Hartz für die Welt

Horst Köhler in Afrika von jörn schulz

Deutsche Bundespräsidenten hatten schon immer ein Herz für Afrika. »Die Leute müssen ja auch mal lernen, dass sie sauber werden«, würdigte Heinrich Lübke 1966 in Madagaskar bei der Besichtigung des Duschraums einer Schule die entwicklungspolitischen Anstrengungen. Bis heute bewahren die Afrikaner diesem großen Deutschen ein ehrendes Angedenken, unter anderem schmückt sich Niamey, die Hauptstadt des Niger, mit einer Avenue du Président H. Luebke.

An diese Tradition möchte Horst Köhler, der befürchten muss, dass sonst nur ein Butterschiff nach ihm benannt wird, gerne anknüpfen. Zehn Tage lang bereiste er Afrika. »Dass uns der Fremde, der Arme, der Hungernde etwas angeht, das gehört zur Seele Europas«, hatte er kurz vor seiner Abreise verkündet. Köhlers christliche Nächstenliebe äußerte sich dann vornehmlich in wohlmeinenden Mahnungen an die Afrikaner. Mahnungen, die auszusprechen »unsere Pflicht als Weltbürger« ist und nicht etwa »neokoloniale Einmischung«, wie er vor Vertretern der Afrikanischen Union in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abbeba betonte.

Der Weltbürger und ehemalige Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds findet, dass die Afrikaner zu sorglos Geld ausgeben. Es fehlt ihnen an »Kreditkultur«, und deshalb will ihnen keiner was leihen. Zu lasch in der Korruptionsbekämpfung sind sie auch, und überhaupt: »Man kann nicht einfach auf die Hilfe der westlichen Nationen warten.«

Eigentlich ist es wie zu Hause. Die Devise heißt »fördern und fordern«. Köhler räumt freimütig ein, dass die westlichen Staaten, etwa durch den Abbau von Handelshemmnissen, mehr zur Förderung der afrikanischen Wirtschaft tun sollten. Als Gegenleistung fordert er mehr Disziplin, »Flexibilität« und »Eigenverantwortung«. Im entwicklungspolitischen Diskurs nennt man das Good Governance.

Doch ebenso wenig wie Hartz IV und Appelle an die Unternehmer die Massenarbeitslosigkeit beseitigen, sorgt Good Governance für die Kapitalakkumulation, die für die Entwicklung notwendig wäre. Benin gehörte Anfang der neunziger Jahre zu den ersten afrikanischen Staaten, die ihre Institutionen demokratisierten. Das Wirtschaftswachstum ist mit etwa fünf Prozent nicht unbeträchtlich, dennoch belegt das Land im UN-Index der menschlichen Entwicklung Platz 161 von 177 untersuchten Staaten.

Deutsche Entwicklungsprojekte sind nicht in jedem Fall dazu geeignet, daran etwas zu ändern. Die von Köhler in Benin eingeweihte Konrad-Adenauer-Brücke wurde zu 91,6 Prozent aus Entwicklungshilfegeldern finanziert und vom deutschen Baukonzern Dywidag errichtet. So bekommen die Deutschen nicht nur ihr Geld zurück, auch Benin trägt mit 8,4 Prozent Kostenbeteiligung zum Wachstum der notleidenden Bauwirtschaft bei. In Sierra Leone kommentierte die Tageszeitung Concord Times: »Professor Köhler sollte wissen, dass die Afrikaner nicht länger von extravaganten Besuchen beeindruckt sind. Und wir lassen uns nicht so leicht von den verlockenden Reden europäischer Bürokraten verführen, die nur ihre eigenen Interessen in unserem Kontinent vertreten wollen.«

Es gibt kein Beispiel für erfolgreiche Kapitalakkumulation und Entwicklungspolitik unter einem Freihandelsregime. Dennoch ist der Glaubenssatz, dass die Beseitigung des »Reformstaus« blühende Landschaften hervorbringt, Grundlage der deutschen Afrikapolitik. Das ist ein zweifelhafter Fortschritt gegenüber dem naiven Paternalismus Lübkes, der den mauretanischen Abgesandten einst mit den Worten verabschiedete: »Ich wünsche Ihnen eine gute Entwicklung da unten.«