Und Prügel noch dazu

Flüchtlingsinitiativen fordern die Aufklärung der Misshandlung von afrikanischen Frauen im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. von martin kröger

Am Abend zuvor war alles noch friedlich. »Wir Frauen haben gemeinsam am 3. Oktober beschlossen, in den Hungerstreik zu treten«, erzählt Ramona Ramirez*. Zusammen mit den anderen weiblichen Insassen ihrer Etage im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick wollte sie mit der Verweigerung der Nahrungsaufnahme und einem Brief an die Ausländerbehörde bessere Haftbedingungen erreichen. Besonders wichtig war den Protestierenden die Beschleunigung ihrer Verfahren, um die Haft zu verkürzen.

Dann aber kam alles ganz anders, wie Ramirez beschreibt: »Am nächsten Tag erschienen 30 Polizisten, die uns aufforderten, sofort den Hungerstreik zu beenden.« Die eingesetzten Beamten seien besonders erpicht auf die neun afrikanischen Frauen gewesen, weil sie, wie Ramirez glaubt, von den Polizisten als Rädelsführerinnen des Protests ausgemacht worden waren: »Die Polizisten kamen und sagten, die afrikanischen Frauen müssen ihre Sachen packen und mitkommen.« Dabei hätten die Polizisten zudem ihr Missfallen gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe bekundet.

Als sich daraufhin die anderen Insassen mit ihnen solidarisierten, kam es nach Aussage von Ramirez zu einer regelrechten Jagd auf die Afrikanerinnen, bei der sie auf den Boden gedrückt, gefesselt, ins Gesicht geschlagen und gegen Wände gestoßen worden sein sollen, bevor sie in Einzelhaft in die Gefangenensammelstelle in Berlin-Tempelhof verbracht wurden. Einer Frau soll dabei die Hand gebrochen, eine andere im Krankenhaus behandelt worden sein. »Als ich versucht habe, eine Frau, die sich in meiner Nähe versteckt hielt, festzuhalten, haben sie auch mich an der Kehle gepackt und geschlagen«, erzählt Ramirez.

Mit einer Pressemitteilung wandten sich nun der Flüchtlingsrat Berlin, die Initiative gegen Abschiebehaft und die Antirassistische Initiative an die Öffentlichkeit. »Vier Wochen nach dem Ende des Hungerstreiks in der Abschiebehaft Berlin-Köpenick sind die Hintergründe der gewaltsamen Übergriffe von Seiten der Polizei noch immer ungeklärt«, schreiben die Gruppen. Gemeinsam mit der Seelsorgerin der Abschiebehaftanstalt, Cornelia Frisch, fordern sie die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission, um die selbst für den berüchtigten Abschiebeknast in Köpenick bislang einmaligen Vorgänge aufzuklären. »Dass externe Polizeikräfte erscheinen, um eine Gruppe zu isolieren, um den Willen der Hungerstreikenden zu brechen, ist eine neue Qualität«, sagt Stephan Haufe von der Initiative gegen Abschiebehaft. Er hofft, dass eine unabhängige Kommission aufdeckt, wer angeordnet hat, alle afrikanischen Frauen in Einzelhaft zu bringen. Zudem sei bislang ungeklärt, was nun genau in der Nacht des 4. Oktober passiert sei. Nicht zuletzt gilt es zu klären, »ob die Verlegung von Gruppen bei Protesten in Einzelhaft zukünftig gängige Praxis werden soll«, wie Haufe betont.

Denn Proteste und Hungerstreiks sind in dem Abschiebegefängnis, das im Oktober 1995 in Betrieb genommen wurde, nichts Besonderes: Zuletzt waren von Januar bis April 2003 Dutzende inhaftierte Männer und Frauen in den Ausstand getreten. Über 50 von ihnen hatten in derselben Zeit Suizidversuche und Selbstverletzungen unternommen. Erst angesichts der überraschend großen öffentlichen Aufmerksamkeit hatte sich der zuständige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) damals bereit erklärt, kleine Verbesserungen vorzunehmen.

Diesmal hielt man offensichtlich eine andere Strategie für richtig. Nach dem Polizeieinsatz brachen 35 der Gefangenen den Hungerstreik ab, 20 Personen setzten ihn bis zum 11. Oktober fort. Während die an der Hand verletzte Frau bereits abgeschoben wurde, sitzt Ramirez weiter ein – inzwischen über fünf Monate.

*Name von der Redaktion geändert.