Neue Perle

Olympisches Tagebuch

Ob nun Bertolt Brecht oder Umberto Eco, John Updike oder Javier Marias – viele Schriftsteller haben den Sport auf unterschiedliche Weise in ihre Arbeit einfließen lassen, und das eine oder andere Resultat mag man durchaus als Perle der Sportliteratur bezeichnen. Jetzt haben die ehrwürdigen Autoren Konkurrenz bekommen, denn Christa Haas’ Olympisches Tagebuch ist auf dem Markt. Der Agon-Verlag, der das 224 Seiten starke Werk drucken ließ, schreibt in seinem Katalog, der Autorin sei es gelungen, »aus ihren Erlebnissen bei Olympischen Spielen eine Perle der Sportliteratur zu gestalten«.

Es menschelt heftig in diesem Backstage-Report, aber die Vielfalt des Themen-Potpourris ist beachtlich, auch zur Politik fällt Christa Haas etwas ein: »Zu Zeiten des internationalen, aktiven Terrorismus bestimmte ein mulmiges Gefühl die Gedanken an die Olympischen Spiele. Das war auch im Vorfeld von Salt Lake so gewesen …, doch vor Athen hatten die Gedanken irgendwie eine andere Dimension angenommen.« Wenn die Gedanken der Autorin mal irgendwie andere Dimensionen angenommen haben, wird sie uns vielleicht erklären können, warum der internationale Terrorismus bereits Geschichte ist, was »passiver Terrorismus« sein könnte – und, ja, vielleicht sogar, wie sich das Opernhaus von Sydney anfühlt. Übers Sightseeing mit der ZDF-Kollegin Kristin Otto am Austragungsort der Olympischen Spiele 2000 schreibt Haas nämlich: »Die Pflicht Nummer eins war selbstverständlich das Opernhaus von Sydney. Es einmal anfassen, das wollten wir beide.«

Ähnlich aufschlussreich ist die Erörterung des Mainzelfrauchens zur Innenarchitektur ihres Athener Hotels (»Das Zimmer gehörte zwar nicht zur großen Variante, war aber … vom Platz her ausreichend«), und ihre Analyse der wetterbedingten Styling-Probleme dürfte im nicht totzukriegenden Genre der mit prominenten Autorennamen geschmückten Olympia-Rückblicke neue Maßstäbe setzen: »Für den Auftritt vor den Fernsehkameras benötigt man Puder im Gesicht, sonst glänzt man wie eine Speckschwarte, und das sieht ziemlich ungepflegt aus. Da wir bei diesen Temperaturen vor uns hin ölten, wurde es problematisch. Dauernd Puder nachlegen, das hätte nach kurzer Zeit eine Art asiatische Maske zur Folge gehabt, also tupften wir die ganze Zeit mit Taschentüchern und Handtüchern herum – wohlgemerkt schön vorsichtig, sonst wäre, zumindest bei mir, das Make-up flöten gegangen.« Wenn man so viel über sein Gesicht nachdenken muss, kann natürlich auch mal die eine oder andere Frage daneben gehen.

Auf Angriffe »unter die Gürtellinie« – darauf weist Haas aus gegebenem Anlass hin – reagiere sie im Übrigen »dünnhäutig«: »Ich bin da eben eine ganz normale Frau und kein Computer, der auf ›löschen‹ drückt.« Mag sein, dass es Computer gibt, die von selbst die Löschtaste betätigen, doch Christa Haas, die auch als Lehrbeaufragte im Fachbereich Sport, Medien und Kommunikation an der TU München wirkt, besitzt leider keines dieser Wundergeräte. Ihr »Olympisches Tagebuch« wäre uns sonst erspart geblieben.

rené martens

Christa Haas: Olympisches Tagebuch. Von Los Angeles bis Athen. Agon-Sportverlag 2004, 184 S., 19,90 Euro