Bushs New Deal

Die Rentenreform in den USA von william hiscott

»Persönliche Konten sind ein besseres Geschäft«, versprach George W. Bush in seiner Rede zur Lage der Nation den zukünftigen Rentnern in den USA. Der Präsident hat in den letzten Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, sich als Retter der staatlichen Altersversorgung und Wohltäter der Rentner zu stilisieren. Seine Reformpläne könnten jedoch das Ende der Social Security bedeuten, der staatlich geregelten Versicherung, die dafür sorgen soll, dass man in den USA wenigstens im Alter nicht hungert oder obdachlos wird.

Das Konzept ähnelt der Riester-Rente. Um die von Lohnabhängigen und Unternehmen finanzierte staatliche Rentenversicherung zu entlasten, will Bush mit einer Teilprivatisierung die Kapitalisierung der Social Security einläuten. Anfangs sollen die Lohnabhängigen vier Prozent der Beiträge für die Rentenkasse in privaten Fonds anlegen.

Kritiker, unter ihnen auch einige republikanische Abgeordnete, bestreiten die Behauptung Bushs, dass die staatliche Rentenversicherung »auf den Bankrott zusteuert«. Bezweifelt wird auch die Prognose, dass die von einem ständigen Steigen der Börsenkurse abhängige private Zusatzrente sicher und profitabel sein wird. Die meisten Analytiker gehen davon aus, dass die Privatisierung eine Kürzung der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen herbeiführen und künftig die Armut bei einem Drittel der älteren Menschen in den USA steigern wird. »Rentner, rettet euch selbst!«, fasst Chris Suellentrop in der Internetzeitschrift Slate die Reformpläne zusammen.

Kein Präsident fühlte sich in den letzten 25 Jahren stark genug, eine Reform der Social Security zu propagieren. Derzeit erhalten 45 Millionen US-Amerikaner Zahlungen der Social Security, doch Bush glaubt, genug »politisches Kapital« akkumuliert zu haben, um das Tabuthema anzugehen. Und er kann davon ausgehen, dass der republikanisch kontrollierte Kongress seine Gesetzentwürfe verabschiedet.

Als Ronald Reagan 1981 Präsident wurde, begann der Angriff auf den Sozialstaat. Reagan, der stets mit einer demokratischen Mehrheit im Kongress konfrontiert war, musste sich in vielen Punkten mit der Verkündung von Visionen begnügen. Durch Steuer- und Arbeitsmarktreformen sowie die Entmachtung der Gewerkschaften legte er jedoch das Fundament für den Sozialabbau. Der Demokrat William Clinton setzte diese Politik mit der Reform der Sozial- und Arbeitslosenhilfe 1996 fort.

Das war die endgültige Abkehr von der »Great Society«, dem in den sechziger Jahren vom demokratischen Präsidenten Lyndon Johnson versprochenen Sozialstaat für alle Bürger. Nun geht es darum, die Errungenschaften der Vorkriegszeit rückgängig zu machen. Der während der großen Depression der dreißiger Jahre von Franklin D. Roosevelt verkündete »New Deal« verpflichtete den Staat zum ersten Mal in der Geschichte der USA zu einer Versorgung der Armen, das Wesentliche an den Reformen war die staatliche Altersvorsorge.

Bushs Reprivatisierungspläne sind daher auch mit einer ideologischen Wende verbunden. An die Stelle des vertraglichen Prinzips der Sozialstaatlichkeit und der Mitverantwung des Staates für die Armutsbekämpfung setzt Bush seinen »New Deal«: »Selbstverantwortung« in einer »Eigentumsgesellschaft«. Wer es nicht schafft, ausreichend Eigentum für eine anständige Rente zu erwerben, hat Pech gehabt.

Damit droht mittelfristig das Ende von siebzig Jahren Sozialstaatlichkeit in den USA. Und bislang hat die US-amerikanische Linke, die immer nur Bush und den Republikanern die Schuld zuschiebt, im Kampf gegen die Privatisierungswelle versagt.