Alle gegen einen

George W. Bush kommt nach Deutschland. Die Friedensbewegung ist schon da. von stefan wirner

Was ist eigentlich in Pirmasens los? Oder in Solingen? In Potsdam? In diesen Städten wird am 23. Februar nicht gegen den Besuch des Präsidenten der USA protestiert, und das, obwohl der Gast »den Widerstand des Rhein-Main-Gebietes und ganz Deutschlands« hervorruft, wie es auf der Internetseite des Bündnisses gegen den Besuch Bushs heißt.

In über 40 Städten wollen Menschen unter dem Motto »Not welcome, Mr. Bush! Für eine friedliche und soziale Welt!« gegen den »Weltpolizisten« (Friedensratschlag) demonstrieren, gegen den »größten Terroristen der Welt« (Linksruck). Während das Demonstrationsbündnis gegen den »Schröder-Bush-Handshake« protestiert, will das Antifabündnis Mainz »Bushs und Schröders Happy Hour demontieren«. Wolfgang Lembach, ein Sprecher der Mainzer Staatskanzlei, rechnet mit »angenehmen, gewaltlosen und originellen« Protesten.

Mainz bleibt Mainz

Allenthalben wurde gerätselt, warum Bush ausgerechnet nach Mainz kommen wollte. Man suche eine »cosy atmosphere«, wurde aus Washington berichtet. Viele Kriegsgegner sehen das anders. »Unsere Proteste 2002 waren nicht umsonst, Bush ist in Berlin nicht willkommen«, heißt es auf der Internetseite bushinmainz.de. Behaglich war es in der Tat nicht zugegangen, als Bush zum ersten Mal in Deutschland weilte, im Mai 2002. Zehntausende hatten gegen ihn demonstriert, und in manchen Stadtteilen Berlins dürfte die Sicherheitslage für den US-Präsidenten nach wie vor fast so heikel sein wie in Bagdad, etwa im »sunnitischen Dreieck« zwischen dem Schlesischen Tor, dem Kottbusser Tor und dem Hermannplatz.

Vielleicht besucht Bush die kleine Stadt am Rhein aber auch deswegen, weil sein Vater, George Bush senior, im Mai 1989 schon einmal hier war. »Es heißt, hier in Mainz an den Ufern des Rheins und im Herzen der Weinberge und Dörfer sei die deutsche Seele zuhause«, hatte dieser damals gesagt.

Für die Mainzer Polizei ist der Besuch von president evil, wie er von seinen Gegnern liebevoll genannt wird, eine »Herausforderung«, denn: »Die herausragende Stellung der USA bei der Lösung globaler Konflikte sowie in der Weltpolitik allgemein, die sich in einem starken politischen und militärischen Engagement weltweit zeigt, macht den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu einem herausragenden Angriffsziel, insbesondere vor dem Hintergrund des Irak-Kriegs und der aktuellen Entwicklung der Beziehungen zum Iran.« Der Koordinierungskreis von Attac meint schlicht und einfach: »Diese Person gehört nicht in das ›Goldene Buch‹ der Stadt Mainz, sondern vor Gericht.«

Da es kaum zu einer Verhaftung kommen dürfte, müssen Autobahnen gesperrt und in der so genannten Sicherheitszone Briefkästen abgeschraubt und Garagen leer geräumt werden. Der Bundeskanzler macht sogar einen alten Traum der Friedensbewegung wahr: Er sperrt den Luftraum. Zwar nicht für Truppentransporter der USA, die gen Irak fliegen, sondern für die so genannte Sichtfliegerei über Mainz. Dennoch beschwert sich das Demonstrationsbündnis bei der Stadt Mainz, weil sie keine städtischen Gebäude als Übernachtungsräume für die Friedensdemonstranten zur Verfügung stellt. Und zur Revolution soll die Bundesregierung wohl in den Reichstag einladen. Ach, was ist die deutsche Seele!

Die Aufrufe

In unzähligen Schreiben haben die Gegner des Präsidenten die Gründe für ihren Protest dargelegt. Die »Cowgirls und Cowboys für den Frieden« fassen sie prägnant zusammen: »Wir demonstrieren gegen Krieg, Aushöhlung von Demokratie und Zivilgesellschaft, Turbokapitalismus und Sozialabbau, Folter, Menschenrechtsverletzungen, Klima- und Umweltzerstörung, Verwertungslogik, Aufbau kultureller Feindbilder, ungerechte Globalisierung, Aufteilung der Welt in Gut und Böse, Nationalismus, Unterstützung von Putschen gegen demokratisch gewählte Regierungen, Überwachung und den Abbau von Bürgerrechten.« Nur die Käfigtierhaltung haben sie vergessen.

Manchmal ist die Analyse nicht auf der Höhe der Zeit und müsste »nachjustiert« (Schröder) werden, etwa wenn prophezeit wird, dass es im Irak zu einem »Marionettenregime« kommen wird, »das den Interessen der USA folgt« (Linksruck). Das schiitische Wahlbündniss, das die Wahlen im Irak gewann, dürfte handfeste eigene Interessen haben. Und wenn man, wie viele Gruppen es zu Recht tun, die Toten unter der Zivilbevölkerung im Irak beklagt, sollte man dann nicht auch ein Wort über den »irakischen Widerstand« verlieren, der Massaker in einer Schlange vor einer Bäckerei anrichtet oder Anschläge in Moscheen verübt? Davon leider Fehlanzeige.

Viele Gruppen heben hervor, dass sie nicht antiamerikanisch eingestellt seien und sich gleichfalls gegen die Politik der Bundesregierung richteten. Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) etwa attestiert Bush zwar »Größenwahn«, »Revolverheldallüren« und »psychische Probleme«, sie kritisiert aber auch die angebliche deutsche Unterstützung des Irak-Krieges, etwa die Gewährung der Überflugrechte und die in Kuwait stationierten Bundeswehrsoldaten. Die Bundesregierung »tat alles, was von ihr erwartet wurde. Zur gleichen Zeit trat sie öffentlich gegen den Krieg auf. Eine geschickte Doppelstrategie, die für diplomatischen Ärger sorgte, aber gerade deswegen erfolgreich war«, meint die DFG-VK.

»I am not convinced«, möchte man ausrufen wie Joschka Fischer vor dem Irak-Krieg im Sicherheitsrat der Uno. Die Bundesregierung kann noch so oft betonen, dass keine deutsche Soldaten in den Irak geschickt werden, für die Friedensbewegung beteiligt sich Deutschland zumindest indirekt an dem Krieg. Was für eine geschickte Strategie es sein soll, sich mit den USA in der Uno anzulegen, um sie dann hinterrücks zu unterstützen, bleibt ein Rätsel.

Viele Gruppen kritisieren aber auch das Gerede von der deutschen »Friedensmacht«, den Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe der EU, die europäische Flüchtlingspolitik und die Drohungen gegen den Iran. Auch dass die Nato kein einheitliches Bündnis mehr ist, sondern von den Interessengegensätzen ihrer Mitglieder gekennzeichnet ist, wird inzwischen bemerkt. Und die deutsche Kriegsführung im ehemaligen Jugoslawien und in Afghanistan wird ebenso angeprangert.

Die Feldherren

Nach Ansicht des Friedensratschlags treffen sich in Mainz »zwei gleichgesinnte Feldherren«. Aber was werden sie sich zu sagen haben? So oder so ähnlich könnte der Dialog sich anhören:

Bush: »Die beste Hoffnung für Frieden in unserer Welt ist die Ausbreitung von Freiheit in aller Welt.« Schröder: »Freundschaft heißt nicht, dass man immer derselben Meinung ist.« Bush: »Die Nato ist ein vitales, notwendiges und wichtiges Element für die Erhaltung des Friedens.« Schröder: »Die Nato ist nicht mehr der primäre Ort, an dem die transatlantischen Partner ihre strategischen Vorstellungen konsultieren und koordinieren.« Bush: »Eines Tages wird das ungezügelte Feuer der Freiheit auch die dunkelsten Ecken unserer Welt erreichen.« Schröder: »Ich habe keine Reisepläne.« Bush: »Wenn ich noch einmal zurückkommen sollte, können wir zusammen angeln, damned german bastard!«