Die Revanche des Desperados

Die im Irak entführte Journalistin Florence Aubenas hat den rechten Politiker Julia um Vermittlung gebeten. Nun rätseln die französischen Medien, warum. von bernhard schmid, paris

Die Überraschung war perfekt: Kaum jemand hätte dem Abgeordneten Didier Julia noch eine politische Zukunft vorausgesagt. Doch in der vergangenen Woche stand die Skandalfigur der französischen Politik vom vergangenen Herbst plötzlich erneut im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, wenn auch nur für drei Tage. Danach verbat sich Premierminister Jean-Pierre Raffarin energisch jegliche »Parallelaußenpolitik« von dessen Seite.

Der konservative Rechte und Polit-Desperado Didier Julia trat im Herbst mit der Behauptung hervor, er und eine Hand voll Helfer könnten die beiden im Irak gefangenen Reporter Christian Chesnot und Georges Malbrunot auf eigene Faust befreien. Das Abenteuer der kleinen Truppe endete jedoch mit einer Blamage. Die Nachrichtendienste Syriens führten Julias Gurkentruppe, die in Wirklichkeit Damaskus nie verlassen hatte, offenkundig mit falschen Hinweisen an der Nase herum. Chesnot und Malbrunot kamen auf anderem Wege frei (Jungle World, 02/05).

Am Dienstag vergangener Woche schien Didier Julia nunmehr seine Revanche gegenüber der Regierung und dem Spott der Medien zu genießen. Die Libération-Reporterin Florence Aubenas, die seit Anfang Januar im Irak festgehalten wird, flehte auf einer Videokassette um Hilfe – und wandte sich dabei drei Mal namentlich an Julia.

Daraufhin forderte ihn tags darauf sogar Premierminister Raffarin im Parlament zur Zusammenarbeit auf, wobei er sich jedoch erneut eigenmächtige Eskapaden verbat: Julia solle dem französischen Auslandsgeheimdienst DGSE sein sachdienliches Wissen mitteilen. Der Politiker brüstete sich zwar öffentlich mit seinen »seit 40 Jahren bestehenden Kontakten« (»Wahrscheinlich kennen die Geiselnehmer mich«), konnte aber bei einer Anhörung der DGSE nur unbrauchbare Allgemeinplätze vorbringen. Daraufhin erklärte Raffarin ihn öffentlich für inkompetent und für Verhandlungen irgendwelcher Art in der Geiselaffäre nicht zuständig.

Die große Frage aber ist, warum die Gefangene Florence Aubenas, die auf dem Video extrem erschöpft und verängstigt wirkt, in dieser Form an Julia appellierte. Es dürfte feststehen, dass sie es unter Aufsicht der Entführer tat. Eine These lautet, dass es ihr durch eine Anspielung auf Julias Eskapaden in Damaskus dennoch gelungen sei, einen versteckten Hinweis auf einen syrischen Hintergrund ihrer Geiselnehmer zu platzieren. Diese in mehreren Radiosendungen lancierte Idee erscheint jedoch nicht sonderlich plausibel. Dagegen spricht nicht nur, dass Aubenas Angst haben musste, ein »falsches Wort« zu sagen, sondern wohl auch, dass die Entführer ihr sicherlich nicht ihre genauen politischen Hintergründe verrieten.

Eine andere These wird von Gegnern des Irak-Kriegs vertreten, die die derzeitigen irakischen Behörden und die Koalition der Besatzungsmächte hinter der Entführung vermuten: Ihnen gehe es darum, Frankreich in eine Einkreisungsstrategie gegen Syrien einzubeziehen. Schließlich ist esauch nicht unwahrscheinlich, dass Gruppen internationaler islamistischer Kämpfer Interesse daran haben könnten, eine solche Spur zu legen. Die Jihadisten, die im Irak auf weit verbreitete Ablehnung stoßen, könnten Interesse an einer Ausweitung der Kampfzone und an einer Eskalation haben, um die gesamte Region vor die Alternative zu stellen: »die USA oder wir«.

Die Redaktion von Libération, die freilich aus Furcht um das Überleben ihrer Reporterin wohl nicht alles Wissen preisgibt, behauptet bislang, über Hinweise darauf zu verfügen, dass die Entführer einen rein kriminellen und nicht politischen Hintergrund hätten. Dagegen schreibt Le Monde: »Entführer im Irak sind nie unpolitisch.« Banditengruppen hätten Kontakte entweder zur Guerilla oder zur Polizei und zu den Nachrichtendiensten, um in der derzeitigen Chaossituation ihre Interessen effektiv zu verfolgen.