Party in Pjöngjang

Nordkorea feiert den Geburtstag seines geliebten Führers Kim Jong-il. Ist die Atombombe sein großes Geschenk an die Menschheit? von christian karl, seoul, und adam flut

Das Fest muss beeindruckend gewesen sein. Schließlich galt es nicht nur dem »geliebten Führer«, es war das ganze »Hauptquartier der Revolution«, das in Gestalt Kim Jong-ils am Mittwoch vergangener Woche dessen 63. Geburtstag feierte. Und da kann man es schon mal krachen lassen. Zum Beispiel mit Lebensmittelrationen, die zur Feier des Tages erhöht worden sein sollen.

Tage zuvor hatten die Feierlichkeiten mit kulturellen Darbietungen im ganzen Land begonnen. Etwa mit dem am Montag in Pjöngjang eröffneten »9. Kimjongilia-Festival«. Das Fest der nach Kim Jong-il benannten »Kimjongilia«-Blume sei die »koreanische Art, den großen Mann zu preisen und das unerschütterliche Vertrauen an das koreanische Volk zu demonstrieren«, meldete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA.

Am Geburtstag des »geliebten Führers« marschierten dann ganze Armeebataillone, Fabrikbelegschaften und Schulklassen durch die Straßen der Hauptstadt. Das nordkoreanische Fernsehen berichtete, tausende Menschen hätten auf dem Kim Il-sung-Platz »singend, tanzend und den derzeitigen Genius der Menschheit preisend« dem Oberkommandierenden der Volksarmee ihre Ehrerbietung erwiesen. Sänger stimmten Lieder wie »Sehnsucht nach dem General«, »Lang lebe die Songun-Politik« und »andere Nummern« an, berichtete KCNA. Sogar die Natur habe sich mit einer für diese Jahreszeit unüblichen Blütenpracht »am gemeinsamen Feiertag der ganzen Menschheit« beteiligt. Und die feierte »auf der ganzen Welt«, wie das nordkoreanische Fernsehen versicherte, den Geburtstag Kim Jong-ils mit.

Den größten Geburtstagskracher hatte Kim Jong-il schon in der Woche zuvor präsentiert: »Wir haben Nuklearwaffen zur Selbstverteidigung hergestellt, um mit der immer unverhohleneren Politik der Regierung Bush zur Isolation und Erstickung der Demokratischen Republik Koreas fertig zu werden«, erklärte das nordkoreanische Außenministerium in einer von der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichten Stellungnahme. Das Land verfüge über Atomwaffen und arbeite am weiteren Ausbau seiner nuklearen Kapazitäten. Denn die Realität beweise, »dass nur mächtige Stärke Gerechtigkeit und Wahrheit schützen« könne. Deshalb lautet Kim Jong-ils Songun-Doktrin auch: »Militär zuerst«.

Damit scheint nun offiziell bestätigt, was im Ausland immer wieder vermutet worden war und was nordkoreanische Quellen schon einmal eingeräumt, aber wieder dementiert hatten. In den vergangenen Monaten gab es zaghafte Anzeichen für eine Entspannung; erst im Januar erklärte sich Nordkorea nach einem Besuch von Abgeordneten des US-Kongresses zur Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche bereit. Doch davon will die nordkoreanische Regierung nichts mehr wissen.

In einer ausführlichen und vom staatlichen Radio und Fernsehen verbreiteten Stellungnahme zum »Atomkonflikt mit den USA« begründete das nordkoreanische Außenministerium am 10. Februar, warum das Land an seinem Atomwaffenprogramm festhält: »Das Ziel der zweiten Bush-Administration, die Demokratische Volksrepublik Korea zu bekämpfen und es um jeden Preis zu isolieren und zu ersticken, ist offensichtlich geworden.« An einer friedlichen Koexistenz zwischen beiden Ländern seien die USA nicht interessiert. »Sie proklamieren die Beendigung der Tyrannei als Endziel, definieren unser Land als ›Außenposten der Tyrannei‹ und toben, dass sie vor einem Einsatz von Gewalt nicht zurückschrecken.« Weitere vier Jahre mit Verhandlungen über das Nuklearprogramm zu verschwenden, sei sinnlos. An der so genannten Sechser-Runde, also den im Jahr 2003 von China initiierten internationalen Verhandlungen, werde man sich nicht mehr beteiligen und stattdessen die »atomare Abschreckung« zur »Verteidigung der Freiheit und Demokratie« der Demokratischen Volksrepublik Korea verstärken.

Nun steht Nordkorea wieder einmal in Zentrum der internationalen Diplomatie. Zwar bemühten sich die USA, Japan und Südkorea, einigermaßen Gelassenheit zu demonstrieren. Doch die Reaktionen konnten nicht verbergen, dass beim Thema Nordkorea niemand weiß, wie es weitergehen soll.

Das Nachbarland sei noch nicht in der Lage, eine mit Atomsprengköpfen bestückte Rakete zu starten, beruhigte der südkoreanische Verteidigungsminister Yoon Kwang Ung am Donnerstag voriger Woche in Seoul. Eine nordkoreanische Atombombe sei vermutlich zu schwer, als dass sie mit einem Bombenflugzeug transportiert werden könne. Zuvor hatte die südkoreanische Zeitung Chosen Ilbo unter Berufung auf südkoreanische Regierungskreise berichtet, dass Nordkorea eine neue Scud-Rakete mit größerer Reichweite und verbesserter Zielgenauigkeit entwickelt habe, die nicht nur Südkorea, sondern auch Japan erreichen könne.

Bemerkenswert zurückhaltend waren die Reaktionen aus den USA. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der beim Thema Massenvernichtungswaffen bislang nicht mit einer übertriebenen Vorsicht aufgefallen ist, meinte: »Unter dem Gesichtspunkt der Weiterverbreitung von Atomwaffen muss man besorgt sein, wenn man glaubt, dass sie wirklich Atomwaffen haben. Ich weiß es nicht.« Und Außenministerin Condoleezza Rice erklärte, dass der Rückzug Nordkoreas aus der Gesprächsrunde die Isolation des Landes weiter verstärke. »Allen ist klar, dass es keine Atomwaffen auf der koreanischen Halbinsel geben darf.« Die USA beabsichtigten jedoch nicht, »Nordkorea zu besetzen oder anzugreifen«. Allerdings gebe es für das Land auch keine Sicherheitsgarantie, wenn es nicht sein Nuklearprogramm aufgebe.

Diese Äußerung verdeutlicht die Schwierigkeiten, in denen sich die USA befinden. Gemäß ihres erklärten Ziels, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen in »Schurkenstaaten« zu verhindern, müssten sie militärisch intervenieren – bei einer mutmaßlichen Atommacht ein mehr als riskantes Unternehmen. Auch eine Vernichtung der Atomwaffen mit präzisen Angriffen scheint kaum möglich, da diese, sollten sie denn existieren, im gebirgigen Norden der Volksrepublik versteckt sein dürften. Selbst eine Seeblockade verspricht keinen Erfolg, kommen die meisten Waren doch über die Grenzen zu China und Russland ins Land.

Nun ruhen alle Hoffnungen, Nordkorea zur Räson zu bringen, auf China. Am Samstag reiste der Leiter der Abteilung für internationale Angelegenheiten der Kommunistischen Partei Chinas nach Pjöngjang, nachdem sich zuvor chinesische, US-amerikanische und südkoreanische Politiker in Peking getroffen hatten.

Für die Regierung Bush ist die ganze Angelegenheit ziemlich unrühmlich. Das meint zumindest Madeleine Albright. Es sei ein Fehler gewesen, sagte sie dem Magazin stern, dass George W. Bush den von der Clinton-Administration begonnenen Dialog mit Nordkorea beendet habe. »Denn wenn man erst mal Massenvernichtungswaffen hat, kann man einige davon, oder das nötige Plutonium, auch an Schwarzhändler oder Terroristen verkaufen.« Nordkorea sei heute »der gefährlichste Ort der Welt«, sagt die ehemalige US-Außenministerin.

Von dort kommen auch andere Nachrichten: So zeigen angeblich aus Nordkorea stammende Videoaufnahmen Graffiti gegen Kim Jong-il, immer wieder gibt es Gerüchte über interne Machtkämpfe, die Sunday Times sprach kürzlich von »Kims Königreich in Auflösung«. Sollten diese Meldungen, deren Wahrheitsgehalt allerdings so gut wie nicht überprüfbar ist, tatsächlich stimmen und sollte Kim Jong-il innenpolitische Probleme haben, dürfte ihm auch die Atombombe nichts nutzen. Oder?