Im Trockenen ertrunken

In Bremen starb ein Mann aus Sierra Leone infolge eines gewaltsamen Brechmitteleinsatzes der Polizei. von anke schwarzer

Fast zwei Wochen lag Laye-Alama C. im Koma, am 6. Januar erlag er den Folgen eines gewaltsamen Brechmitteleinsatzes der Bremer Polizei. Dem mutmaßlichen Dealer wurde so viel Wasser in den Magen eingeflößt, dass sich die Lunge füllte, was zu Sauerstoffmangel und letztlich zum Hirntod führte. Der Mann sei ertrunken, diagnostizierte der Notarzt Jörn Günther.

Ihm ist es auch zu verdanken, dass Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit nach etwa einer Woche von diesem Vorfall im Polizeipräsidium erfuhren. Allerdings wird derzeit offenbar nur gegen den Notarzt selbst ermittelt. »Ich will das nicht als Einschüchterungsversuch, sondern als Routine werten, da ich noch an die demokratischen Prinzipien glaube«, sagte Günther der Jungle World. Sein Rechtsanwalt Andree Osterwald hält es für möglich, dass der Arzt als »Verräter« betrachtet werde, der die »barbarische Veranstaltung« an die Öffentlichkeit gebracht und den »Korpsgeist« verletzt habe. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft einen auswärtigen Rechtsmediziner mit der Obduktion der Leiche beauftragt. Es sei aber fast ausgeschlossen, einen Tod durch Ertrinken nach so vielen Tagen noch nachzuweisen, fürchtet Günther.

Der 35jährige Mann aus Sierra Leone war am 27. Dezember in Bremen von mehren Polizeibeamten in Zivil überprüft worden. Da er bei der Kontrolle Kügelchen heruntergeschluckt habe, sei eine »Exkorporation bei dem Verdächtigen zum Zweck der Gefahrenabwehr und Beweismittelsicherung angeordnet« worden, heißt es in einer polizeilichen Pressemitteilung. Laye-Alama C. weigerte sich, den Brechsirup einzunehmen, weshalb ihm der Auftragsarzt des Beweissicherungsdienstes einen Schlauch durch Nase und Speiseröhre presste. Der Mann soll sich heftig dagegen gewehrt haben. Man kann sich ausmalen, welche Gewalt die Polizisten anwandten, um ihn auf einem Stuhl festzuhalten.

Als der Mann nicht mehr ansprechbar war, wurde der Notarzt Günther gerufen. Da dieser aber »normale Werte und Vitalfunktionen« festgestellt habe, schlossen die Einsatzkräfte daraus, Laye-Alama C. habe die Bewusstlosigkeit nur vorgetäuscht. Nach Angaben des Notarztes wurden ihm dann große Mengen Wasser in den Magen gepumpt. Das Brechmittel habe seine Wirkung getan, mehrere Drogenkügelchen seien sichergestellt worden. Dann erst habe man bemerkt, dass der Mann kaum noch atmete.

Inzwischen wird in der großen Koalition, die Bremen regiert, Kritik laut. So meint der sozialdemokratische Abgeordnete Wolfgang Grotheer, die gewaltsame Verabreichung von Brechmitteln sei nicht mehr vertretbar. In der vorigen Woche hat Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) sie vorläufig gestoppt. Die oppositionellen Grünen verlangen den Rücktritt des Senators. Zunächst sei der Vorfall vertuscht worden, dann habe Röwekamp Fehlinformationen verbreitet, kritisieren sie. Am 4. Januar hatte der Senator behauptet, der Mann leide unter einer schweren Vergiftung und sei nicht mehr in Lebensgefahr. In einer Radiosendung sagte er: »Den Schaden hat er sich selbst zuzuschreiben.«

Rechtlich möglich ist ein Brechmitteleinsatz zwar in allen Bundesländern, soweit bekannt ist, wird er aber nur in Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auch gegen den Willen der Verdächtigen angewandt, obwohl Ärzte, Wissenschaftler und Menschenrechtsorganisationen immer wieder davor warnen. Im Dezember 2001 starb in Hamburg der 19jährige Michael Nwabuisis an den Folgen eines gewaltsamen Brechmitteleinsatzes.

Nach Angaben des Antirassismusbüros ist nicht bekannt, dass Brechmittel auch an deutsche Verdächtige verabreicht werden. Man könne davon ausgehen, dass es sich um eine rassistische Sonderbehandlung handle, die sich nur gegen Schwarze richte. Für Samstag, den 15. Januar, rufen linke Gruppen zu einer »Demonstration für die Abschaffung der Brechmittelfolter und für den Rücktritt von Röwekamp« auf. Auftakt ist um 11 Uhr am Bremer Hauptbahnhof.