Malen für Allende

Die Wanderausstellung »Das verletzte Gedächtnis« erinnert an Opfer der Militärdiktaturen Lateinamerikas. Bis April ist sie in Montevideo zu sehen. von astrid schäfers

Napalm dem Egoismus«, schreit einem eine vielarmige Figur auf einem lampenartigen Baum entgegen. Ein mehrere Hände faltendes kniendes Wesen neben einer anderen seltsamen Gestalt schreit: »Die einzige Definition des Schlechten ist ein Mensch, der den anderen erniedrigt«, womit der nach Chile emigrierte spanische Künstler Roberto Matta auf die Repression unter dem Franco-Regime anspielt. Man könnte ihn als eine Art letzten Surrealisten ansehen, er selbst sagt hingegen von sich: »Ich bin der Realist des Südens.« Seine Comics, die schlangenhafte Figuren und propellerähnliche Gefährten zeigen, wandten sich zunächst gegen den Francismus, später allgemein gegen Krieg, Macht, technologische »Enthumanisierung«, Repression und Folter.

Sie sind in der Ausstellung »Das verletzte Gedächtnis: Der 11. September, von Salvador Allende zu den Zwillingstürmen« im Nationalen Museum für angewandte Kunst in Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, noch bis April zu sehen. Die Ausstellung wurde von der Junta de Extremadura, also dem Landtag des Bundeslandes Extremadura, in Spanien finanziert und am 11. September 2003 im spanischen Cáceres eröffnet. Sie geht seitdem durch alle lateinamerikanischen Länder, in denen das künstlerische Schaffen zwischen den vierziger und späten siebziger Jahren durch diktatorische Militärregierungen beeinträchtigt wurde. Bereits gezeigt wurde sie in Brasilien und Argentinien, und enden wird sie schließlich in Chile.

Gewidmet ist sie vor allem dem Gedenken Allendes, dessen Tod am Eröffnungstag genau 30 Jahre her war. Zu diesem Anlass wurde Allende ein Denkmal in Castuera gesetzt. Der Präsident des Landtags, Juan Carlos Rodriguez Ibarra, sieht ihn als »einen Mann, der bereit war, für sein politisches Projekt des Übergangs von der Demokratie zum Sozialismus sein Leben zu opfern«. Der am 11. September 1973 von Pinochet gestürzte Präsident beging im Präsidentenpalast La Moneda in Santiago de Chile Selbstmord. Bei aller Bewunderung und Zustimmung zur sozialistischen Politik zeugt die Heroisierung Allendes, das sollte man nicht vergessen, doch von einem in Lateinamerika verbreiteten unkritischen Personenkult.

Die Ausstellung zeigt Werke von oppositionellen Künstlern, die unter der Zensur in Chile oder im Exil aktiv waren und versuchten, so etwas wie ein »Gedächtnis« zu schaffen, um gegen Repression und Folter zu protestieren. Dieses »verletzte Gedächtnis« soll dem Vergessen und Verdrängen der lateinamerikanischen Diktaturen entgegenwirken.

Die skurrilen, blutenden und leidenden Körper von Guillermo Nuñez wirken regelrecht wie absorbiert von Schmerz. Das Bild »Die Monster des Hasses« zeigt zwei körperartige längliche weiße Gebilde, die im Inneren rot gefärbt sind, eines wird bereits von Fliegen zerfressen. »Um die Tage ohne Sonne nicht zu vergessen« nannte Nuñez das Bild. Ein Kritiker meint, die weißen Partien repräsentierten die Militärs, die sich um die Körper winden.

Nuñez verbrachte einige Zeit in einem chilenischen Gefängnis und emigrierte später nach Frankreich. Manche seiner Gravuren erinnern an die Schreckensbilder Goyas. Das ist gewollt. Eine von Goyas imaginären Figuren, der Isidro, sagte: »Ich male, um den Menschen ewig zu sagen, dass sie nicht barbarisch sein sollen.«

Ernesto Fontecilla malte vor allem Personen, die unter Pinochet verschwanden. Prostituierte, Obdachlose, Transvestiten. Dabei orientierte er sich an der Beschreibung von Personen, die diese gekannt hatten. Die mit schwarzer Kohle gezeichneten nackten Personen schauen den Betrachter anklagend an.

Einige der an der Ausstellung beteiligten Künstler erlebten die Exilsituation zweifach. Erst flohen sie vor Franco, dann fanden sie sich nach dem Militärputsch in Chile erneut in einer Art »innerer Emigration« wieder, wie etwa Roser Bru. Ihre Werke wurden von einer speziellen Behörde der Regierung untersucht und von allem »Störenden« bereinigt.

José Balmes hingegen floh in die katalanischen Pyrenäen. Er nahm an von Künstlern organisierten Brigaden gegen die Diktatur teil. In der Ausstellung findet sich auch ein Bild von ihm zur Ehrung Ché Guevaras. Zu sehen ist ein schwarzes Gebilde mit grauen Rauchschwaden darüber. Er malte gerne dunkle Farbflecken, die den Eindruck von Wut und Protest vermitteln. Mit den dick gepinselten Buchstaben »NO« drückte er seine Ablehnung gegenüber dem Regime aus.

Der zweite Teil der Ausstellung zeigt humoristische Werke. In Comics, Collagen und Satirezeichnungen findet sich in verschlüsselter Form Kritik an Pinochet. Der Chilene Krahn malte Pinochet als dicknasiges Monster in Uniform, ihm gegenüber ist ein greisenhafter Kondor vor einer tosenden Brandung zu sehen. »Operation Condor« lautete der Deckname einer Geheimdienstaktion lateinamerikanischer Militärdiktaturen, mit der in den siebziger Jahren die grenzüberschreitende Verfolgung und Ermordung von Oppositionellen organisiert wurde. In Chile und Argentinien war es gängige Praxis, Oppositionelle aus Hubschraubern ins offene Meer zu werfen.

»Sag mir, wer bezahlt, ich kassiere«, sagt das Monster Pinochet zu einer Bestie auf einem anderen Bild, das auf die finanzielle Zusammenarbeit der US-amerikanischen Regierung mit dem Diktator hinweist.

»Was hat sich geändert seit dem Tod von Salvador Allende und der Explosion der Zwillingstürme des World Trade Center?« wird der Besucher dieser Ausstellung gefragt. Die Frage geht ins Leere. Der Zusammenhang zwischen der Militärdiktatur in Chile und dem 11. September 2001 wird nicht klar, die Ausstellung geht darauf auch nicht weiter ein. Die Diktaturen damals waren schließlich ein spezifisch südamerikanisches Phänomen. Natürlich hat die Unterstützung der USA enorm dazu beigetragen, dass sich Diktatoren wie Pinochet so lange an der Macht halten konnten. Was hat das aber mit den Anschlägen des 11. September 2001 zu tun? Fast scheint es, als würden sie schlicht instrumentalisiert, um Publikum anzulocken.

Erstaunlich ist zudem die politische Botschaft, mit der sich die Regierung der Extremadura für ein Wiederaufleben sozialistischer Utopien ausspricht und gegen eine »unipolare Welt« wendet, die »von einer hegemonialen Macht dominiert« sei, mit der eindeutig die USA gemeint sind. Ob es der in Montevideo wenig beachteten Ausstellung demnächst in Peru oder Chile gelingen wird, stärker Gegenstand einer öffentlichen Debatte zu werden, bleibt abzuwarten.