Hauptquartier unter Beschuss

Seit sich die DKP-Führung gegen den irakischen »Widerstand« und für die irakische KP ausgesprochen hat, schlägt ihr jede Menge Hass entgegen. von ivo bozic
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Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) gilt nicht gerade als linksradikale Avantgarde. Und ihr Verhältnis zum revolutionären, bewaffneten Kampf etwa der RAF war ganz im Marx’ schen Sinne von der Ablehnung des »individuellen Terrors« bestimmt. Man kann der Partei, wie es Linksradikale seit Jahrzehnten tun, zu Recht ihren Revisionismus vorwerfen. Dennoch überrascht das kritische Verhältnis der DKP zu dem linksradikal verkleideten regressiven Antiimperialismus im Irak, galt doch die antiimperialistische Geste gemeinhin als die ausdrucksstärkste der Kommunisten.

Ihr Vorsitzender Heinz Stehr hatte sich auf einer Tagung des Parteivorstands und in der letzten Ausgabe der Parteizeitung UZ im Namen der DKP hinter die Irakische Kommunistische Partei (IKP) gestellt, die in der irakischen Übergangsregierung mitarbeitet. Gleichzeitig distanzierte sich Stehr von dem so genannten Widerstand, der nur von Saddam-Anhängern, al-Qaida-Terroristen und reaktionären Schiiten getragen werde. Die IKP habe im Regierungsrat die Privatisierung der Ölindustrie verhindern und Voraussetzungen für eine Sozialversicherung schaffen können, schreibt Stehr. Die verabschiedete Verfassung sei eine der »fortschrittlichsten im Nahen Osten« und die 25prozentige Frauenquote ebenso ein Erfolg des Regierungsrates, wie die Senkung der Arbeitslosigkeit. Zwar lehne man die US-Besatzung ab, der reaktionäre und gewaltsame Widerstand jedoch beschwöre nur die Gefahr eines Bürgerkriegs herauf, der keinem helfe werde.

Konsensfähig sind solche Meinungen innerhalb der DKP und erst recht innerhalb der antiimperialistischen Szene nicht, und so schlägt Stehr nun eine Welle von Aggressionen entgegen. »Ich schäme mich, DKP gewählt zu haben«, erklärte der deutsche Ba’athist und Irak-Soli-Aktivist Christian Sedlmair (Jungle World, 40/04) in einem offenen Brief an die DKP-Führung. Der ehemalige Parteifunktionär und heutige Querfrontaktivist Charly Kneffel forderte in der Internet-Zeitung rbi-online: »Bombardiert das Hauptquartier!« Für Kommunisten in der DKP sei es höchste Zeit, »sich zu organisieren und sich dieses Parteivorstands zu entledigen«. Rüdiger Göbel, stellvertretender Chefredakteur der jungen Welt, bezeichnete Stehrs Äußerungen in der eng an der Seite des irakischen Widerstands stehenden Zeitung empört als »Kollaboration mit den Kollaborateuren«, und ebendort schäumte Chefkommentator Werner Pirker, die irakischen Kommunisten seien die »Verräter von Bagdad«.

Auch innerhalb der DKP geht die Debatte um das Verhältnis zur IKP weiter. Die Jugendorganisation SDAJ hat sich im Gegensatz zur Parteiführung mit dem so genannten Widerstand solidarisiert. Auf ihrem Bundeskongress Anfang Oktober erklärte die SDAJ, sie unterstütze »alle antiimperialistischen Kräfte innerhalb und außerhalb des Iraks, die sich gegen die völkerrechtswidrige Besatzung des Iraks durch die USA wenden und den Widerstand dagegen unterstützen bzw. durchführen«. Und während die Münchner DKP kürzlich den IKP-Funktionär Rashid Ghewielib zu einer Infoveranstaltung einlud, organisierte die DKP in Gießen eine Veranstaltung mit dem Unterstützer des »Widerstands« und ehemaligen Stasi-Agenten Klaus von Raussendorff (Jungle World, 40/04). Rund 30 Antifas aus Marburg und Gießen demonstrierten gegen diese Veranstaltung und verteilten Flugblätter. Dabei kam es zu Rangeleien mit den DKPlern.

Auch auf dem Europäischen Sozialforum in London war es im Oktober zum Streit zwischen Anhängern der IKP und solchen des Widerstands gekommen. Nachdem im letzten Jahr die Friedensbewegung über ihr Verhältnis zum irakischen Widerstand gestritten hatte, muss sich nun die antiimperialistische Szene dieser Debatte stellen.