Was kostet das Paradies?

Der neue monegassische Fürst braucht einen Stammhalter. Sonst fällt die Steueroase an Frankreich zurück. von bernhard schmid, paris

Louis Henri Maxence Betrand Rainier Grimaldi, kurz »Rainier« genannt, hat seit November 1949 als regierender Fürst den Zwergstaat Monaco geführt. Er wurde ansonsten vor allem durch seine Hochzeit mit der Schauspielerin Grace Kelly prominent, die ihn für die Leserschaft der Regenbogenpresse zum Märchenprinzen machte. Grace Kelly starb 1982 bei einem Autounfall, die Gazetten konzentrierten sich fortan auf die beiden umtriebigen Töchter, die dem Vater immer wieder Sorgen machten.

Doch auch der Sohn Albert gilt als Sorgenkind. Denn der Kronprinz, der am Donnerstag voriger Woche seinen todkranken Vater im Amt beerbte, hat im Alter von 47 Jahren noch kein Interesse gezeigt, Kinder in die Welt zu setzen. Die französische Boulevardzeitung France Soir meint, er sei einfach zu beschäftigt und habe keine Zeit zur Familiengründung. Der Mann gilt als Playboy und Sportskanone; er nahm als Bobfahrer an den olympischen Winterspielen von 2002 teil. Aber diese Darstellung könnte auch schlicht Aristocratical Correctness in der Berichterstattung sein: Viele Beobachter halten ihn jedenfalls für schwul.

Bleibt er auch weiterhin ohne männlichen Nachkommen, dann wird Monaco nach den Bestimmungen des bilateralen Vertrags von 1918 an den größeren Nachbarn Frankreich fallen. Frankreich wäre um stattliche 1,9 Quadratkilometer größer und könnte einen Staat schlucken, der immerhin einen eigenen Sitz in der UN-Vollversammlung und seit Oktober auch im Europarat hat, der aber de facto von Frankreich finanziell ausgehalten wird. Frankreich stellt die hohen Beamten und transferiert einen Teil der nationalen Mehrwertsteuer, die wesentlich höher liegt als in Monaco, an das Fürstentum.

Wachsen also die Annexionsbestrebungen? Der neue Fürst könnte Abhilfe schaffen, indem er ein männliches Kind aus der Verwandtschaft adoptiert. Aber müsste man nicht damit rechnen, dass den Thronerben in Kürze ein mysteriöser Unfall ereilt?

Mit Bestimmtheit die Allerletzten, die daran ein Interesse hätten, sind französische Politiker. Denn die Seifenopernmonarchie erfüllt, so wie sie ist, eine enorm wichtige Funktion als Steuerparadies, das einerseits in die nationale Ökonomie Frankreichs integriert ist und doch aus der politischen Verantwortung des Staates herausfällt. Monaco hat 36 000 Einwohner, von denen freilich nur 6 000 in dem Stadtstaat geboren und aufgewachsen sind, aber über 300 000 Bankkonten. Die dortigen Einlagen sollen, nach Zahlen aus dem vorletzten Jahr, 60 Milliarden Euro betragen und alle fünf Jahre auf das Doppelte anwachsen.

49 Banken sind in Monaco ansässig, die der Kontrolle der Banque de France unterstehen und von denen 17 die Filialen französischer Banken sind. Das in Monaco angelegte Geld kommt zu 80 Prozent dem französischen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zugute.

Früher halfen die dort in Franc angelegten Summen, den Kurs der französischen Währung zu stabilisieren. Mit der Einführung des Euro hat sich diese Bedeutung ein wenig relativiert, und Kritik durfte auch schon mal ein wenig lauter geäußert werden. In einem parlamentarischen Untersuchungsbericht zweier sozialdemokratischer Abgeordneter aus dem Jahr 2000 steht zu lesen, Monaco sei »einer der heuchlerischsten Staaten beim Kampf gegen die Geldwäsche. Die monegassische Gesetzgebung ist ein schönes Schaufenster, aber im Hinterzimmer laufen wesentlich unfeinere Aktivitäten ab.«

Die Rede ist von Geldwäsche im Drogen- und Waffenhandel. Seit fünf Jahren steht Monaco auch bei der OECD auf der Liste der »nicht kooperationswilligen Finanzparadiese«. Ein in Europa einmaliger Sonderfall ist es, dass die Gründer von Aktiengesellschaften und die Herkunft ihrer Kapitaleinlagen keiner gesetzlichen Kontrolle unterliegen.