Grüße aus Rom

Faschisten besuchen nicht nur die italienischen Stadien, sie sind auch auf dem Spielfeld anzutreffen. von federica matteoni

Über kaum etwas können sich die Bewohner der italienischen Hauptstadt so heftig ereifern wie über das Duell der Fußballvereine Lazio und AS Rom. Ein Derby in Rom ist nicht irgendein Spiel. Schon gar nicht, wenn Lazio nach fünf Jahren wieder gegen AS Rom gewinnt, wie am Donnerstag vor zwei Wochen, als das Spiel mit 3:1 Toren für Lazio ausging. Diesmal aber fielen die sonst üblichen Diskussionen um das Spiel anders aus als sonst. Nicht nur, weil das Derby einigermaßen reibungslos verlief, ohne Krawalle, ohne Erstürmung des Spielfelds durch die Fans und ohne Verletzte. Und diesmal wurden die Diskussionen nicht nur in den Bars der italienischen Hauptstadt ausgetragen, sondern überall in der nationalen und internationalen Presse.

Dass rechtsextreme Symbole und Sprüche in den italienischen Fußballstadien präsent sind, ist kein Geheimnis. Besonders bekannt als Neofaschisten sind die Irriducibili (»die Unbeugsamen«), wie sich die Hooligans von Lazio und Inter Mailand nennen.

Bei der letzten Begegnung zwischen Lazio und AS Rom aber kam die rechtsextreme Symbolik aus der Mitte des Fußballfeldes. Seinen Treffer zum 1:0 feierte der Kapitän von Lazio, Paolo di Canio, vor den Ultras der Lazio-Kurve mit dem faschistischen Gruß. Nach dem Spiel entfaltete sich um die eindeutige Geste des Mannschaftsführers eine groteske Diskussion darüber, ob es sich »um eine politische Geste« gehandelt habe oder ob sie lediglich als »Ausdruck der Freude« über das Tor gegen AS Rom zu interpretieren sei.

Die Rede ist hier von jemandem, der auf den rechten Arm das Wort »Dux« tätowiert hat und bekennender Anhänger von Mussolini ist. »Ich erkläre, dass ich ein Profi bin. Meine Freude hat nichts mit Politik zu tun«, rechtfertigte sich di Canio gegenüber den Medien. »Mit den NoGlobals ist man viel toleranter als mit uns. Wenn ich die geballte Faust hochgestreckt hätte, hätte sich niemand aufgeregt«, kommentierte er. Er hat aber eben keine geballte Faust hochgestreckt, wie etwa Cristiano Lucarelli vom toskanischen Verein Livorno, der häufig nach einem Treffer ein Ché-Guevara-T-Shirt unter dem Trikot zeigt.

Hinter den sich diskriminiert fühlenden Fascho-Kicker stellte sich nicht nur die Lazio-Führung, welche di Canio als »feurigen Spieler, der sein Tor bejubelt hat« verteidigte, sondern auch der Präsident des italienischen Fußballverbandes, Franco Carraro, der di Canios ausgestreckten und tätowierten Arm zwar als »politische Geste« bezeichnete, sie jedoch als eine »ganz gewöhnliche« verharmloste. Trotz solcher peinlichen Versuche, den Vorfall zu bagatellisieren, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Straftatbestands der »Verherrlichung des Faschismus«. Mit einem Urteil ist im Februar zu rechnen. Falls der Held der Lazio-Ultras mit einer Sperre bestraft werden sollte, drohen seine Fans bereits mit einem »Marsch der 50 000 auf Rom«.

Der 36järige Stürmer macht nicht zum ersten Mal von sich reden. 2001, als er für die britische Mannschaft West Ham United spielte, wurde er als bester Spieler der Premier League ausgezeichnet und erhielt vom Fußball-Weltverband Fifa den Fairnesspreis: Er hatte bei einem Spiel gegen Everton, das unentschieden ausging, darauf verzichtet, den Ball ins leere Tor zu schieben, weil der Torwart verletzt am Boden lag. Doch auch in Großbritannien ließ er immer wieder seine »feurige« Natur auf dem Spielfeld zum Ausdruck kommen. 1998, im Sheffield Wednesday-Trikot, haute er dem Schiedsrichters Paul Alcock eins auf die Nase, der ihn in die Kabine schicken wollte. In Großbritannien schrieb di Canio zudem eine Autobiografie, die zum britischen Bestseller wurde. »I’m fascinated by Benito Mussolini, I’d like to have a one-to-one with him«, ist hier zu lesen, und man erfährt, Mussolini sei wegen seiner Beziehungen zu Adolf Hitler »total missverstanden« worden.

Kein Wunder, dass die Enkelin des Duce, Alessandra Mussolini, erklärte, di Canios Geste beim Derby habe sie »zutiefst gerührt«. Und als Vorsitzende der neuen rechten Partei Alternativa Sociale, die 2003 aus einer Spaltung der in Mussolinis Augen »zu gemäßigten« Alleanza Nazionale entstanden ist, fügte die Enkelin des Duce hinzu: »Wenn di Canio bereit wäre, würde ich ihn als Kandidaten für meine Partei bei den Regionalwahlen im Frühjahr aufstellen.«

Verwunderlich waren hingegen eher viele Reaktionen von links, wie sie in der Tageszeitung il manifesto zu lesen waren. Lazio-Fans gibt es auch in der Linken. Und wenn linke Lazio-Fans zugleich Autoren einer linken Tageszeitung sind, dann kann es auch passieren, dass die Diskussion absurde Züge annimmt. Denn über einen Sieg nach fünf Jahren kann man sich dermaßen freuen, dass alles andere als sekundär erscheint – zumindest vorläufig. Zwar wurde di Canios Geste nicht verteidigt, die Empörung darüber wurde aber als »moralische Kreuzfahrt« bezeichnet, denn Rechtsextremismus sei in den italienischen Stadien schon immer ein Problem gewesen. Jetzt werde di Canio, der unbestreitbar allen linken wie rechten Lazio-Fans als »großartiger Spieler« gilt, als Sündenbock benutzt. Ein »römischer Gruß« sei schließlich nicht das Schlimmste, was es im Fußballstadion zu sehen gebe, oft habe man antisemitische oder rassistische Transparente gelesen. Richtig schlimm sei es dann, wenn rechte Fußballhooligans die Linken der Centri Sociali angriffen und schwer verletzten, wie im vergangenen Sommer in Mailand (Jungle World 35/04). Und noch schlimmer sei es, dass in Rom die Neofaschisten jetzt auch Häuser besetzten und ähnliche soziale Forderungen stellten, wie man sie aus dem linken Diskurs kennt. Dagegen solle man ganz klar Position beziehen und di Canio in Ruhe lassen. Der »römische Gruß« sei eine schlimme Sache, aber im Grunde nur ein Symbol und als solches völlig harmlos, scheinen einige – weniger harmlose – linke Kommentare zu meinen. Als hätten Symbole mit Politik nichts zu tun.