Angriff auf Annan

Wegen der Korruption beim Oil-for-Food-Programm für den Irak und der Duldung sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen wächst die Kritik an UN-Generalsekretär Kofi Annan. von martin schwarz, wien

Der Brief, den Kofi Annan vor kurzem von den beiden US-Senatoren Norm Coleman und Carl Levin erhielt, ließ an Eindeutigkeit nichts vermissen. Wenn der Untersuchungsausschuss des Kongresses über die Korruption beim UN-Programm »Oil for Food« ein Gerichtsverfahren wäre, dann würde der UN-Generalsekretär wohl schnell einen Strafverteidiger brauchen. »Behinderung der Justiz«, so schrieben die beiden Senatoren, würde wohl die Anklage gegen Annan lauten. Er habe die Zusammenarbeit verweigert und seinen Mitarbeitern Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss verboten.

Insgesamt rund 65 Milliarden US-Dollar wurden aus dem Verkauf irakischen Öls generiert, mit dem Geld sollte die irakische Bevölkerung mit Lebensmitteln und medizinischen Gütern versorgt werden. Doch es erwies sich auch als finanzielle Hilfe für Saddam Hussein. Allein aus dem Schmuggel irakischen Öls nach Jordanien, Syrien und die Türkei sollen Saddam Hussein und sein Regime 9,7 Milliarden US-Dollar Profit gezogen haben. Die Vereinten Nationen konnten offensichtlich nicht für eine effektive Kontrolle sorgen, oder schlimmer noch: Durch die Bestechlichkeit von UN-Beamten soll Saddam Hussein erst in die privilegierte Lage gekommen sein, dieses Programm als Einnahmequelle nutzen zu können.

Dass Kofi Annan für die Ermittler des US-Kongresses interessant geworden ist, hat im wesentlichen zwei Gründe. Er war es, der als frisch gewählter UN-Generalsekretär im Jahr 1997 Benon Sevan zum Chef des Oil-for-Food-Programms gemacht hatte, und ausgerechnet dieser Benon Sevan tauchte kürzlich auf einer Liste einflussreicher Diplomaten, Politiker und westlicher Geschäftsleute auf, die auf der Payroll von Saddam Hussein gestanden haben sollen. Freilich sind es auch politische Motivationen, die den US-Kongress dazu bewegen, den Skandal abermals aufzurollen. In einer Art Strafexpedition sollen wohl die Vereinten Nationen und ihr Generalsekretär gedemütigt werden, der erst vor kurzem den von den USA geführten Krieg gegen den Irak als »illegal« bezeichnet hatte.

Ein Sittenbild des Chaos innerhalb der Weltorganisation aber ist der Irak-Skandal allemal, denn begleitet wird er von anderen Problemen, mit denen sich Kofi Annan derzeit konfrontiert sieht. Nur knapp schrammte der Generalsekretär in der vergangenen Woche an einem Misstrauensvotum seiner Mitarbeiter vorbei – ein einmaliger Vorgang innerhalb der Organisation. Annan nämlich hatte ausgerechnet den für interne Revision zuständigen UN-Diplomaten Dilepp Nair von jedem Verdacht freigesprochen, als Gerüchte laut wurden, Nair habe Mitarbeiterinnen sexuell belästigt und es sei in seiner in New York und Wien angesiedelten Behörde OIOS wiederholt zu Unregelmäßigkeiten beim Personalmanagement gekommen.

Die Reinwaschung Nairs durch Annan hat die UN-Angestellten deshalb derart verunsichert, weil Annan zuvor in einem Brief an seinen Kabinettschef selbst nicht ganz überzeugt gewirkt hatte von der Unschuld Nairs. Bereits im vergangenen Jahr war ein leitender Mitarbeiter der am Wiener UN-Sitz angesiedelten Behörde für Terror- und Verbrechensbekämpfung UNODC unter einen ähnlichen Verdacht geraten und erstaunlich schnell reingewaschen worden.

Das dürfte bei den Enthüllungen über sexuelle Misshandlungen der Zivilbevölkerung durch UN-Mitarbeiter im kongolesischen Bunia nicht funktionieren. Rund 30 Verdachtsfälle gibt es, und ein interner Untersuchungsbericht der Organisation hat bereits klare Beweise für die Stichhaltigkeit der Vorwürfe gefunden. Annan drückte in einem kurzen Kommunique lediglich seine »Empörung« aus.