Nichts Besonderes

Warum plötzlich alle auf Adam Green stehen. von thomas blum

Schüchternheit kann man dem jungen New Yorker Songwriter Adam Green nicht gerade nachsagen, eher wohl einen Hang zur Selbstüberschätzung. »Ich bin ein Diktator«, sagte er neulich in einem Interview, seine Songs entsprängen »einer singulären Vision«.

Vielleicht hat seine Angeberei nicht nur etwas mit seinem jugendlichen Alter zu tun, sondern auch mit dem Umstand, dass er spätestens seit dem Erscheinen seines neuen Albums plötzlich von allen geliebt wird, was möglicherweise seine Eitelkeit verstärkt hat.

Die Combo Moldy Peaches, die er zwischen 1994 und 2002 mit Kimya Dawson betrieb, und sein erstes Soloalbum (2002) boten musikalisch eine Mischung aus verspielt-fröhlichem Dilettantismus, explicit lyrics, niedlichem Underground und spontaneistischem, home-made Simpelfolk. Das war sehr charmant und schön. »Antifolk« hieß das nach einer Weile, und alle waren’s zufrieden.

Als »Friends of mine« (2003) erschien, wurde Adam Green in Europa bekannt, doch das hübsch Unfertige und leicht kaputt Klingende war verschwunden.

In seinem neuen Werk »Gemstones« sind die musikalischen Arrangements vergleichsweise elaboriert, aber auch standardisiert. Nach einer gewissen Zeit gewinnt die Musik mehr und mehr eine Art Jahrmarktscharakter, etwas Zirkus- und Revuehaftes wackelt nervend durch die ganze Platte. Hier fiept eine Orgel, dort klimpert ein Kirmesinstrument, hier dudelt ein Countryblues einher, dort rappelt ein gemächliches Schlagzeug, ein bisschen Humpahumpapa-Polonaise und Musical-Schnickschnack, dann fährt ein Break dazwischen, es folgt ein Tempowechsel, dann ist der Song zu Ende. 15 gefällige Folkpopstücke, 31 Minuten. Die Plattenfirma nennt es »playful Art-Pop«. Die Texte sind wie üblich skurril und hübsch explizit, von Wörtern wie »Vagina« und »Cock« durchsetzt.

Nicht dass das neue Album schlecht wäre, aber es ist, von dem schwermütigen hübschen Adam Green auf dem Cover abgesehen, durchaus nichts Besonderes.

Am ärgerlichsten jedoch ist der durch sämtliche Medien gehende Radau, der nun seit Wochen um den Musiker veranstaltet wird, zumal der Verdacht angebracht ist, dass es nicht seine teils recht unspektakuläre Klampfenmusik ist, die ihn in Europa so populär hat werden lassen, sondern die Kompatibilität, mit der er sich bestimmten Käuferschichten gewinnbringend als kauziger, rebellischer und gleichzeitig irgendwie introvertiert und sensibel wirkender Outsider andrehen lässt. »Mit seiner charmanten jungenhaften Art, seinen wuscheligen Haaren und seinem Schmollmund hat er die Zuschauer für sich gewonnen«, freut sich seine Plattenfirma. Adam Green sei ein »artful wiseguy« und ein »earnest dreamer«. Einen pflegeleichten Nachfolger Bob Dylans, mit dem er verglichen wird, möchte man sich heranziehen, der nicht nur mit seinen Songtexten verstört, sondern auch ein »süßer Wuschelkopf« (Pro 7) ist. Schließlich soll im Warensegment »authentischer, junger Protestsänger aus gutem Hause« der Markt ordentlich brummen. Und das tut er: »In seinen meist ausverkauften Konzerten seufzen vorn die Mädchen, weiter hinten geben sich reifere Besucherinnen ihren mütterlichen Gefühlen hin« (Berliner Zeitung).

Dass eine Popmusikerkarriere so funktionieren kann, ist dann auch der Chefetage von Suhrkamp nicht entgangen. Auch dort wollte man, dass sich inmitten des alljährlichen Ausstoßes an verkniffener Evangelischlehrerinnenliteratur und betulicher Streberprosa mal wieder ein Büchlein findet, das auch von Menschen, die jünger als 65 Jahre sind, gelesen wird. Wir wollen auch einen melancholisch-zornigen jungen Lockenkopf haben! So oder ähnlich wird man sich das herbeigewünscht haben, und gefunden hat man schließlich Adam Green. Also hat man sich von ihm schrulliges Zeug aus seiner Pubertät zuschicken lassen, das er geschrieben hat, als ihm hie und da mal langweilig war. Der Poet sagt das auch selbst. Von den vier Gedichten des Buches mit dem Titel »Magazine«, das Aufzeichnungen aus den letzten vier Jahren enthält, habe er eines »auf Tour geschrieben«, eines bestehe aus einer Sammlung von Sätzen aus Notizbüchern seiner Jugend, ein drittes sei kompiliert aus Fragmenten aus einem Text, den er »einfach drauflos getippt« habe, »so schnell ich konnte«.

Nicht dass das schlecht wäre. Es ist aber durchaus nichts Besonderes.

Doch die Reklametexter des Verlags Suhrkamp, in dem nun Greens sparsame gedichtähnliche Notizkonvolute als Taschenbuch erschienen, wissen natürlich, wie man für dessen spontan hingeworfenes, verschrobenes Geschreibsel (»Red bricks drop from your vagina«), überwiegend Zeugnisse jugendlichen Übermuts und Kunstwollens, werben muss, um den Buben mit der Gitarre schamlos als ein rastlos mit griffbereitem Notizbuch umherstreifendes Universalgenie zu verkaufen: »Was ihm einfällt (…) wird zum pulsierenden Text.« Mit einem »genialen, gewagten, verwegenen und gewitzten Sprachkünstler« in der Tradition von Allen Ginsberg, Bob Dylan und Rolf Dieter Brinkmann habe man es zu tun. Besonders obszön und abgreiferisch ist der Hinweis des Verlags auf Adam Greens Urgroßmutter Felice Bauer, Franz Kafkas langjährige Briefpartnerin und Geliebte: »Vielleicht flüstert auch Greens Urgroßmutter Felice Bauer durch die Verse.« Es soll wohl derart werbewirksam eine Traditionslinie zu Kafka erlogen werden. Man glaube hiervon kein Wort.

Auch Cola ist nicht the real thing, sondern schlicht Zuckerlimonade.

Was ist nun von der lyrischen Produktion des Songwriters tatsächlich zu halten?

Was die künstlerischen Absichten angeht, den Moment unter Drogeneinfluss festzuhalten, die flüchtige Assoziation zu notieren oder in Verse zu bringen, den gewöhnlichen Alltag zum Gegenstand der Poesie zu machen, ist tatsächlich einiges davon der Beat Poetry und der Poplyrik der sechziger Jahre, ihrer Thematisierung von Sex und Drogen und ihrem freien Umgang mit lyrischen Formen verwandt (»I was thinking of yellow rectangles when a bomb exploded and threw my cock around the mountain«), einiges davon bedient sich aus der surrealistischen Bilderkiste (»I will speak through your crusty cigarette / This crusty cigarette embalmed with skunk blood!«) oder verwendet Readymadeversatzstücke aus dem allgegenwärtigen Werbe- und Mediengeschwätz (»It’s brand-new everything!«).

Manches davon ist aber einfach nur ein bisschen vorlaute Simulation von Teenagerrevoluzzerei, die durch die freimütige gelegentliche Verwendung von Wörtern wie »Fuck«, »Cunt«, »Cock« oder »Shit« erzeugt wird, bzw. das erkennbar nebenbei produzierte Konglomerat von Notizen und Assoziationen eines Künstler werden wollenden jungen Mannes. Was halt so alles aus einem jungen Künstlerkopf herauskommt.

Nicht dass das Buch schlecht wäre, aber es ist, abermals abgesehen von dem auffälligen Aufkleber auf dem Buchumschlag, der den bekannten verloren dreinblickenden Künstlerkopf zeigt, durchaus nichts Besonderes.

Dass es gelungen ist, das Material passend zum Trend und exakt on time als dickes Kunstding an Suhrkamp zu verkaufen, dürfte nicht dem Genius des Jungdichters Adam Green und seiner »narkotisierten Zungengebethaftigkeit«, so der Übersetzer Thomas Meinecke von der Band FSK, zuzuschreiben sein, sondern lediglich einer bestimmten, gerade auf Hochtouren brummenden Konjunktur im Kulturbetrieb, wie immer.

Adam Green: Gemstones (Sanctuary Records/Rough Trade)Adam Green: Magazine. Amerikanisch/Deutsch. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2005, 120 S., Euro 7,50