierende Chef der UN-Verwaltung im Kosovo, der Däne Soren Jessen-Petersen, hält Verhandlungen darüber ab Mitte 2005 für möglich. Die Positionen scheinen aber unvereinbar. Das Minimum für die albanischen Parteien stellt die vollständige Souveränität eines unabhängigen Kosovo dar. Das Maximum für die serbische Seite ist dagegen eine weitreichende Autonomie der Provinz als Bestandteil Serbiens mit Selbstbestimmungsrechten für die serbische Minderheit.

Während die Serben darüber diskutieren, wie die eigene Position im Kampf gegen die Unabhängigkeit der Provinz verbessert werden kann, gibt die albanische Seite das gewohnte Bild einer zersplitterten Parteienlandschaft ab; wobei weniger um unterschiedliche politische Positionen konkuriert wird, es geht vor allem um die Machtansprüche ihres Führungspersonals. Nach Meinungsumfragen liegen Präsident Ibrahim Rugovas Demokratische Liga und die UCK-Nachfolger von der Demokratischen Partei des amtierenden Premiers Bajram Rexhepi etwa gleich auf. Auch die bisher drittstärkste albanische Partei, die Zukunftsallianz des ehemaligen UCK-Kommandanten Ramush Hardinaj, könnte ihre Position halten. Die Frage ist nur, ob der angesehene Journalist Veton Surroi mit seiner neu gegründeten Partei Zivile Initiative den Einzug ins Parlament schaffen wird. Wie es auch immer ausgeht: Harte Koalitionsverhandlungen werden anstehen, denn alle albanischen Politiker im Kosovo wollen ganz weit vorne dabei sein, wenn es nächstes Jahr um die Unabhängigkeitsverhandlungen geht.