Zieh den Schwanz ein!

HipHop ist und bleibt Männersport. Zum Glück formiert sich dagegen langsam Widerstand. von jens thomas

Es war zwar ein netter Einwurf, doch klang er in etwa so, als ob Ex-Kanzler Kohl nachträglich doch noch einräumen würde, bei der Wiedervereinigung Deutschlands sei so einiges schief gelaufen. Der Popstar Seal verkündete kürzlich, HipHopper seien nach Anerkennung balzende Sexisten: »Es stimmt mich sehr traurig, Rapper so herablassend gegenüber Frauen zu sehen«, so der Mann. Die Rapper behandelten demnach Frauen als reine Sexualobjekte und betonten dies in ihren Texten.

Doch gegen das Dicke-Eier-Gehabe, das Seal angesprochen hat, will sich nun ein Netzwerk namens www.femalehiphop.net stark machen, um, so die Mitinitiatorin Hae-Lin Choi alias DJ Acegirl aus Berlin, »weibliche HipHop-Artists und alle, die HipHop aktiv gestalten«, zu fördern.

Die Messer im Geschlechterkampf will man jedoch nicht neu wetzen, sondern ein offenes Kommunikations- und Recherchetool ins Netz stellen, das von den Usern gestaltet wird und das eine weibliche Perspektive auf HipHop entwerfen soll. Initiiert wurde das Ganze von Berliner AktivistInnen wie Clara Völker (DJ Caynd) und von der De:Bug, von der Kulturstiftung des Bundes wird es mitfinanziert.

Es tut sich also etwas: Neben Netzwerken (teils auch Magazinen) wie www. verbalisms.com, www.b-gyrl.com oder www.femalism.de startet jetzt auch von Berlin aus ein Projekt, das Positionen von Künstlerinnen wie Antoinette oder Zora eine Plattform gibt. Dass das Netzwerk gerade von Berlin aus seine Fühler in die Welt streckt, kann nicht schaden. Schließlich tobt gerade hier der eierschaukelnde »Neger-bums-mich«-Mob rund um die von Pubertierenden geliebten Hardliner Sido, Bushido, B-Tight und Co. unter dem Dachverband »Fundamentalposse Aggro Berlin«.

Aber hat von denen überhaupt noch irgendjemand was gegen »Frauenrap«, wie Nina MC kürzlich auf ihrem Track »Doppel X Chromosom« in die phallisch dominierte HipHop-Runde fragte? Schon. Dass HipHop von Frauen gemacht wird, ist zwar keine Seltenheit mehr, doch nicht jede kommt da so gut weg wie die US-amerikanische Senkrechtstarterin Jean Grae. Vor allem die Harten im HipHop-Garten tun sich da bisweilen mit dem Anerkennen schwer, und gerade dann, wenn das alles im Stil von Tic Tac Toe daherkommt und wenn dieser HipHop nicht das Weibliche überbetont und ironisch zur Schau stellt, sondern der Männerwelt den Kampf ansagt.

Die Zeit für »Frauenrap« scheint reif zu sein, wie Thomas Winkler in der taz schreibt, und doch funktioniert dieser »Frauenrap«, wie das Wort schon sagt, nur in oppositioneller Abgrenzung und unterstreicht so letztlich: HipHop ist und bleibt Männersport, wo sich Testosteronstau in Wortfluss verwandelt und Wortfetzen und Fotzen nicht selten eins ergeben.

Macho-Rap reicht von der 2Life Crew bis zu den Rezipienten rund um Aggro Berlin. Und immer wieder wurde bis heute die Frage gestellt, ob das Gemenge libidinöser Reime von einer per Definition nach Emanzipation strebenden Jugendkultur gar nicht sexistisch sei, sondern einfach nur die »soziale Wirklichkeit« widerspiegele. Doch HipHop reproduziert und reflektiert als Kunstform die soziale Wirklichkeit, die Akteure müssen dies aber keineswegs selbst so reflektieren. So leistet HipHop gerade in Krisenzeiten einen entscheidenden Beitrag zur Revitalisierung von Geschlechterrollen, selbst wenn er als hybrides Gebilde alternative Formen hervorbringt.

Dirty HipHop kommt bei den smarten Buben Marke Ödipuskomplex besonders gut an, die im Zuge einer auf sie zukommenden Männlichkeitskrise – durch zunehmende Arbeitslosigkeit mitverschuldet – gerne auf das Angebot des HipHop als Stabilisator von Herrschaftsverhältnissen im Sinne eines »survival of the fickest« zurückgreifen. Gerne wird da zwar immer wieder das schlagende Argument eingeworfen – von Hannes Loh bis Skillz en Masse-Rapperin Meli –, HipHop sei nicht unmittelbar sexistischer als andere Genres, was HipHop jedoch auch nicht gerade frauenfreundlich macht.

Günther Jacob führt dazu an, im Hip Hop trete der Sexismus einfach demonstrativ als »ungebrochener Sexismus« auf, dem jeder feministische Einwand egal sei. Im Rock und Pop dagegen hätten wir es oft mit einem »am Feminismus geschulten« Sexismus zu tun. Da ist was dran. Zu fragen wäre dann in der Tradition Judith Butlers und Jacques Derridas, welche Diskurse es sind, an die dieses demonstrativ Sexistische überhaupt anschließen kann. Und ob sich in der Folge, auch wenn das mit dem phallischen Geholze nicht so gemeint sein soll, sondern unter der Abteilung »Jugendspaß und Slackness« abgehakt wird, man nicht doch das produziert, was man gar nicht so gemeint haben will.

Stuart Hall wies darauf hin, dass medial erzeugte Produkte nicht zwangsläufig so entziffert werden, wie sie codiert wurden. Das heißt: Womöglich verstehen all die wilden Männlein gar nicht, dass sich hinter Derbphrasen – wie denen des aus der Jugendsündenkiste der Combo Westberlin Maskulin entsprungenen Pimp-Rappers Kool Savas – nur dreckige Sprüche ohne ernste Hintergedanken verbergen.

Wie man es auch dreht, HipHop erscheint – da behält das Soziologen-Duo Malte Friedrich und Gabriele Klein Recht – als eine »traditionelle Geschlechterstrukturen konservierende Praxis«, die Frauen sozial und diskursiv ausschließt, selbst wenn ihnen der Zutritt zur Bühne gestattet wird. Und mal ehrlich: Es ist schon aberwitzig, dass einem gleich ein paar Namen wie Queen Latifah, MC Lyte und Missy Elliott durch den Kopf schießen, man dann aber ins Stocken gerät (in Deutschland sind es Cora E., Pyranja, Aziza-A oder Nina MC). Dabei gäbe es noch viele mehr : Fiva MC, E-La, MC Purple Haze und und und. Etwas bedauerlich ist auch, dass selbst die Wissenschaft – Ausnahmen mögen da etwa Autorinnen wie Gwendolyn Pough mit ihrem Buch »Black Womanhood, HipHop Culture and the Public Sphere« sein – das Thema Sexismus im Hip Hop meist als Fußnote abwürgt oder als letztes Kapitel auf nur wenigen Seiten abhandelt. Es scheint immer noch schwer durchsetzbar zu sein, dass aus einer HipHop-History auch eine HipHop-Herstory werden soll. Frauen sind vielleicht vielen einfach immer noch zu schwul.

Infos unter www.femalehiphop.net