Spy vs. Spy

Spitzel-Affäre in Polen von markus ströhlein

Selbst Heldenlack kann Kratzer bekommen. Auch wenn man ihn wie Malgorzata Niezabitowska recht dick trägt. In den achtziger Jahren war sie in der polnischen Oppositionsbewegung um die Gewerkschaft Solidarnosc engagiert, 1990 wurde sie Sprecherin der ersten postsozialistischen Regierung Polens. Nun drohen zwei Buchstaben den Ruf einer der ehemals bekanntesten Frauen Polens zu ruinieren. »TW« steht für »Tajny Wspólpracownik«, Inoffizielle Mitarbeiterin des sozialistischen Staatssicherheitsdienstes (SB). Als »TW Nowak« soll Niezabitowska für den SB gearbeitet haben, sagen nun die Akten, wie das Institut für das Nationale Gedächtnis – das polnische Gegenstück zur deutschen Birthler-Behörde – bekannt gab. Niezabitowska gibt zu, für den SB gearbeitet zu haben, doch nur unter dem Druck der angedrohten Trennung von Kind und krankem Vater durch Internierung. Und sie habe dem SB lediglich unverwertbare Informationen geliefert, weshalb dieser sie nach zwölf Monaten zur »Inoffiziellen Ex-Mitarbeiterin« gemacht habe. Untermauert werden ihre Aussagen durch die Aktenlage.

Während die politisch nicht mehr aktive Niezabitowska nur ihren Ruf retten muss, hatte Józef Oleksy ein politisches Amt zu verteidigen – und verlor es. Anfang Januar wurde er als Präsident des polnischen Parlaments entlassen. Oleksy, Vorsitzender des regierenden Linksbündnisses, war von einem Sondergericht für schuldig befunden worden, bei seiner »Lustracja« (Durchleuchtung) auf eine TW-Tätigkeit für den polnischen Staatssicherheitsdienst bewusst falsche Angaben gemacht zu haben. Nun droht ihm eine zehnjährige Sperre für politische Ämter.

Im Rahmen des seit Anfang 1999 geltenden »Lustracja«-Gesetzes müssen Parlamentsabgeordnete, Regierungsmitglieder, Senatoren, hohe Beamte, Richter und Staatsanwälte in einem Fragebogen etwaige Kontakte zum SB offen legen. Falsche Aussagen haben zur Folge, dass der Zugang zu politischen Ämtern, zum Staatsdienst und zur Anwaltstätigkeit für zehn Jahre verweigert wird.

Dass selbst scheinbar unantastbare Personen wie Lech Walesa oder Träger höchster politischer Ämter wie der ehemalige Präsident Alexander Kwasniewski nicht von Verdächtigungen verschont blieben, lag an der schnellen Instrumentalisierung der »Lustracja« zu politischen Zwecken. »Das Gesetz war als Peitsche für die Linke gedacht, wird aber auch den Rechten Schwierigkeiten bringen«, bemerkte Piotr Ikonowicz, Abgeordneter des Bundes der Demokratischen Linken (SLD), bereits zur Einführung des Gesetzes 1999.

Und so ereignen sich Spitzel-Skandale mittlerweile an bislang unvorstellbaren Orten. Sogar die Katholische Universität von Lublin, ehemaliger Lehrstuhlsitz des Papstes höchstpersönlich und zu sozialistischen Zeiten antibolschewistisches Bollwerk der polnischen Kirche, wird von einer Affäre gebeutelt. Der Kopf der nationalkatholischen Fraktion in der Universität droht in diesem Gerangel um Macht und Prestige seinen reformerischen Kollegen mit der Veröffentlichung der Namen von 40 früheren SB-Mitarbeitern aus der Katholischen Universität.

Verwunderlich ist die Unterwanderung innerhalb der heiligen akademischen Hallen nicht, wirft man einen Blick auf die Gesamtzahl der Inoffiziellen Mitarbeiter des polnischen Staatssicherheitsdienstes: 98 000 waren es im Jahr 1989. Spitzel schnüffelten auch in scheinbar uneinnehmbaren Festungen. Deshalb verabschiedet man sich in Polen vom Wende-Mythos, nach dem »das Volk« die von Moskau gesteuerten Apparatschiks aus dem Amt beförderte. Denn involviert waren viele, wenn auch nur inoffiziell.