Heide und der Wolf

Der Führungswechsel in der Weltbank von jörn schulz

Auf der Suche nach Verbündeten geht Paul Wolfowitz, der von George W. Bush zum Präsidenten der Weltbank nominierte US-Vizeverteidigungsminister, ungewöhnliche Wege. »Enthusiastisch und detailliert« sei das Gespräch mit dem irischen Rockstar Bono gewesen, berichtete Wolfowitz’ Berater, Kevin Kellems. Doch auch die Fürsprache Bonos dürfte Wolfowitz in Europa wenig nützen. »Die Begeisterungsstürme im alten Europa halten sich in engen Grenzen«, fasste die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die in der EU dominierende Meinung zusammen.

Wolfowitz kann Erfahrungen in der internationalen Diplomatie und der Verwaltung großer Behörden vorweisen. Um sein Engagement für die Armutsbekämpfung zu belegen, die offiziell die Hauptaufgabe der Weltbank ist, fällt selbst wohlwollenden US-Kommentatoren allerdings nicht viel mehr ein, als darauf hinzuweisen, dass er als Botschafter in Indonesien reges Interesse für die Probleme der Hühnerzüchter zeigte. Immerhin wird ihm nachgesagt, dass er sich bereits für Demokratisierung einsetzte, als sie noch nicht Regierungsdoktrin der USA war.

Wolfowitz glaubt, dass Privatisierung und Freihandel die wichtigsten Instrumente der Armutsbekämpfung sind. Kaum ein europäischer Politiker würde ihm da widersprechen. Möglicherweise wird er jedoch darauf drängen, dass bei der politischen Konditionierung der Entwicklungshilfe und der Kreditvergabe die schwammige Formel »Good Governance« durch eine deutliche Forderung nach Demokratisierung ersetzt wird.

Es gibt gute Gründe, eine Politik abzulehnen, die Demokratisierung und Privatisierung als untrennbare Einheit betrachtet. Und es gibt gute Gründe, ein Verfahren abzulehnen, das es der EU gestattet, den Direktor des IWF zu bestimmen, während die US-Regierung entscheidet, wer Präsident der Weltbank wird.

Doch die europäische Kritik konzentriert sich auf Wolfowitz’ Rolle bei der Vorbereitung des Irak-Kriegs und seine unilateralistische Haltung. Er hat 2003 ein Dekret unterzeichnet, das die Gegner des Irak-Kriegs von Aufträgen beim Wiederaufbau ausschloss. Dies sei ein »höchst eigennütziges ökonomisches Interesse«, nörgelte Wieczorek-Zeul.

Die Weltbank führt keine Kriege, und über die Kreditvergabe entscheidet das Board of Governors, das die höchst eigennützigen ökonomischen Interessen von 184 Staaten entsprechend ihren Kapitalanteilen repräsentiert. Ihr Präsident hat jedoch die Möglichkeit, das zu entwickeln, was Unternehmer gerne als Philosophie bezeichnen. Der noch amtierende Präsident James D. Wolfensohn konzentrierte sich auf die soft skills, sprach gern mit NGO-Vertretern und sorgte sich öffentlich um Aidsbekämpfung und Frauenrechte. Wolfowitz dürfte mit amerikanischem Optimismus die Verknüpfung von kapitalistischer Modernisierung und demokratischen Reformen propagieren.

Das kommt der EU nicht gelegen. In der Konkurrenz um die Hegemonie über den Nahen Osten ist die Orientierung der aufstrebenden Mittelschichten und der Bourgeoisie, deren politische und ökonomische Enfaltung durch Diktatoren und Autokraten behindert wird, von entscheidender Bedeutung. Nach den Wahlen im Irak und den Protesten im Libanon muss das »alte Europa« fürchten, dass das US-Modell größere Anziehungskraft entwickelt. Und auch das Image der EU als soziale Alternative zu den USA ist in Gefahr. Es war Wolfowitz, der 2003 für die weitgehende Streichung der irakischen Auslandsschulden warb, während Wieczorek-Zeul befand, ein solcher Schuldenerlass sei eine »Absurdität«.