»Ohne Wachstum wird es nicht gehen«

Gerald Weiß

Vor kurzem legte die CDU einen Vorschlag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor, ihren »Pakt für Deutschland«. Sie spricht sich unter anderem für betriebliche Bündnisse für Arbeit, untertarifliche Einstiegslöhne, Änderungen im Kündigungsschutz und im Betriebsverfassungsgesetz und flexiblere Arbeitszeiten aus. Gerald Weiß (CDU) ist Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion im Bundestag und erster stellvertretender Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA). Mit ihm sprach Stefan Wirner.

Wie steht die CDA zum »Pakt für Deutschland«?

Er entspricht dem in den Bundestag eingebrachten Antrag der Union, der auf Parteitagsbeschlüssen sowohl der CSU wie der CDU aufbaut. Bei Überbetonung der arbeitsrechtlichen Aspekte wird natürlich nur ein Teil der Lösungsansätze aufgezeigt, insoweit ist dieser Antrag nur eine beispielhafte Aufzählung einiger Schritte, die wir als CDA zum Teil mitvollzogen, zum Teil auch gestalterisch beeinflusst oder abgelehnt haben.

Wir haben aber die demokratische Mehrheit in den Fraktionen und Parteien zu respektieren. Aber sicherlich ist dies nur ein Teil des Ganzen. Wir erarbeiten derzeit in der Fraktion eine viel umfassendere Initiative.

In dem Vorschlag sind vor allem Einschränkungen für die Beschäftigten vorgesehen. »Betriebliche Bündnissse für Arbeit« dienen doch dazu, dass Flächentarifverträge umgangen und geringere Löhne vereinbart werden.

Es gibt in den Flächentarifverträgen bereits eine Reihe von Flexibilisierungsklauseln. Wir wollten ein Stück Verrechtlichung schaffen in dieser schwierigen Krisensituation im Jahre Sieben von Schröder. Eine Zweidrittelmehrheit der Belegschaft soll den betrieblichen Bündnissen zustimmen, eine Zweidrittelmehrheit des Betriebsrates, sie müssen der Beschäftigungssicherung dienen, und es muss ein Einspruchsrecht der Tarifvertragsparteien geben. Das akzeptieren wir einfach wegen der Notsituation, in der sich der Arbeitsmarkt in Deutschland heute befindet.

»Untertarifliche Entlohnung« muss für einen Vertreter der Beschäftigten doch problematisch sein.

Dabei geht es um den Einstellungstarif. Aber in der Tat muss man aufpassen, dass man nicht als Staat das Geschäft der Tarifvertragsparteien übernimmt und regelt, was im Rahmen der Tarifautonomie geregelt werden muss. Wir haben zu respektieren, dass dies in der Union die Beschlusslage ist. Wir raten der Union allerdings, auf die Tarifvertragsparteien zu setzen, die längst erkannt haben, was in Deutschland nötig ist.

Allenthalben hört man, dass mehr Arbeitsplätze nur entstehen, wenn die Löhne sinken würden.

Wir brauchen nicht generell geringere Löhne, sondern mehr Flexibilität in diesen harten Wettbewerbsbedingungen einer globalisierten Wirtschaft. Das ist nicht zu bezweifeln.

Es gibt auch unter den Wirtschaftsexperten unterschiedliche Ansichten. Manche behaupten, das deutsche Problem sei der Binnenmarkt. Die Menschen hätten wegen der schlechten Lohnentwicklung der vergangenen Jahre einfach kein Geld für den Konsum, deshalb leide der Binnenmarkt, während der Export boomt.

Ich glaube, dass die Wahrheit in der Mitte liegt. Wir haben Schwierigkeiten auf der Angebotsseite, weil wir nicht attraktiv sind für Investoren. Die Hälfte unserer volkswirtschaftlichen Ersparnisse geht in Auslandsinvestments. Wir haben augenblicklich, historisch gesehen, die schlechteste Investitionsquote. Man kann hierzulande nicht von attraktiven Rahmenbedingungen sprechen, wenn das Investitionskapital weltweit eine Anlage sucht, nur nicht in Deutschland.

Aber einseitig nur die Angebotsseite zu betrachten, wäre verfehlt. Wir müssen auch die Nachfrage betrachten, ohne eine stabile Lohnentwicklung, gepaart mit Zukunftszuversicht – daran mangelt es, die Sparquote ist ja gestiegen –, können wir von der Binnenwirtschaft keine Impulse erwarten. Wer nur die Nachfrageseite betrachtet und die alten Instrumente von Keynes auspacken will, der liegt genauso falsch wie der reine Wettbewerbspolitiker, der nur die Angebotsseite sieht.

Sie sprechen sich für »mehr Wachstum« aus, der »Kuchen« müsse größer werden, damit alle etwas von ihm haben. Was macht Sie so zuversichtlich, dass durch mehr Wachstum Arbeitsplätze entstehen? Derzeit ist zu beobachten, wie Firmen Gewinne machen und trotzdem oder gerade deswegen Beschäftigte entlassen.

Die Ökonomen sagen, es gibt eine relative hohe Wachstumsschwelle, ab der mehr Beschäftigung entstehe. Im Grunde muss das Sozialprodukt stärker wachsen als die Produktivität. Das ist in Deutschland seit Jahren nicht mehr der Fall. Wir brauchen ungefähr zwei Prozent Wachstum des Sozialprodukts, um neue Beschäftigung zu generieren. Ohne Wachstum wird es nicht gehen. Aber es gibt Fälle einer blühenden Rentabilität, und die Unternehmen entlassen trotzdem, siehe Deutsche Bank …

… oder Daimler-Chrysler.

Ich halte die Verabsolutierung der kurzfristigen Rendite oder des Börsenkurses für den Verlust von Wirtschaftsethik. Man muss schon längerfristig denken und die Rahmenbedingungen setzen, um längerfristiges Denken zu fördern. Da kann der Staat ein bisschen was tun, indem er etwa die Mitarbeiterbeteiligung fördert. Denn der Arbeitnehmer weiß, dass es um seinen Arbeitsplatz geht. Das kann zwar zu Lasten von Nominallohnforderungen gehen, wenn ich aber daneben einen Erfolgslohn stelle, könnte es kurzfristigen Strategien entgegensteuern. Nur auf den aktuellen Börsenwert zu sehen und Managergehälter an den Börsenkurs zu binden, halte ich für eine eklatante Fehlentwicklung.

Kann man einer globalisierten Wirtschaft mit Ethik beikommen? Machen die Unternehmen nicht einfach das, was sie machen müssen, nämlich den Gewinn vergrößern?

Wenn man auf Ethik alleine setzt, kann man hinsichtlich der Erfolgsaussichten in der Tat geteilter Meinung sein. Im Mittelstand gibt es eine auf das Langfristige gerichtete Ethik, da denkt man in Generationen. Es ist nicht ganz weltfremd, von Wirtschaftsethik zu sprechen. Die Anbindung an ethische Überzeugungen kann man ja durch internationale Spielregeln fördern. Zum Beispiel, was die Finanzmärkte betrifft. Das kann nicht nur der Nationalstaat lösen. Weil wir eine in die Weltwirtschaft verflochtene Volkswirtschaft sind, brauchen wir ein paar Spielregeln für die Welt.

Die Arbeit muss sich ja auch für den lohnen, der sie verrichtet. Verdi spricht von einer »Armut der Beschäftigten«, die durch Scheinselbständigkeiten entstehe, durch Privatisierungen und Auslagerungen.

Wir haben auf dem Arbeitsmarkt einen schmutzigen Wettbewerb. Wir befürworten insgesamt die Europäisierung, es ist ja eine der kostbarsten Errungenschaften, dass die mittel- und osteuropäischen Staaten hinzukommen. Aber dass man Übergangsfristen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit gesetzt hat, die Dienstleistungsfreiheit jedoch sofort ermöglichte, führt in Deutschland zu Dumpinglöhnen. Das Resultat ist, dass man für anständige Arbeit in Deutschland vielfach keinen anständigen Lohn mehr erhält. Wir müssen die Konstruktion des Entsendegesetzes auf die Branchen, in denen es jetzt besonders schmutzig zugeht, zum Beispiel bei den Fleischereiarbeitern, anwenden. Damit diese Sauerei in Deutschland aufhört.