Kommunisten und Immobilien

Nachdem die KPÖ das ehemals besetzte Ernst-Kirchweger-Haus in Wien verkauft hat, sollen bis zum Jahresende die ersten linken Projekte das Gebäude räumen. von thomas schmidinger (text und fotos)

Während aus dem Erdgeschoss leise Punkmusik trällert, schallt von nebenan kurdische Musik in ohrenbetäubender Lautstärke herüber. Einige Bibliotheksbesucher versuchen, durch die gesicherte Eingangstür in den zweiten Stock zu kommen. Im Erdgeschoss rennen andere hektisch zwischen Infoladen und Veranstaltungsbereich hin und her, um noch irgendetwas für die abendliche Diskussionsveranstaltung zu organisieren. Im Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) geht alles seinen Gang. Alles scheint zu laufen wie immer. Nichts deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass das einzige autonome politische und kulturelle Zentrum Wiens kurz vor dem Aus stehen könnte. Das EKH ging aus einer Besetzung der damals leer stehenden »Wielandschule« der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) Anfang der neunziger Jahre hervor und ist nunmehr das Herzstück des linksradikalen Wiens.

Die älteste noch existierende kommunistische Partei Europas, die nach dem Novum-Urteil in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, hat das Haus vor einem Monat verkauft (Jungle World, 44/04). Mittlerweile sind einige pikante Details über die neuen Hausbesitzer bekannt geworden. Obwohl es die KPÖ-Führung um Walter Baier immer noch nicht wahrhaben will: Die Kommunisten haben das Haus ausgerechnet an eine Firma verkauft, deren Akteure im Verdacht stehen, Kontakt zur rechtsextremen Szene zu unterhalten oder zumindest unterhalten zu haben.

Als Käufer des EKH tritt eine »Wielandgasse 2–4 Vermietungs-GmbH« auf, deren Geschäftsführer ein gewisser Christian Machowetz ist, dem wiederum auch eine Sicherheitsfirma mit dem Namen »Security Management Christian Machowetz GmbH« gehört. Außerdem soll Machowetz in den siebziger Jahren Mitglied der neonazistischen Aktion Neue Rechte (ANR) gewesen sein. Das jedenfalls ergibt sich aus einer Liste mit Mitgliedsbeiträgen des Landesverbands Wien der ANR, die im Jahr 1977 von der Zeitschrift der Sozialistischen Jugend Wien Ventil veröffentlicht wurde und die von UnterstützerInnen des EKH mittlerweile als Faksimile auch ins Internet gestellt wurde.

Geschäftsführer Machowetz bestreitet allerdings, mit dem Neonazi Machowetz identisch zu sein, und diese Behauptung dient der KPÖ seither als Beweis für die Unbedenklichkeit der neuen Besitzer.

An dieser Darstellung gibt es jedoch erhebliche Zweifel. Denn der ominöse Nazi Machowetz, der im Jahre 1977 auch eine Unterstützungserklärung für die ANR unterschrieb, gab seinerzeit als Wohnadresse ein Haus im 13. Wiener Gemeindebezirk an, und dieses Haus gehört heute dem jüngeren Bruder von Christian Machowetz. An Zufall mag da bei den EKH-BetreiberInnen niemand so recht glauben. Schließlich wird auch dem Geschäftsführer der »Security Management Christian Machowetz GmbH«, Walter Jaromin, nachgesagt, jahrzehntelang gute Kontakte zu alten Kameraden unterhalten zu haben. Der Privatdetektiv, der in den achtziger Jahren im Vorstand des Österreichischen Detektiv-Verbandes (ÖDV) saß, befand sich in den späten siebziger Jahren mehrere Monate in Untersuchungshaft, da ihm vorgeworfen wurde, geheime Daten aus dem Innenministerium weitergegeben zu haben. Im Nachrichtenmagazin Profil war damals über das politische Umfeld Jaromins zu lesen: »Warum um Jaromins Hab und Gut so ein Griss ist, erklären seine Gegner damit, dass Jaromin nicht nur ein bekannt national eingestellter Mann sei, sondern womöglich äußerst innige Beziehungen zu rechten politischen Gruppen, von NDP bis ANR, habe. (…) Er machte aus seiner politischen Anschauung kaum Hehl, brüstete sich gern seiner Freundschaft mit dem Mussolini-Befreier Otto Skorzeny (den er auch in Spanien besucht hatte) und ist gläubiger Antikommunist.«

Vielleicht, so wird im EKH spekuliert, handelt es sich bei den neuen Eigentümern rund um Christian Machowetz auch nur um Strohmänner. Nach der Errichtung des neuen Zentralbahnhofs wird nämlich eine Aufwertung der gesamten Nachbarschaft erwartet, und so könnten sich weit potentere Investoren vorerst hinter Machowetz und Co. verstecken.

Doch eigentlich ist der politische wie wirtschaftliche Hintergrund der neuen Eigentümer nur von zweitrangiger Bedeutung. Für die österreichische Linke ist der Verkauf des EKH auch unabhängig von den Käufern und ihren Hintermännern ein politischer Skandal. So unterschiedliche Gruppen wie die Grazer Autorenversammlung, die Ökologische Linke (Ökoli), die trotzkistische SOAL, die maoistische Komak-ML oder der KPÖ-eigene StudentInnenverband KSV haben sich bereits mit den BetreiberInnen und BewohnerInnen des EKH solidarisiert. Selbst Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die bereits 1990 nach der Besetzung des EKH als Vermittlerin zur KPÖ fungierte, erklärte sich erneut solidarisch mit den Leuten in dem nach einem von Neonazis ermordeten Kommunisten benannten Haus. Ja selbst aus der eigenen Partei hagelte es Kritik für den Parteivorsitzenden Baier und für Finanzchef Michael Graber.

An Grabers undurchsichtigem Finanzgebaren gibt es schon lange Kritik innerhalb der Partei. Zu den schärfsten Kritikern zählten bisher jedoch weniger die Linksradikalen aus dem EKH und deren Sympathisanten, sondern eine Allianz aus AltstalinistInnen und RegionalpolitikerInnen aus der Steiermark. Nun dürfte das Duo Graber/Baier allerdings auch viele ihrer einstigen innerparteilichen Verbündeten gegen sich aufgebracht haben. Eine Reihe aktiver Parteimitglieder hat in den letzten Tagen ihren Parteiaustritt erklärt. Andere lassen informell verlauten, Baier die Unterstützung beim kommenden Parteitag versagen zu wollen. Absurderweise könnten so jene, die bereits vor Jahren für einen Verkauf des EKH eingetreten waren, nämlich der stalinistische Flügel, an die Parteispitze vorstoßen.

Für diese KPÖ-internen Spitzfindigkeiten interessieren sich im EKH jedoch nur wenige. Zu sehr sind hier alle damit beschäftigt, den normalen Betrieb des Hauses aufrechtzuerhalten und um den Erhalt des autonomen Zentrums zu kämpfen. Mittlerweile sind neben dem Veranstaltungsbereich und dem autonomen Wohnbereich eine Vielzahl an politischen und kulturellen Initiativen in der Wielandgasse 2–4 untergebracht. Mit dem Infoladen befindet sich eine der letzten noch existierenden linken Buch- und Zeitschriftenhandlungen Wiens im Haus. Und mit der Atigif hat hier eine der wichtigsten linksradikalen Gruppierungen aus der Türkei ihre Vereinslokalitäten. Einen Stock darüber befindet sich die VolXbibliothek mit über 10 000 Bänden zu linker Theorie und Geschichte, Nationalsozialismus und Antisemitismus und das Archiv der sozialen Bewegungen mit den umfangreichsten Zeitschriften- und Flugblattsammlungen der österreichischen Linken. In den Zimmern daneben sind Flüchtlinge untergebracht.

Um deren Zukunft kümmerte sich die KPÖ beim Verkauf des Hauses ebenso wenig wie um die politischen Projekte. Weiter oben ist noch die Redaktion des Tatblatts, eines der letzten linken Zeitschriftenprojekte in Österreich, untergebracht. Daneben werden in der Druckwerkstatt T-Shirts gedruckt. Frauenprojekte, Proberäume für Bands und eine autonome Fahrradwerkstatt runden das Bild ab. An eine freiwillige Räumung des Hauses denkt hier niemand. Auch wenn mittlerweile alle Mietverträge zum 31. Dezember 2004 gekündigt wurden, will niemand das Ernst-Kirchweger-Haus kampflos den neuen Besitzern überlassen. Zumal im EKH niemand der KPÖ deren behauptete Finanznot so recht abnimmt. Als Anfang November KPÖ-Chef Baier das EKH besuchte und sich unter anderem mit der Redaktion des Tatblatt unterhielt, erklärten die Journalisten: »Alles in allem ließ sich heraushören, dass die KPÖ nicht existenziell gefährdet ist, jedoch, um wieder etliche MitarbeiterInnen einstellen zu können, möglichst viel Geld erwirtschaften will.« Und zwar mit der Vermietung bzw. wie im Fall des EKH mit dem Verkauf ihrer Immobilien.

Dieses für Österreich einzigartige Haus will sich die Wiener Linke nicht wegnehmen lassen. Diverse Protestaktionen und Solidaritätsbekundungen waren deshalb die Antwort auf den Verkauf. In den vergangenen Wochen wurden symbolisch KPÖ-Räumlichkeiten in ganz Österreich besetzt. Funktionäre der Partei wurden von gemeinsamen linken Plena geworfen und Parteichef Baier symbolisch »ins Wadl« gebissen. Am Freitag letzter Woche erreichten die Proteste ihren vorläufigen Höhepunkt. Über 1 200 DemonstrantInnen zogen durch die Hauptstadt, um gegen die KPÖ und für den Erhalt des EKH zu protestieren. Seit Jahren hat Wien keine so große Ansammlung protestierender Autonomer, Punks und so verschiedener Linksradikaler gesehen.

Vielleicht ist es der KPÖ mit dem Verkauf des Hauses sogar gelungen, einer tot geglaubten Bewegung wieder etwas Leben einzuhauchen. Der Partei jedenfalls schadet die gesamte Debatte enorm. Und so haben Mitglieder der KPÖ einen Antrag an den Bundesvorstand gestellt, in dem es heißt: »Der politische Schaden, der durch den Verkauf und die nun bekannt gewordenen politischen Hintergründe für die KPÖ entstanden ist, ist eine Katastrophe für die Partei. Es sind daher selbst finanzielle Nachteile in Kauf zu nehmen, um den vorherigen Status quo – die Eigentümerschaft der KPÖ – wiederherzustellen.«

In der Tat weht der KPÖ in der linken Szene ein eiskalter Wind entgegen. Zahlreiche autonome und selbst verwaltete Projekte, nicht nur in Österreich, haben sich mittlerweile mit den BewohnerInnen und Betreiberinnen des EKH solidarisiert. In einer Unterstützungserklärung des Hafenklangs in Hamburg etwa heißt es: »Als unabhängige Kulturschaffende in Hamburg fordern wir die Kapitali … ääh … Kommunistische Partei Österreichs auf, ihren politischen Selbstmord zu stoppen, den Verkauf des EKH rückgängig zu machen und das Haus dem Verein für Gegenkultur zu schenken. Ansonsten kommen wir Sylvester nach Wien!« Im EKH ist angesichts der breiten Unterstützung von Resignation nichts zu spüren. Im Gegenteil. Die Stimmung ist kämpferisch, und so wird es wohl noch eine Weile spannend bleiben in Wien.