Shoppen für den Führer

Wolfgang König hat ein erhellendes Buch über den Mythos Massenkonsum im Nationalsozialismus geschrieben. von gottfried oy

Er läuft und läuft und läuft. Wenn heute Supermarktketten Volks-PCs anbieten und an die Beliebtheit von VW-Käfer und Co anknüpfen wollen, scheint der schillernde Mythos der nationalsozialistischen Volksprodukte wieder auf. Man tut so, als würde es sich um erschwingliche Qualitätswaren handeln, deren reißender Absatz schon damals die Wirtschaft ankurbelte. Mit der Realität hat dieses überlieferte Bild allerdings wenig gemein. Ideologisch beförderten die Volksprodukte die rassistische Volksgemeinschaft, ökonomisch entwickelten sie sich allesamt zu Debakeln, wie der Technikhistoriker Wolfgang König in seinem Buch über das Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft nachweist. Die Konsumgeschichte, die mit der Erforschung des Verbraucherverhaltens im Nationalsozialismus Neuland betritt, steht also auf den ersten Blick vor einem Paradoxon: Faktisch gescheitert, begründen die NS-Volksprodukte zugleich den Mythos vom Beginn des Massenkonsums in Deutschland.

Dabei waren die »Volksprodukte« noch nicht einmal originäre NS-Schöpfungen, es gab sie in der Werbung schon in der Weimarer Republik – sicherlich mit neidischem Seitenblick auf die USA und Henry Ford. Zu Beginn der 1930er Jahre kam es zu einem inflationären Gebrauch der Bezeichnung, ehe sie die Nationalsozialisten für sich entdeckten und per Markenschutz reservierten. Der Volksempfänger, der Volkskühlschrank, die Volkswohnungen, der Volkswagen und das Touristikangebot der »Nationalsozialistischen Gemeinschaft Kraft durch Freude« – stets handelte es sich um verheißungsvolle Konsumversprechen, zu deren Einlösung die NS-Wirtschaft zu keinem Zeitpunkt auch nur im Geringsten in der Lage war.

Für die Nationalsozialisten waren die Volksprodukte das ökonomische Bindeglied zu ihrer Ideologie von der Volksgemeinschaft, dem diffusen Gegenkonzept zu Demokratie und Sozialismus. Ein »rassisch wertvolles und kulturell hochstehendes Volk« habe einen Anspruch auf ein hohes Lebensniveau, sprich ein hohes Konsumniveau – das Fremdwort Konsum wurde jedoch in der NS-Terminologie vermieden. Jenseits der puren Ideologie fehlte jedoch ein tragfähiges ökonomisches Konzept – weder von der Nachfrageseite, noch von der Angebotsseite konnten Voraussetzungen für einen wirklichen Massenkonsum geschaffen werden, zumal der politische Wille zu Lohnerhöhungen und Steuersenkungen fehlte. Zudem knüpften die Volksprodukte an irrsinnige Expansions- und »Lebensraum«-Vorstellungen an, da in ihrer ökonomischen Planung teilweise schon der Erfolg zukünftiger Eroberungen vorausgesetzt wurde, wie etwa Hitlers Rede vom Volkswagen als »europäischem Auto« mit gigantischem Absatzmarkt zeigt.

Als sich die Wirtschaft mehr und mehr von den Volksprodukten distanzierte, erhöhten Staat und Partei ihr Engagement. Insbesondere die Deutsche Arbeitsfront schuf sich mit dem Kraft-durch-Freude-Tourismus, den Volkswohnungen, dem Volkswagen und dem Volkskühlschrank eine zentrale Position innerhalb der nationalsozialistischen Konsumpolitik. Trotz immenser Subventionen gelang es jedoch nicht, tragfähige Absatzmärkte zu schaffen. Selbst als die Anschaffungs- und Betriebskosten eines Autos, eines elektrischen Haushaltsgerätes oder die Rundfunkgebühren gedrückt wurden, konnte sich ein Arbeiterhaushalt in den dreißiger Jahren diese Produkte nicht leisten. Die vermeintlichen Volksprodukte waren somit faktisch Mittelstandsprodukte der Angestellten, Beamten und kleinen Selbstständigen.

Ein kaum vorstellbarer propagandistischer Aufwand verpuffte allzu oft ohne größere Auswirkungen: Im Jahr 1933 besaßen damaligen Angaben zufolge 25 Prozent der Haushalte ein Radio, im Jahr 1941 waren es 65 Prozent; das war insofern ein Misserfolg, als es international mit weit weniger Aufwand größere Wachstumsraten gab. Dabei starteten die Nationalsozialisten das Projekt »Volksempfänger« voller Hoffnungen. Der Volksempfänger VE 301 – die Zahl sollte an das Datum der Machtübernahme am 30. Januar 1933 erinnern – wurde als Gemeinschaftsprojekt der deutschen Rundfunkindustrie hergestellt. Nach festgelegten Quoten waren alle 28 Radiofirmen und etwa 60 Zulieferer beteiligt, der staatlich festgelegte Preis von 76 RM wurde durch drastische Preisreduzierungen der Einzelteile, den Verzicht auf Lizenztantiemen und die kostenlose Übernahme der Werbemaßnahmen durch Partei und Staat ermöglicht. Es zeigte sich jedoch rasch, dass der Volksempfänger nicht zur Erweiterung des Marktes beitrug, sondern dass stattdessen einfach weniger Markengeräte als zuvor verkauft wurden.

Während der Volksempfänger recht zügig auf den Markt gebracht wurde, standen die Konstrukteure und Hersteller des anderen NS-Vorzeigeproduktes, des Volkswagens, vor ganz anderen Problemen. Hitler, der sich selbst in der Rolle des Förderers des Automobilwesens gefiel, kündigte das 1000-Reichsmark-Auto schon 1933 an, als es noch keinerlei konkrete Planungen gab. Statt der gewünschten acht bis zwölf Monate Entwicklungszeit benötigte der beauftragte Ingenieur Ferdinand Porsche vier Jahre – ohne sich bis dahin Gedanken über die Produktion gemacht zu haben. Zudem explodierten die Kosten: 1,75 Millionen Reichsmark waren verbraucht, das Projekt drohte zu scheitern, lediglich die Übernahme der weiteren Kosten durch die Deutsche Arbeitsfront hielt den Volkswagen am Leben. Allerdings sollte der »Kraft-durch-Freude-Wagen«, so sein offizieller Name, nie in Serie gehen. Lediglich 330 000 Sparer, die auf ein 1938 eingerichtetes Sparsystem vertrauten, wollten einen Wagen – an sie wurde allerdings kein einziger ausgeliefert.

Letztlich waren es beim Volkswagen, ähnlich wie beim Volksempfänger, die Betriebskosten, die vor einem Kauf des vermeintlich günstigen Produktes abschreckten. Auch die verzweifelten Versuche der Propaganda, die Frage, ob ein Arbeiterhaushalt genug Geld für ein Auto zur Verfügung habe, kurzerhand zur Frage der Lebensführung zu erklären, scheiterten kläglich. Verzicht auf Alkohol und Zigaretten, um sich Benzin, Kraftfahrzeugsteuer und Versicherung leisten zu können – diese simple Gleichung schien selbst den Volksgenossen zu einfach.

Bezeichnend ist, dass die Volksprodukte ökonomisch scheiterten, ohne dass dies dem Nationalsozialismus sonderlich geschadet hätte. Die Ideologie der Volksprodukte erwies sich sogar als dermaßen resistent, dass sie als die »gute Seite« der NS-Zeit im Slogan von »Made in Germany« in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft nahezu ungebrochen weiterlebte.

Wolfgang König: Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft. Volksprodukte im Dritten Reich: Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft. Schöningh Verlag, Paderborn 2004, 310 S., 36 Euro