Bei Mubaraks unterm Sofa

In Ägypten wollen Linke und Islamisten verhindern, dass Gamal Mubarak seinem Vater Hosni ins Präsidentenamt folgt. von hannah wettig, kairo

Wenn es in einer Diktatur Demonstrationen gegen den Diktator gibt, kann es um die Diktatur nicht allzu gut bestellt sein. Das hofft zumindest Wael Khalil und sieht Hosni Mubaraks Regime in Ägypten schon fallen. Khalil arbeitet in der Gruppe Ageg (Antiglobalization Egyptian Group) und ist Mitglied der Revolutionären Sozialisten. Beide Gruppen haben zusammen mit anderen Anfang Dezember zur ersten Demonstration gegen Mubarak aufgerufen. Rund 500 Leute skandierten Parolen vor dem Obersten Gericht. Die Polizei sperrte ab. Doch gut sichtbar von der befahrenen Kreuzung waren die Transparente, auf denen zu lesen war: »Genug ist Genug! Keine Vererbung des Präsidentenamtes!«

»Vor ein paar Jahren hätten die Leute uns für komplett verrückt erklärt, wenn wir gesagt hätten: Lasst uns was gegen Mubarak unternehmen«, sagt Khalil. Jetzt gab es nicht mal eine Verhaftung. Mehr als ungewöhnlich in einem Land, in dem 30 000 politische Gefangene eingesperrt sein sollen. Doch die so genannte Anti-Erbfolge-Bewegung, die sich aus einem breiten Spektrum von Linken, Menschenrechtlern und Islamisten zusammensetzt, agiert schon seit über einem Jahr relativ unbehelligt dagegen, dass Hosni Mubaraks Sohn Gamal dem Vater ins Präsidentenamt folgt.

Gamal Mubarak ist jahrelang als reformorientierter Erneuerer gepriesen und aufgebaut worden. Im Juli bildete der Präsident die Regierung um und besetzte entscheidende Posten mit jungen Technokraten, die Gamal Mubarak nahe stehen. Noch kurz vor dem Parteitag von Mubaraks Nationaldemokraten im September rechneten Kommentatoren damit, dass Gamal dort zum Kronprinzen ernannt würde. Doch Hosni Mubarak erklärte, er werde ein weiteres Mal kandidieren. In seiner Neujahrsansprache wies er jede Spekulation über eine bevorstehende Vererbung des Präsidentenamts zurück.

Für die Präsidentschaftswahlen im September haben sich drei Intellektuelle als Gegenkandidaten zu Mubarak aufstellen lassen, darunter die bekannte Feministin Nawal al-Sadawi. Ihre Kandidatur will sie als »symbolische Geste« verstanden wissen, um die »Stagnation aufzubrechen«, die seit der Verhängung des Ausnahmezustands im Jahr 1981 in Ägypten herrsche. Chancen hat sie nicht, denn 90 Prozent der Parlamentsabgeordneten, die den Präsidenten wählen, gehören zu Mubaraks Partei.

Dennoch ist das Regime in der Krise. Die Entwertung des ägyptischen Pfunds hat vor allem die Mittelschichten getroffen, die sich etwas mehr als im Land produzierte Bohnen und Brot leisten konnten. Die Armen leiden darunter, dass die Regierung viele Sozialleistungen gekürzt hat und darüber diskutiert, die Lebensmittelsubventionen abzuschaffen. Das ist Teil von Gamal Mubaraks Liberalisierungspolitik.

Seit der junge Mubarak mitbestimmt, wurden Steuern für Unternehmen gesenkt und zwei neue Zeitungen und Radiosender zugelassen. Zuvor hatte es jahrzehntelang keine neuen Lizenzen für Presseerzeugnisse gegeben. Allerdings dürfen die Radiosender keine Nachrichten senden, und Oppositionszeitungen wie al-Schaab und al-Doustour wurden gleichzeitig verboten. Von einer politischen Liberalisierung ist nichts zu spüren. Khalil sagt: »Gamal Mubarak tut nicht einmal so, als wolle er Demokratie. Er hat sich gegen neue Wahlgesetze ausgesprochen und gegen die Aufhebung des Ausnahmezustands.«

Khalil glaubt nicht, dass die US-amerikanische Initiative zur Demokratisierung des Nahen Ostens etwas bewirken werde. Hingegen trage Mubaraks Nähe zu den USA in der derzeitigen Lage stark zu seiner Unbeliebtheit bei. Dass der Präsident sich nur zögernd gegen den Irak-Krieg aussprach, brachte im März 2003 über 30 000 Menschen auf die Straßen – ein Unikum in der gesamten arabischen Welt. »Das Regime war davon so überrascht, dass es nur die amerikanische Botschaft schützte und die Demonstration zuließ«, erzählt Khalil. Erst am folgenden Tag wurden rund 1 500 Menschen verhaftet.

Khalil meint, im Frühjahr 2003 sei ein neuer Raum für Protest geschaffen worden. Doch Altlinke, Mitglieder der Linkspartei Tagammu, Menschenrechtsorganisationen, Islamisten und neue Grassroot-Gruppen fanden sich schon beim Ausbruch der zweiten Intifada zusammen. Dabei ging es meist um Protest gegen Israel oder Ägyptens Israel-Politik. So kritisierten sie die Abkommen über die »qualifizierten Industriezonen« zwischen den USA, Israel und Ägypten.

Dass Islamisten im Bündnis dabei sind, stört Khalil nicht. »Wir können in vielen Punkten zusammenarbeiten, gegen Armut, die Diktatur, Imperialismus. Über Gott diskutiere ich nicht. Wenn sie allerdings ein Buch verbrennen wollen, gehe ich nicht mit.« Khalil sieht diese Zusammenarbeit sogar als Vorteil gegenüber der früheren Politik der Linken. »Einige Linke stimmten sogar zu, wenn die Regierung gegen religiöse Menschen vorging.« Tatsächlich übersahen sie dabei häufig die Willkür dieser Repression, etwa wenn in Oberägypten ganze Felder niedergebrannt wurden, um flüchtige Attentäter zu finden. Nach dem Terroranschlag im Ferienort Taba hat die Regierung nach Angaben der Ägyptischen Organisation für Menschenrechte rund 3 000 Menschen eingesperrt. Islamisten werden häufig Opfer von Folter, erläutert Khalil. Bei Linken und Menschenrechtlern sei das Regime vorsichtiger, da sie eher eine internationale Medienöffentlichkeit mobilisieren könnten.

Mit einer Demonstration gegen Folter habe die Linke an Sympathie beim islamistischen Fußvolk gewonnen, glaubt Klalil. »Einige haben bemerkt, dass ihre Führer nie gegen Folter protestiert haben.« So hofft er, Islamisten für die Linke zu gewinnen. »Wir müssen nur zeigen, dass wir konsequent sind und nicht mit der Regierung kooperieren.«

Aber auch für die Rechte der Kopten müsse man sich einsetzen, findet Khalil. Im Dezember haben die Revolutionären Sozialisten ein Kommuniqué gegen die staatliche Unterdrückung der Christen veröffentlicht. Anlass waren mehrtätige Demonstrationen der Kopten, als die Frau eines Priesters von Islamisten entführt und zur Konversion gezwungen wurde. Die Regierung schlug die Proteste blutig nieder und versuchte, jede Berichterstattung zu unterbinden. Die Christen, die 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen, würden massiv unterdrückt, sagt Khalil. Auch an diesem Punkt habe sich die Linke zurückgehalten, kritisiert er. »Die Linke will nicht auf der Seite der Amerikaner sein, die als einzige diese Unterdrückung anprangern.« Dass nun die Kopten selbst auf die Straße gegangen sind, sieht Khalil als gutes Zeichen. »Es wird einen Aufstand geben wie in der Ukraine, es sei denn, es kommen Reformen von oben. Aber das sehe ich nicht.«