Nachrichten

»I always been Jesus«

Ol’ Dirty Bastard. Er war der Kopf des Wu-Tang Clans, und er hatte wohl ein Rad ab. Dass er aber gleich für geisteskrank erklärt wurde, liegt wohl eher daran, dass es keinen gesteigerten Ausdruck für seinen Wahnsinn mehr gab. Vielleicht waren es auch nur die Drogen. Vielleicht war er aber einfach nur ein Ol’ Dirty Bastard. Oder eben Big Baby Jesus, wie sich der Rapper aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn auch nannte. Zwar konnte er nicht übers Wasser gehen, doch ihm gelangen andere kleine Wunder. Wie zum Beispiel im November 2000, als er bei der Release-Party des Wu-Tang-Albums »The W« auf der Bühne auftauchte. So weit nicht weiter verwunderlich, hätte er nicht gerade im Oktober seine Gefängnisstrafe – sagen wir – eigenmächtig abgebrochen, weshalb er im ganzen Land polizeilich gesucht wurde. Die Fans waren von dem Auftritt begeistert, erst recht, als er trotz eines riesigen Polizeiaufgebotes vor dem Konzertsaal wieder entkommen konnte. Zu blöd nur, dass er auf der Flucht unbedingt noch mal bei McDonald’s ran musste. Dort erwischte man ihn, als er auf dem Parkplatz zwei Autogramme gab.

Im Jahr zuvor hatte Russell Jones, wie O.D.B. bürgerlich hieß, gerade sein zweites Soloalbum »Nigga Please« rausgegeben. Die Platte war ein echter Skandal, denn es ging nur um Ficken, Pussys und Drogen. Die Liste der ihm vorgeworfenen Straftaten war lang. Sie reicht vom Mordversuch an einem Polizisten, mit dem er in einen Schusswechsel verwickelt war, bis zu mehreren terroristischen Aktivitäten, die ihm angelastet wurden. Dreimal in zwei Monaten wurde er beim Fahren ohne Lappen erwischt, mehrmals mit Crack und Marihuana.

Am 13. November war’s das dann mit Ol’ Dirty Bastard. Der Rapper verstarb im Studio bei den Aufnahmen zu seinem neuen Album. Er hinterlässt 13 Kinder. Die Todesursache ist noch unklar. Wenn er jedoch Jesus war, wie O.D.B. von sich selbst behauptete, wird er wohl schon bald wieder auferstehen.

Warum der Fisch pupst

Ig-Nobelpreise. Neben dem von der schwedischen Akademie verliehenen Nobelpreis für wissenschaftliche Spitzenleistungen und dem seit 1980 vergebenen Alternativen Nobelpreis hat sich in den letzten 14 Jahren ein dritter Nobelpreis etabliert. Er nennt sich Ig-Nobel (von ignoble = unwürdig) und krönt seltsame Studien. Vergeben wird er regelmäßig im Theatersaal der ehrwürdigen Harvard University in Cambridge, wo die Stimmung erheblich besser sein soll als bei der Konkurrenzveranstaltung in Stockholm. Niemand muss sich einen Frack anschaffen, um der Preisverleihung beiwohnen zu können, bei der so großartige Dinge wie eine Untersuchung über die höhere Anfälligkeit für Selbstmordgedanken durch Country-Musik gewürdigt werden.

Für die Erforschung der Suizid-Country-Korrelation erhielt das Detroiter Team von der Wayne State University den diesjährigen Ig-Nobelpreis für Medizin. Sie hatten herausgefunden, dass die Rate der Selbsttötungen in Gegenden, in denen die lokalen Radiostationen viel Country spielen, besonders hoch ist, und schlossen daraus, dass die oft von Ehekrach, Alkohol und Ärger im Job handelnden Stücke Depressionen fördern. Mit dem Friedenspreis bedachte man den Japaner Daisuke Inoue für die Erfindung des Karaoke. Begründung: Karaoke eröffne »einen ganz neuen Weg, wie Menschen lernen können, einander zu tolerieren«.

Um Verständigung ging es auch den preisgekrönten Meeresbiologen, die sich mit der Kommunikation der Heringe beschäftigten und entdeckten: Heringe pupsen. Mittels Gasblasen, die aus dem Fisch-Po entweichen, werden Töne erzeugt, die das Miteinander im Schwarm regeln. Die wahrscheinlich bahnbrechendste Erfindung des Forscherjahres 2004 kommt jedoch aus Orlando. Frank Smith hat hier eine Methode entwickelt, wie Männer die letzten dünnen Haarsträhnen so geschickt über dem kahlen Kopf drapieren können, dass eine Frisur vorgetäuscht werden kann. Genial! fand die Jury und erkannte Smith den Technik-Ig-Nobelpreis zu.

Der Klang der Systemkritik

Theater. Gerhart Hauptmanns »Die Weber« ist eigentlich ein gut abgehangener Klassiker der Sozialkritik. Jetzt hat das Stück in der Inszenierung von Volker Lösch am Dresdner Schauspielhaus einen Theaterskandal ausgelöst, in dessen Mittelpunkt die Talkshow-Moderatorin Sabine Christiansen steht. Sie findet, dass von der Bühne herab eine Art Fatwa gegen sie verkündet wird, und reichte eine Unterlassungsklage ein. Das Stück verbindet den Hauptmann-Text mit authentischen Zitaten von Dresdner Bürgern, die aufgefordert waren, ihre Kritik an den Verhältnissen zu formulieren. So erklärt eine Figur: »Wen ich sehr schnell erschießen würde, das wäre Sabine Christiansen, einfach weil sie mir jeden Sonntagabend, wenn ich aus Versehen den Fernseher anmache, wirklich versauen kann. Weil sie so oft die Chance gehabt hätte, eben diese Leute, diese Leute auch wirklich schlagen zu können, die da doch wesentlich dran beteiligt sind. Ich meine, diese ganzen alten blöden Männer, die vielleicht eventuell die Aufgabe haben, Politik zu machen, die aber nur noch Theater machen.« Sabine Christiansen sieht darin einen »Aufruf zum Mord«; die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung. Regisseur Volker Lösch und Intendant Holk Freytag bemühten sich bislang vergeblich darzulegen, dass es dem Stück keineswegs um Politiker- oder Moderatorenbeschimpfung geht; ganz im Gegenteil solle der dumpfe Klang der Systemkritik am Stammtisch hörbar gemacht werden.