Politik mit dem Einkaufskorb

Wandel durch fairen Handel?

Fairer Handel – powered by Subcomandante Marcos & EZLN. Wie das? Die der EZLN nahe stehende Kooperative Mut Vitz produziert in Chiapas biologisch angebauten Kaffee und vermarktet ihn zum Teil über die Strukturen des fairen Handels.

»Fairer Handel« ist ein Sammelbegriff für Produkte wie Kaffee, Tee, Honig, Kunsthandwerk, Textilien, die meist in Dritte-Welt-Läden, zum Teil auch in Supermärkten verkauft werden. Das Besondere daran ist, dass sie, von Ausnahmen abgesehen, von Kooperativen in der so genannten Dritten Welt stammen, mit wenig Zwischenhandel vertrieben werden, dass die Einhaltung sozialer Mindeststandards gewährleistet ist, im Voraus bezahlt wird und der Einkaufspreis deutlich über dem Weltmarktpreis liegt; letztlich geht es um die konkrete Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Produzenten.

Der faire Handel ist ein Beispiel für ein besseres Auskommen im durchkapitalisierten Weltmarkt. Ein Beispiel für die Überwindung desselben ist er nicht. Die Bewegung entstand in Westeuropa Mitte der siebziger Jahre und propagierte Politik mit dem Einkaufskorb. VerbraucherInnen sollen mit ihrer bewussten Kaufentscheidung genossenschaftliche Strukturen in der so genannten Dritten Welt stärken oder aber Firmen mit miesen Arbeitsbedingungen zur Änderung ihrer Praxis zwingen. Wesentliche Akteure sind in der BRD neben der evangelischen und katholischen Kirche die rund 900 Weltläden.

Bekannt wurde der faire Handel durch den legendären Nicaragua-Kaffee in den achtziger Jahren. Immer zu scharf gebrannt war er, wofür der qualitativ eigentlich hervorragende Kaffee nichts konnte, und wurde aus Solidarität in den Magen gekippt; mit schmerzverzerrter Miene überstand man stoisch die nächsten Minuten, getragen von der Hoffnung, dass das kleine Nicaragua dem bösen Uncle Sam die Stirn bieten kann und die soziale Revolution voranschreitet, oder zumindest die Emanzipation von den Zumutungen des Weltmarktes. Aber trotz aller Widrigkeiten gab es beim Nicaragua-Kaffee immerhin einen klaren Bezug zu sozialen Kämpfen, die über die kapitalistische Gegenwart hinauswiesen. Ähnlich verhält es sich bei der eingangs erwähnten Kaffeekooperative Mut Vitz. Gleiches gilt auch für die Cupuacu-Praline aus Brasilien. Ursprünglich wollte die Firma Asahi Co. aus Japan den seit Jahrhunderten in Brasilien angebauten Grundstoff dieser Praline, Cupulate genannt, zum Patent anmelden. Als Konsequenz hätten die Bauern und Bäuerinnen in Brasilien Cupulate nicht mehr anbauen dürfen. Durch politischen Druck, soziale Proteste und direkte Aktionen wurde dies verhindert.

Der Bezug zu sozialen Kämpfen ist jedoch die Ausnahme. Meist handelt es sich um ganz normale Kooperativen, die ganz normale Produkte im ganz normalen Kapitalismus herstellen und mittels fairen Handels ein bisschen mehr Geld und ein bisschen mehr soziale Absicherung erhalten. Was ja im Grunde genommen nicht schlecht ist, aber über den Kapitalismus weist das nicht (mehr) hinaus. Parallel dazu halten die Akteure des fairen Handels in der BRD – von Ausnahmen abgesehen – Abstand zu sozialen Kämpfen.

Alles in allem ist der faire Handel keine antikapitalistische Alternative. Er bedeutet jedoch eine konkrete Verbesserung der Lebenssituation der Produzenten. Grund genug also für die Jungle-World-Redaktion, sich diese realpolitische Zumutung beim Kaffeekonsum künftig anzutun. Damit wir dann alsbald der EZLN Vollzug melden können.

wolfgang johann, roland röder

Die Autoren sind Mitarbeiter der Aktion 3. Welt Saar, die ebenfalls einen Dritte-Welt-Laden betreibt. www.a3wsaar.de