Gläserne CSU

Debatte über DNA-Daten von thomas uwer

Nicht aus reiner Tageslaune forderte die CSU, die Speicherung von Gen-Daten zum Zwecke polizeilicher Fahndung zu erleichtern, sondern um »die Gesellschaft vor Verbrechern zu schützen«. Ein Notstand besteht für Edmund Stoiber, wenn »Verbrecher sich darauf verlassen können«, dass der Staat dieses »erfolgreiche und rechtsstaatlich einwandfreie« Mittel nicht einsetzt. Der Generalsekretär der CSU, Markus Söder, meint: »Wer die Persönlichkeitsrechte von mutmaßlichen Kindermördern und Sexualtätern höher stellt als den Schutz der Gesellschaft, macht sich zum virtuellen Komplizen eines Verbrechers.«

Doch auch die starken Worte, mit denen die CSU die Debatte um die Erhebung und Speicherung genetischer Daten erneut eröffnet hat, können kaum darüber hinwegtäuschen, dass ernsthafte Widerstände gegen die Fahndungsmethode ohnehin nicht bestehen. Während Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) einen eigenen »Alternativvorschlag« vorlegte, der im Wesentlichen die Forderungen der CSU aufgreift, mahnten die Grünen lediglich »Verhältnismäßigkeit« an. Andernfalls drohe der »gläserne Mensch«.

Dass es bei der Frage der Speicherung genetischer Daten aber nicht nur um eine umfassende »Durchleuchtung« der Bürger geht, vor der die Grünen warnen, zeigt die Debatte selbst. Denn auch die Befürworter der geltenden gesetzlichen Einschränkung der DNA-Fahndung sehen in der informationellen Selbstbestimmung kein Grundrecht, das uneingeschränkt auch für solche Bürger gilt, die eines Verbrechens verdächtigt werden. Im Rahmen von Sexualstrafverfahren ist die Speicherung von DNA-Material längst ohne die Bedingung der »Erheblichkeit« einer Straftat möglich. Gentests und »freiwillige Erhebungen« im Zusammenhang mit Aufsehen erregenden Sexualverbrechen an Kindern haben bereits einen ansehnlichen Datenvorrat geschaffen, ohne dass eindeutige rechtliche Einschränkungen für die Erhebungen existieren.

Diese Datensammlung liefert, wie Schily gerne betont, wenig Hinweise auf die Gesamtbevölkerung. Vielmehr wächst ein Vorrat an genetischen Daten über einen kleinen Teil der Bevölkerung an, der einer besonderen staatlichen Kontrolle unterliegt. Die »freiwillige« Abgabe von genetischem Material geschieht heute zumeist in Gefängnissen, unter Bedingungen also, die an der Freiwilligkeit erheblich zweifeln lassen.

Dabei handelt es sich zugleich um eine für die Auswertung von Daten besonders interessante Klientel. Die Bekämpfung von Straftaten durch die frühzeitige Identifizierung möglicher Straftäter ist der große Traum der Innenbehörden. Dass die Speicherung und Auswertung sich dauerhaft nur auf einen »nicht codierten Bereich« der DNA beschränken wird, wie es immer heißt, ist schon angesichts des in jüngster Zeit wieder erwachten Interesses von Hirnforschern an der Frage der »Willensfreiheit« von Straftätern höchst zweifelhaft. Für die Suche nach dem, was den Verbrecher zum Verbrecher macht, steht genug Material zur Verfügung.

Wirklich umstritten ist es lediglich, wen die Datensammlung betreffen soll. Hier reichen die Vorstellungen der CSU tatsächlich weiter als die der Regierungskoalition. Auf die Frage, ob nicht auch alle Drogenkonsumenten in einer DNS-Datei gespeichert werden sollten, antwortete Michael Glos (CSU) ohne Umschweife: »Warum nicht?«