Multilaterale Quelle

Der vom ZDF als BND-Quelle präsentierte Islamist Xhesairi soll auch für die CIA und den österreichischen Geheimdienst gearbeitet haben. von markus bickel, sarajevo

Die Herren hielten sich bedeckt. Nachdem die Obleute für Verteidigung der Bundestagsfraktionen Ende vergangener Woche über Verwicklungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) in die antiserbischen Ausschreitungen im Kosovo Mitte März dieses Jahres informiert worden waren, wollte plötzlich keiner mehr von einem Untersuchungsausschuss reden. Und über das, was die Fachleute des Verteidigungsministeriums ihnen mitgeteilt hatten, schon gar nicht. Immerhin: Bei dem vom ZDF vor zwei Wochen als Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes präsentierten Samedin Xhesairi handele es sich »um ein Exemplar, das wirklich multilateral ist«, frotzelte einer der Obleute im Gespräch mit der Jungle World.

Die Aussage deckt sich mit Erkenntnissen des deutschen Geheimdienstexperten und langjährigen Bundeswehrangestellten Erich Schmidt-Eenboom. So habe Xhesairi zwar auch für den BND gearbeitet, er sei jedoch »operativ an die CIA angebunden« gewesen. Die US-amerikanische Central Intelligence Agency habe den lange Jahre in Österreich als technisch-medizinischer Assistent tätigen Xhesairi mit weitaus mehr Geld ausgestattet als mit den 500 Euro, die monatlich vom BND gekommen seien, sagte Schmidt-Eenboom der Jungle World.

Die Welt hatte zuvor unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst Xhesairi zwar im September 2003 kontaktiert, anschließend aber auf eine dauerhafte Zusammenarbeit verzichtet habe. Schmidt-Eenboom erklärte, der BND habe Xhesairi als Quelle am 4. März »abgeschaltet«.

Dem Verfasser des Buches »Schnüffler ohne Nase. Der BND – die unheimliche Macht im Staate« zufolge war der unter dem Kampfnamen »Hoxha« agierende Xhesairi im Frühjahr 2001 in Mazedonien am Kleinkrieg gegen die dortige Regierung als Kommandant der 112. Brigade der Nationalen Befreiungsarmee (UCK) beteiligt. »Da war er an die CIA angebunden, was dazu führte, dass er insgesamt 17 USA-Militärberater um sich scharen konnte«, behauptet Schmidt-Eenboom.

Darüber hinaus sagt er: »Natürlich waren auch andere Nachrichtendienste an ihm dran. Außer dem BND nicht zuletzt das österreichische Heeresnachrichtenamt, das in dieser Region einen nachhaltigen Schwerpunkt setzt und sehr gute Verbindungen zur UCK hat.« Auch die vom ZDF vorgelegten Abhörprotokolle dürften vom HNA gekommen sein, meint Schmidt-Eenboom.

Bei den antiserbischen Pogromen kamen Mitte März mindestens 19 Menschen ums Leben, mehr als 4 000 Kosovo-Serben und Angehörige anderer Minderheiten wurden vertrieben, über 800 verletzt. Der Leiter des BND, August Hanning, räumte in der vorigenen Woche in der Zeit ein, über bevorstehende Unruhen informiert gewesen zu sein, eine Darstellung, die die Pressestelle des Dienstes jedoch sofort dementierte. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollausschusses, Hartmut Büttner, entlastete den BND ebenfalls. Der CDU-Abgeordnete konnte »kein Fehlverhalten« erkennen.

Während eines Besuchs im Hauptquartier des deutschen Kontingents der Bosnien-Schutztruppe (Sfor) in Rajlovac bei Sarajevo bestritt auch der Leiter des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Holger Kammerhof, bereits im Februar über die Vorbereitung von Ausschreitungen kosovo-albanischer Extremisten unterrichtet worden zu sein. »Ich hatte die Information auf dem Nato-Strang nicht, über die jetzt gesprochen wird«, sagte er der Jungle World.

Kammerhof stand während des zweitägigen Pogroms an der Spitze der von der Nato geführten Kosovo-Schutztruppe (Kfor) und war nach den Ausschreitungen scharf kritisiert worden. »Ich weiß nicht, was beim BND oder bei der Bundeswehr vorhanden war«, erklärte er, räumte jedoch ein, dass weitere Unruhen nicht ausgeschlossen werden könnten. »Es sind nach wie vor zu wenige Soldaten dort, um alle Serben – es sind ja noch 95 000 – zu schützen.«

Inwieweit durch eine verbesserte Koordination der 18 im Kfor-Hauptquartier in Pristina stationierten Geheimdienste weitere Krawalle verhindert werden könnten, gilt unter Experten als fraglich. Schon heute belauschen die Agenten sich teilweise gegenseitig, vor allem die Zusammenarbeit mit den französischen und US-amerikanischen Diensten läuft nicht so, wie sich ihre deutschen Kollegen das wünschen. In Diplomatenkreisen in Pristina heißt es außerdem, der BND, der Militärische Abschirmdienst (MAD) sowie das Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr verfügten über viel zu wenig Personal in der Region, um alle abgehörten Gespräche auszuwerten.

Die Vermutung Schmidt-Eenbooms, die vom ZDF vorgelegten Abhörprotokolle stammten vom Heeresnachrichtenamt aus Wien, liegt daher auf der Hand. Die Balkan-Aufklärung des österreichischen Auslandsnachrichtendienstes gilt als hervorragend. Schon Ende der fünfziger Jahre wurde mit US-amerikanischem Geld an Österreichs Ostgrenze, auf der Königswarte bei Hainburg, eine Lauschstation errichtet, die bis heute weit ins frühere Jugoslawien hineinreicht. Ein Tauschgeschäft mit Vorteilen für beide Seiten: So musste Wien sich verpflichten, die Informationen an westliche Dienste weiterzugeben. Viele der Bänder landeten deshalb direkt bei CIA-Stellen in Deutschland, ohne dass sie in Österreich überhaupt ausgewertet wurden.

Seitdem die Anlage auf der Königswarte Ende der achtziger Jahre vom darauf spezialisierten US-Unternehmen Bendix auf den neuesten Stand gebracht wurde, ist das Leistungsvermögen noch größer. Das österreichische Nachrichtenmagazin Profil etwa zitierte kurz nach Beginn des Kosovo-Krieges im April 1999 einen Geheimdienstfachmann mit den Worten: »Alles, was abstrahlt, wird registriert. Im Prinzip können wir feststellen, wenn irgendwo in der Nähe von Pristina ein Funkgerät eingeschaltet wird.« Auch der umstrittene so genannte serbische Hufeisenplan, der angeblich die militärische Vorbereitung zur Vertreibung Hunderttausender Kosovo-Albaner beinhaltete, kam Anfang 1999 aus Quellen des HNA.

Dass die westlichen Geheimdienste mit Xhesairi dicht an den Drahtziehern der Unruhen in Prizren dran waren, ist wohl unbestritten. So unterhält der mit einem österreichischen Pass ausgestattete Xhesairi offenbar enge Kontakte zu Zafer Berisha, einem ehemaligen Kommandaten der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) und führenden Mitglied im UCK-Veteranenverband.

Berisha sitzt heute für die Demokratische Partei des Kosovo (PDK) im Stadtparlament von Prizren und gilt als einer der Drahtzieher der antiserbischen Pogrome. Wie in allen größeren Städten hatte der Veteranenverband in Prizren schon Wochen zuvor zu Demonstrationen aufgerufen, die sich ausdrücklich gegen die Uno-Übergangsverwaltung (Unmik) richteten. Um das zu erkennen, bedurfte es keiner geheimdienstlichen Verbindungen.