Ikonisierung einer Ikone

Ein Film schildert das Leben der Revolutionärin Olga Benario. von birgit schmidt

In den letzten Jahren gab es einen Boom von Biografien über Kommunisten und Revolutionäre, durch die man zumeist mehr über denjenigen erfährt, der die Lebensgeschichte verfasst hat, als über das Objekt seiner Bemühungen. Darin offenbart sich die Faszination, die der Bürger angesichts eines revolutionären, also unbürgerlichen Lebens verspürt, das er selbst nicht zu führen, das er nur zu beschreiben und zu interpretieren wagt. In zahlreichen Fällen handelt es sich auch schlicht um eine Abrechnung mit den scheinbaren Verlierern der Geschichte, denen man dann, wenn es sich explizit um Verliererinnen handelt, eine frauenverachtende Arroganz hinterherschleudern kann, die man sich an anderer Stelle nicht mehr getraut. »Smedley war nicht schön im herkömmlichen Sinne«, schreibt beispielsweise der amerikanische Richard Sorge-Biograf Robert Whymant über die kommunistische Journalistin Agnes Smedley. »Das kurzgeschnittene Haar und ein vorstehendes Kinn verliehen ihr etwas Männliches, das sie bewusst kultivierte. Wie sie selber sagte, versuchte sie ihre mangelnde körperliche Attraktivität durch intellektuelle Fähigkeiten zu kompensieren.«

Whymant führt die intellektuellen Fähigkeiten einer der bedeutendsten Journalistinnen des letzten Jahrhunderts also auf Kompensation zurück. Wäre Smedley eine hübschere, eine weiblichere Frau gewesen, hätte sie es offensichtlich nicht nötig gehabt, die Welt zu bereisen, eine beeindruckende Autorinnenkarriere zu machen, Kommunistin zu werden und ökonomisch sowie sexuell unabhängig zu werden.

Weiblicher Instinkt ist okay, weiblicher Ehrgeiz ist es nicht, und so rechnet zum Beispiel Marianne Brentzel in »Die Machtfrau« mit Hilde Benjamin ab, die es wagte, zur ersten Justizministerin der Welt zu werden, die dafür sorgte, dass in der DDR die unehelichen Kinder den ehelichen gleichgestellt wurden und dass allein erziehende Frauen das alleinige Sorgerecht für ihre Kinder erhielten. »Manches Mal wäre auch sie gern schicker angezogen«, weiß Brentzel über Hilde Benjamin zu berichten, »doch diese Vorlieben gehörten einer anderen Zeit an, waren für die kommunistische Anwältin einfach überholt und unpassend.« Aha, so war das also.

Es gibt aber auch sympathisierende Biografien über Kommunistinnen, immer dann, wenn diese schön und tollkühn waren, wenn man eine herzzerreißende Liebesgeschichte mit einem tragischen Ende kombinieren kann. Die kommunistische Fotografin Tina Modotti war so eine Frau. Und Olga Benario: Sie sah gut aus, besaß Mut und hatte (mindestens) eine große Liebe in ihrem Leben. Hinzu kommt die Sehnsucht einer Mutter, der man das Kind entrissen hat. So verwundert es wenig, dass die Ermordete postum auch bei denjenigen auf Sympathie und Empathie stößt, die mit dem Kommunismus ansonsten recht wenig anzufangen wissen, und dass nun – nach zwei Biografien – endlich auch der dazugehörige Film in die Kinos kommt.

Olga Benario war eine junge Frau aus einem wohlhabenden Münchner Elternhaus, die Mitte der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts nach Berlin kam, um sich dem Kommunistischen Jugendverband anzuschließen. 1928 befreite sie ihren damaligen Lebensgefährten Otto Braun mit vorgehaltener, aber ungeladener Waffe aus dem Gefängnis Moabit und entkam mit ihm nach Moskau. Gemeinsam mit dem brasilianischen Militär und Kommunisten Luis Prestes wurde sie von dort nach Rio de Janeiro geschickt, um in Brasilien »die Revolution zu machen«. Auf der Reise wurden Benario und Prestes ein Paar.

Der Aufstandsversuch scheiterte, seine Niederschlagung nutzte der regierende Staatspräsident Getulio Vargas im Jahr 1937, um die Verfassung außer Kraft zu setzen und ein autoritäres Regime zu errichten, das im Rahmen der kommunistischen Volksfrontpolitik von derselben Komintern anerkannt und unterstützt werden sollte, die wenige Jahre zuvor neben Prestes und Benario noch weitere Emissäre nach Brasilien geschickt hatte, um Vargas zu stürzen.

Olga Benario wurde an Nazi-Deutschland ausgeliefert; widerrechtlich, denn sie erwartete ein Kind von Prestes, also von einem brasilianischen Staatsbürger. Sie brachte ihre Tochter im Zuchthaus zur Welt und wurde dann getrennt von ihrem Kind in das KZ Lichtenberg und später nach Ravensbrück deportiert. 1942 wurde sie in der Gaskammer von Bernburg ermordet.

Bereits die internationale Kampagne, die die Komintern mit der Schwiegermutter Benarios an der Spitze führte, um Olga Benarios Freilassung zu erwirken, konzentrierte sich auf die attraktive und schwangere Frau. Um ihre Mitgefangene Elisabeth Ewert, die gleichfalls an Deutschland ausgeliefert worden war und später im Konzentrationslager Ravensbrück verstarb, kümmerte sie sich hingegen nur am Rande. Und Arthur Ewert, der von den Vargas-Schergen so schwer gefoltert wurde, dass er im Gefängnis den Verstand verlor, wurde von der Kampagne der Komintern vollständig ignoriert. Arthur Ewert wurde erst 1945 aufgrund seines Geisteszustandes amnestiert und 1946 in die SBZ gebracht.

Der Film zementiert diese Hierarchisierung der Sympathien. Wem Widersprüche auffallen, wer Hintergründe erwartet, ist in dem Film falsch; auch wer wissen möchte, warum Olga Benario zum Bauernopfer in einem Spiel wurde, dessen Regeln sie nicht durchschauen konnte. Die Nazis ermordeten sie in der Gakammer, weil sie Jüdin war – 1942 ließ der NS-Staat keine/n mehr entkommen –, und nicht als Kommunistin.

In der DDR wollte man das nicht wissen, dort wurde sie ausschließlich als Kommunistin wahrgenommen und geehrt, und auch der Film fragt nicht danach: In einem bunten Mix aus nachgestellten Szenen, aktuellen Aufnahmen aus den Städten und Stätten ihres Wirkens, Interviewfragmenten und immer wieder eingeblendeten Fotos erzählt er einfach eine Geschichte nach, die auf den ersten Blick rührselig und dann geschmacklos wirkt. Bilder vom Zuchthaus werden mit brasilianischen Kinderliedern unterlegt, und auch das (heutige) Frauenkonzentrationslager Ravensbrück erscheint durch die brasilianische Hintergrundmusik fast idyllisch.

Der Film verrät uns, dass das kommunistische Komplott, an dem Benario beteiligt war, durch einen Mitverschwörer aufflog, der für den britischen Geheimdienst arbeitete. Welche Interessen der britische Geheimdienst an einem autoritär-faschistischen Regime in Brasilien gehabt haben könnte, das von der UdSSR dann mit Wohlwollen quittiert wurde und das Kommunisten nicht offen kritisieren durften, verrät er nicht. Er problematisiert auch nicht die Tatsache, dass die Mitverschwörerin Elvira Colonio, die die brasilianische KP für eine Verräterin hielt, als solche von Kommunisten ermordet wurde, also einer Feme zum Opfer fiel.

»Olga Benario – Ein Leben für die Revolution«. Start: 2. Dezember