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Fast 5 000 Tonnen Opium wurden im vergangenen Jahr in Afghanistan produziert. In UN-Kreisen wird kritisiert, dass die Interventionstruppen die Drogenwirtschaft tolerieren. von martin schwarz, wien

In Afghanistan blühen der Schlafmohn und der Export von Opium. Das geht aus einem Bericht des Internationalen Suchtgift-Kontrollrates der Vereinten Nationen hervor, der in der vergangenen Woche im UN-Hauptquartier in Wien vorgestellt wurde. Insgesamt 4 950 Tonnen Opium seien im Jahr 2004 in Afghanistan produziert worden – 17 Mal so viel wie in Myanmar, das lange Zeit der größte Opiumproduzent war. Dem Bericht zufolge wird in Afghanistan so viel Heroin und Opium produziert wie in der gesamten restlichen Welt.

Zwar halten sich Experten der Vereinten Nationen mit politischen Interpretationen zurück, machen aber im wesentlichen die »internationale Gemeinschaft« und in zweiter Linie die schwache Zentralregierung Präsident Hamid Karzais in Kabul für den Umstand verantwortlich. Dass Karzai mit den Warlords recht zurückhaltend umgeht, wenn sie ihre Macht und ihren Einfluss durch die Einnahmen aus dem Drogenhandel generieren, halten Wiener UN-Kreise für weniger alarmierend als den Umstand, dass die ausländischen Truppen teilweise wegen ihres beschränkten Mandates nichts gegen den Mohnanbau unternehmen können.

»Die internationalen Truppen sollten jetzt beginnen, ihre Aufgaben in Afghanistan anders zu definieren«, sagte ein Wiener UN-Diplomat zur Jungle World. Soll heißen: Der Kampf gegen die Taliban ist ohnehin gewonnen, Ussama bin Laden scheint sich auch nicht mehr in Afghanistan aufzuhalten, also sollten die Truppen zumindest bis zur Etablierung rechtsstaatlicher Strukturen auch den Drogenanbau in Afghanistan bekämpfen.

Nun mehren sich in Berlin die Anzeichen dafür, dass man das bisherige Mandat für die deutschen Truppen in Kunduz und Faisabad überdenken will. Bisher mussten die deutschen Truppen dort zusehen oder wegsehen, wenn wieder ein neues Mohnfeld angelegt wurde. Angeblich wächst in Faisabad der »beste Schlafmohn der Welt«. Kunduz wiederum ist ein wichtiger Umschlagplatz für den Transport nach Europa. Insbesondere Osteuropa, so heißt es in dem UN-Bericht, wird derzeit von einem reichhaltigen Heroinangebot überschwemmt. Dort steige nach wie vor die Zahl der Heroinkonsumenten, während sie in Westeuropa stagniere bzw. sogar leicht rückläufig sei.

Bislang fürchteten die Interventionsmächte, dass ein offensives Vorgehen gegen die von den Warlords kontrollierte Opiumproduktion die Stabilisierung gefährden könnte. Allerdings fehlen in Afghanistan schlicht die wirtschaftlichen Alternativen zum Drogenanbau. Ein ebenfalls in der vorigen Woche vorgestellter Bericht des US-amerikanischen Außenministeriums schätzt, dass 40 bis 60 Prozent der afghanischen Wirtschaft vom Drogenanbau abhängen. Solange die Bauern keine Alternativen finden, werden sie sich weiterhin ihrem einzigen lukrativen Erwerbsfeld zuwenden.

Verschärft wird das Problem durch die Zustände in einem anderen Kriegsland. Weil im Irak alle staatlichen Kontrollinstrumente zur Bekämpfung des Drogenhandels zusammengebrochen sind, dient das Land mittlerweile als wichtiger Umschlagplatz für den Transport der Drogen nach Europa. Die in Wien ansässige UN-Behörde zur Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung hat in einem geheimen Bericht bereits vor mehr als einem Jahr davor gewarnt, dass der Irak zu einem immer wichtigeren Bestandteil der internationalen Schmugglerrouten wird. Doch wegen der desolaten Sicherheitslage sind die Truppen der kleinen »Koalition der Willigen« mit ganz anderen Dingen als der Bekämpfung des Drogenhandels beschäftigt. Eines aber könnte sie doch nachdenklich stimmen: Die Vereinten Nationen haben durchaus stichhaltige Hinweise darauf, dass sich Terrorgruppen im Irak zu einem Gutteil über die Kooperation mit Drogenkartellen finanzieren.