Handel ohne weißes Pulver

Vier Stunden Zeit und viel Lob hatte George W. Bush für den kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe übrig. Der wünscht sich mehr Hilfsgelder und weniger Druck bei den Verhandlungen über ein Handelsabkommen. von knut henkel

Eine mutige Nation« nannte US-Präsident George W. Bush die Kolumbianer, und ihren Präsidenten Álvaro Uribe bezeichnete er als ruhelos im »Kampf gegen den Narco-Terrorismus«. Uribe revanchierte sich in seiner kurzen Rede und bedankte sich für die Unterstützung aus Washington, die aber nicht auf halbem Wege stehen bleiben dürfe. Die Schlange lebe noch, meinte der kolumbianische Präsident.

Er drängt auf eine Verlängerung des Plan Colombia, der 2005 ausläuft. 3,93 Milliarden Dollar hat die US-Regierung bisher den Studien des Center for International Policy (CIP) zufolge überwiesen oder definitiv zugesagt. Die Bekämpfung des Kokaanbaus und des Vertriebs des Endprodukts Kokain sowie die Verfolgung von Drogenhändlern und Aufständischen, die im offiziellen Diskurs als Terroristen bezeichnet werden, sind die wichtigsten Ziele des Plan Colombia. Für dessen Verlängerung will sich Bush, so hat er seinem Kollegen versprochen, im Kongress einsetzen.

Das soll eine Art Belohnung für den treuen Gefährten Uribe sein, der als einer der wenigen Präsidenten Lateinamerikas den Krieg im Irak ohne Einschränkung unterstützt und derzeit mit allen Mitteln versucht, eine zweite Amtszeit mittels einer Verfassungsänderung durchzusetzen; bislang allerdings ohne Erfolg. Unterstützung vom wichtigsten Verbündeten kommt da gerade recht, zumal die Ergebnisse des Plan Colombia recht umstritten sind.

Zwar ist UN-Statistiken zufolge die Kokaanbaufläche um rund 47 Prozent zurückgegangen, Experten wie Ricardo Vargas mutmaßen jedoch, dass die Anbauflächen besser geschützt und nicht mehr so einfach ausfindig zu machen seien. Zudem kursieren Gerüchte, dass es mittlerweile ertragreichere Kokapflanzen gibt und sogar pestizidresistente Sorten. Das würde erklären, weshalb es trotz der Reduktion der Anbauflächen keine Nachschubprobleme in den USA gibt und der Preis für das weiße Pulver konstant ist. Diese Widersprüche standen aber nicht zur Debatte; man beließ es beim gegenseitigen Schulterklopfen in der Öffentlichkeit.

Auf Unterstützung von Bush hofft Uribe nicht nur beim Plan Colombia, sondern auch bei den Verhandlungen zum Freihandelsvertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Kolumbien. Die US-amerikanischen Unterhändler üben derzeit enormen Druck auf die kolumbianischen Verhandlungspartner aus, und dagegen regt sich in Kolumbien vermehrt Widerstand. Landesweite Demonstrationen sind für den 29. November angekündigt, und längst sind es nicht mehr nur Kleinbauernverbände und Nichtregierungsorganisationen, die vor den negativen Folgen warnen, sondern auch die Agrartechniker und Politiker des Landes.

Seit der Öffnung der Wirtschaft des Landes zu Beginn der neunziger Jahre sei Kolumbien zu einem Importeur von Mais und Getreide geworden, obwohl man zuvor Selbstversorger gewesen sei, stellt der Agrarwissenschaftler Ángel Maria Caballero in einer Presseerklärung der nationalen Vereinigung der Agraringenieure fest. Eine weitere Öffnung des Marktes und der Wegfall von Importzöllen auf Reis, Getreide und Baumwolle würde zehntausende von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft kosten.

Auch die Zuckerproduzenten aus Cali laufen Sturm gegen die bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen. Sie pochen darauf, dass Zugangsbeschränkungen auf dem US-Markt ebenfalls fallen müssten. Zudem könnte das Gros der kolumbianischen Produzenten mit der subventionierten Konkurrenz aus den USA nicht mithalten. Allein in der Geflügelzucht könnten, fürchtet der nationale Verband, 240 000 Arbeitsplätze verschwinden.

Kolumbien hat viel zu verlieren bei den Verhandlungen. Das bestätigt selbst Handelsminister Jorge Humberto Botero, der davor warnte, dass diese Produkte aus den kolumbianischen Agrarexporten verschwinden könnten. Eine Zunahme des Kokaanbaus könne die Folge sein, sagte der Minister der kolumbianischen Tageszeitung El Tiempo. Neue Absatzmärkte für die US-amerikanischen Landwirte und die Durchsetzung der Urheberrechte vor allem bei den Medikamenten großer Hersteller stehen ganz oben auf der US-Agenda. Dies sei nicht annehmbar, sagte der Minister, und Präsident Uribe bat denn auch in seiner Rede anlässlich des Treffens mit George W. Bush schüchtern um eine Verminderung des Drucks in den laufenden Verhandlungen, die Anfang Dezember in die nächste Runde gehen.

Auch bei den Friedensverhandlungen mit den Paramilitärs hofft Uribe auf den Rückhalt aus Washington. Neben politischer Unterstützung braucht der kolumbianische Präsident auch Mittel, um die anvisierte Reintegration der Paramilitärs ins Zivilleben zu finanzieren. Insgesamt rund 12 000 bis 14 000 Paramilitärs sollen demobilisiert werden. Rund 1 000 Angehörige des Bloque Cacique Nutibara wurden vor einigen Monaten in Medellín entwaffnet. Weitere 450 gaben in der vergangenen Woche in Turbo ihre Waffen ab, bis Ende des Jahres sollen mehr als 2 500 folgen.

Die Demobilisierung ist für viele Kritiker des Präsidenten allerdings nicht mehr als Augenwischerei. »Einen Friedensprozess macht man mit Feinden, nicht mit Freunden und Handlangern«, kritisiert beispielsweise der Jesuitenpater Javier Giraldo direkt vor dem Besuch Bushs in Kolumbien. Giraldo, ein bekannter Verteidiger der Menschenrechte, behauptet über Dokumente zu verfügen, die belegen, dass bereits 1962 eine US-Militärmission die Gründung der Paramilitärs vorgeschlagen habe. Damals habe es keine Guerilla gegeben, es sei allein darum gegangen, gegen Sympathisanten des Marxismus vorzugehen, beahuptet der Pater.

Für ihn ist die laufende Demobilisierung nichts anderes als die faktische Übernahme der Regionen mit staatlicher Duldung. Giraldo führt die Demobilisierung des Bloque Cacique Nutibara der AUC in Medellín als Beispiel dafür an, dass es kaum Möglichkeiten für die Strafverfolgung der Paramilitärs gebe, da die meisten nur unter Pseudonym bekannt seien.

Für Bush ist das ein sensibles Thema, denn in den USA wird die AUC, der Dachverband der paramilitärischen Einheiten, als terroristische Organisation geführt. Unterstützung für deren Demobilisierung ist deshalb kaum möglich. Zudem haben die US-Behörden die Auslieferung der AUC-Führung beantragt, und die kolumbianischen Gerichte haben am Donnerstag der vergangenen Woche der Auslieferung von Salvador Mancuso, der derzeitigen Nummer eins der AUC, ebenso stattgegeben wie jener von Simón Trinidad, einem Comandante der Farc-Guerilla. Dass sich Mancuso, der die Verhandlungen mit der Regierung leitet, stellen wird, ist allerdings zu bezweifeln.