Illusion der Sicherheit

Biometrie- Pläne der EU von lucien maigret, brüssel

Glücklich der, dessen Pass demnächst abläuft. Je nach Alter hat er dann noch fünf bis zehn Jahre ohne erkennungsdienstliche Behandlung vor sich. Spätestens 2015 werden aber, wenn die Innen- und Justizminister der EU-Länder ihren Willen bekommen, alle 450 Millionen Unionsbürger bei der Antragstellung so behandelt, wie das jetzt nur mit Leuten geschieht, die eines schweren Verbrechens verdächtigt werden: Eine elektronische Kamera wird einen so genannten Face Scan anfertigen, der auf einem im Dokument eingebetteten Chip in digitalisierter Form gespeichert wird.

Die Methode, die bei der computergestützten Analyse der Scans zum Einsatz kommt, stellt eine Hightech-Variante der von den Nationalsozialisten zur Wissenschaft erhobenen Biometrie dar. Dass die Gesichtsvermessung Teil der Reisedokumente – neben Pässen auch für Visa von Personen, die in die EU-Staaten einreisen – werden soll, hatten die EU-Innenminister schon im Frühling beschlossen. Der Ratsbeschluss dazu wurde zur Stellungnahme an das Europäische Parlament überwiesen, das der Biometrie um einiges skeptischer gegenübersteht als die traditionell polizeifreundlichen Minister. Am Montag vergangener Woche stimmte der Innenausschuss in Strasbourg über den Entwurf ab und nahm einige wohlklingende, doch letztlich wenig effektive Änderungsanträge an.

Doch schon kurz vorher, als die Parlamentarier noch auf dem Weg ins Elsass waren, beschlossen die Innen- und Justizminister, die sich in Luxembourg trafen, noch eins draufzusatteln: Sie fassten einen weiteren Ratsbeschluss, nach dem die Staaten zukünftig verpflichtet sein sollen, neben dem Gesichts-Scan auch noch die Fingerabdrücke ihrer Bürgerinnen und Bürger auf den Ausweisdokumenten zu speichern. Deutschland, vertreten durch Innenminister Otto Schily und Justizministerin Brigitte Zypries, bildete auf dem Luxembourger Gipfel zusammen mit Großbritannien die Hardliner-Fraktion, die forderte, als drittes biometrisches Merkmal einen Scan der Augeniris auf den Chip zu packen.

Zumindest momentan ist noch nicht geplant, die Daten auf den Dokumenten in einer zentralen Datenbank zu erfassen. Allerdings wird sich auch nicht verhindern lassen, dass Staaten außerhalb der EU dies mit den Daten, die dort bei der Einreise anfallen, nach Gusto tun. Das ist zum Beispiel bei den von den USA erhobenen biometrischen Daten schon jetzt der Fall; umgekehrt war der Druck aus Washington zur Einführung der Biometrie-Pässe den EU-Ministern ein willkommener Vorwand, um die eigenen Pläne voranzutreiben.

Dabei ist die Sicherheit, die durch die neuen Dokumente geschaffen werden soll, eine Illusion. Die auf einem Chip gespeicherten biometrischen Merkmale sind erheblich leichter zu manipulieren als ein technisch aufwendig produzierter Pass, wie er heute in Gebrauch ist. Sie vermitteln jedoch die Illusion der Fälschungssicherheit. Auch auf die Frage, wie die Daten vor unbefugtem Auslesen geschützt werden sollen, gibt es noch keine überzeugende Antwort. Sie werden auf so genannten RFID-Chips gespeichert, die in Laborversuchen schon über Entfernungen von 30 Metern ausgelesen wurden. Mit den so gewonnenen Daten ließen sich dann allerhand Manipulationen betreiben.

Mehr Sicherheit für die Bürger werden die Biometrie-Pässe nicht bringen, aber eines ist sicher: Für Dokumentenfälscher haben die EU-Innenminister vergangene Woche ganz neue Geschäftsfelder erschlossen.