Die Mutter aller Streiks

Weil die nigerianische Regierung eine Senkung des Benzinpreises ablehnt, will der Gewerkschaftsverband NLC die Ölförderung lahm legen. von alex veit
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In der Vergangenheit sei seine Gewerkschaft beschuldigt worden, »nicht genügend zur Unterstützung von NLC-Streiks getan« zu haben, konstatierte Brown Ogbeifun, Präsident der Petroleum and Natural Gas Senior Staff Association of Nigeria (Pengassan). Das soll sich nun ändern: »Dieses mal werden wir unser Bestes geben, um den Ölsektor zu lähmen.«

Ein für Dienstag nächster Woche in Nigeria geplanter Generalstreik soll erstmals auch die Ölexporte des westafrikanischen Landes zum Stillstand bringen. Anders als in den insgesamt sechs Generalstreiks in den vergangenen fünf Jahren haben diesmal auch die im Ölsektor dominanten Einzelgewerkschaften dem Gewerkschaftsverband Nigeria Labour Congress (NLC) ihre Unterstützung zugesagt. Der Streik soll nach Angaben des NLC andauern, bis die nigerianische Regierung auf die Forderungen des Gewerkschaftsverbands eingeht. Da Nigerias Staatshaushalt zum Großteil durch Ölexporte finanziert wird, könnte die Regierung unter Präsident Olusegun Obasanjo durch den Streik in ihre bisher schwerste Krise geraten.

Der Gewerkschaftsverband NLC fordert, dass die Regierung eine im September verfügte Erhöhung der inländischen Benzinpreise um 25 Prozent rückgängig macht. Im Zuge der Liberalisierung des Inlandsmarktes sollen die Subventionen von derzeit noch jährlich zwei Milliarden US-Dollar abgebaut werden, angeblich um mit den frei gewordenen Mitteln Sozialprogramme zu finanzieren. In der Vergangenheit hatte die Regierung bereits mehrmals die Subventionen reduziert, musste dies nach Streiks aber wieder rückgängig machen. Der NLC argumentiert, dass die Erhöhung der Benzinpreise zu einer allgemeinen Inflation führen wird, die insbesondere die Armen treffen wird. Zwei Drittel der Nigerianer leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag.

Vorletzte Woche beschloss die Regierung einige Steuernachlässe und Zuschüsse, um die Auswirkungen der Preiserhöhungen zu mildern, was vom NLC jedoch als ungenügend bezeichnet wurde. Über den Benzinpreis will die Regierung jedoch nicht verhandeln. Dies sei »in einer Demokratie nicht akzeptabel«, erklärte der NLC-Präsident Adams Oshiomhole. Die Gewerkschaften boykottieren nun die eigens eingerichtete Vermittlungskommission.

Neben den größten Oppositionsparteien und einer Koalition aus Bürgerrechtsgruppen hat sich inzwischen auch das von der Regierungspartei dominierte Repräsentantenhaus mit dem Streik solidarisiert. Hinzu kommen auch eher ungewöhnliche Verbündete. Neben der legalen, ethnisch ausgerichteten Miliz Oodua Peoples Congress hat auch die vom Staat verfolgte separatistische Bewegung zur Wiederrichtung des souveränen Staats Biafra (Massob) ihre Unterstützung des Streiks angedeutet. Zudem ging beim NLC ein Brief eines wohl selbst ernannten Sprechers militanter Jugendgruppen ein. Darin heißt es, »die Mutter aller Streiks« werde auch von den so genannten Area Boys durchgesetzt werden.

Fast scheint es, als sei der britisch-niederländische Konzern Shell der letzte Verbündete der Regierung. Er versuchte vergangene Woche ein Streikverbot für die bei ihm angestellten Arbeiter gerichtlich durchzusetzen. Die Verhandlung wurde von dem Richter, der eine außergerichtliche Einigung befürwortete, auf den Donnerstag nach dem geplanten Streikbeginn vertagt. »Wir haben entschieden, Shell zum Feind des nigerianischen Volks zu erklären«, kommentierte NLC-Präsident Oshiomhole die Klage. »Wenn Shell ein Werkzeug der Unterdrückung sein will, sollte der Konzern auf eine feindselige Umgebung vorbereitet sein.«