Still dangerous

Mit welchen Mitteln will die Polizei für Sicherheit und Ordnung sorgen? Der 8. Europäische Polizeikongress in Berlin zeigte es. von daniél kretschmar

In der Friedrichstraße weisen lediglich drei geparkte Mannschaftswagen der Berliner Polizei und ein Rettungsfahrzeug darauf hin, dass im Hotel Maritim eine Veranstaltung mit erhöhtem Sicherheitsbedarf stattfindet. Erst der Zugang zu den Kongressräumen ist mit Metalldetektoren versperrt, die von höhensonnengebräuntem, unauffällig dreinschauendem Personal bedient werden. Das Namensschild am Rheinmetallschlüsselband gut sichtbar umgehängt, wird die Sicherheitsschleuse passiert.

Einmal drinnen, winkt rechts das erste Buffet. Gleich gegenüber beginnt der Rundgang durch die Ausstellung für modernste Sicherheitstechnologie. An vielleicht 40 eng gedrängten Ständen präsentieren Unternehmen und Behörden den knapp 1 500 Gästen einen Querschnitt der Mittel und Methoden totaler Überwachung. Es finden sich Kamerasysteme, digitaler Mobilfunk, Vernetzungssoftware, Baukastensysteme so genannter nicht lethaler Waffen (Pfefferspray und der gute alte Polizeiknüppel seien als bekanntere Beispiele angeführt), Rettungsmittel und immer wieder Sicherheitssoftware. Vom besonders stabilen Laptop für besondere Einsatzanforderungen über den Polizeihelm der Zukunft bis zum Fingerabdruckerkennungsgerät können die Besucher hier alles anschauen, anfassen und sich ausführlich erklären lassen.

Viel lässt sich hier lernen, beispielsweise über Biometrie. Als letzter Schrei werden Geräte zur Erkennung der Venen im Handrücken gehandelt. Die Firma Rola, ein Anbieter von Fahndungssoftware, führt ihr Gesichtserkennungsprogramm anhand eines 20fach veränderten Passfotos vor. Als Manfred Mustermann, dessen äußere Merkmale auf ihre Variabilität überprüft werden, dient in diesem Fall ein Schwarzer mit Rastalocken und einem verschlagenen Gesichtsausdruck. An einer zwei Meter breiten Wand findet sich ein Schaubild über südostasiatische Terrorgruppen, »weakened but still dangerous«.

Im Vortragsprogramm spricht Günther Beckstein (CSU), der bayerische Innenminister, eine halbe Stunde lang, monoton in Diktion und Inhalt, von der Bedrohung durch islamistische Straftaten, islamistische Netzwerke, kriminelle islamistische Strukturen und über »Moscheen und andere islamistische Einrichtungen«. Bestätigend nicken viele Herren mittleren Alters in schwarzen Anzügen. Die einzigen Farbtupfer im Publikum bilden ein paar feldgraue Bundeswehruniformen und zwei Polizisten vom Stand des Landes Hessen.

Beckstein, wie auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Jörg Ziercke, sprechen ganz selbstverständlich von der großen technischen Aufgabe, in Zukunft jede E-Mail und jedes Telefonat in Deutschland aufzuzeichnen und mindestens zwölf Monate lang zu speichern. Die Herausforderung liegt offensichtlich in der Verwaltung und Sicherung der erwarteten riesigen Datenmenge, nicht darin, den Plan politisch durchzusetzen. Immerhin weist Ziercke darauf hin, dass es auch andere Rechtsauffassungen gebe.

In der Rhetorik Becksteins stellt Freiheit einen Gegensatz zu Sicherheit und Recht dar. Datenschutz wird, folgt man dieser Logik, zur Gefahr, nicht nur für den Staat, sondern auch für das Recht. Selig lächelt der Politiker, als er den Blick von den Manuskriptseiten hebt, um von seiner letzten Reise in die USA zu berichten, als er routinemäßig Fingerabdrücke abgeben und Fotos von sich machen lassen musste.

Auf den Gängen wird derweil der Lunch serviert. Stehend, den Teller in der einen, die Gabel in der anderen Hand, kommt man ins Gespräch. Datenübertragungsraten und Rechenleistungen sind die vorrangigen Konversationsthemen. Visitenkarten werden ausgetauscht, an den Ständen der Unternehmen sind Behördenvertreter gern gesehene Gäste. IBM, Bosch, Nokia, JVC, Siemens und ihre mittelständische Konkurrenz, sie alle sind auf Kundenfang.

Der Kongressveranstalter, die auf Katastrophenschutz, Sicherheits- und Militärpolitik spezialisierte Bürokratenpostille Behördenspiegel hat für dieses informelle Forum der »Entscheidungsträger und Beschaffer der europäischen Behörden« prominente Förderer werben können. Die Bundesregierung, die Europäische Kommission und Europol unterstützen den Kongress.

Die europäische Dimension wird vor allem deutlich im Vortragsblock der Innenminister diverser neuer Mitglieder der EU sowie einiger Kandidaten. In kurzen Statements dürfen die Minister aus Litauen, Lettland, Polen, Rumänien und sogar Albanien ihre Treue zu den Sicherheitsabkommen bestätigen und den Zuhörern von ihrer hervorragenden Sicherung der Grenzen und ihren großen Anstrengungen bei der Abwehr illegaler Einwanderer berichten. Je ferner der EU-Beitritt des entsprechenden Landes ist, umso pathetischer das Bekenntnis seines Vertreters zum gemeinsamen Haus, zur gemeinsamen Familie Europa.

Um weitere logistische Unterstützung bei den anstehenden Grenzsicherungsaufgaben wird geworben. Insbesondere geht es um die mangelhafte Ausstattung mit digitaler Funktechnik und fehlende europäische Standards. Da trifft es sich gut, dass die Telekomtochter T-Systems in der 30minütigen Präsentation ihres Direktors, Axel Birkholz, Hard- und Software für die Anforderungen innerer und äußerer Sicherheit vorstellt. Auch Birkholz spricht den Konflikt zwischen staatlicher Kontrolle und Bürgerrechten an, allerdings nur, um unbekümmert dazu überzuleiten, dass »unabhängig davon, wie diese Frage gelöst wird«, sein Unternehmen die passenden Angebote parat habe.

Die Bundesdruckerei kann schon etwas Handfestes bieten, ein Gerät, das Passfälschungen aufdecken soll. Der kleine graue Kasten, so wird versichert, funktioniere sowohl stationär und netzwerkgebunden als auch autonom und mobil. Er sei leicht zu bedienen, vor allem für privates Sicherheitspersonal, und habe in seiner Datenbank alle Pässe der Welt mit ihren Merkmalen verzeichnet.

Zum Beweis können Zuschauer ihre eigenen Ausweise überprüfen lassen, während an einem ukrainischen Pass demonstriert wird, was geschieht, wenn ein gefälschtes Dokument entdeckt wird. Die Eigentümerin kann festgenommen, mit modernsten Methoden erkennungsdienstlich behandelt und sicher verschnürt in ihr Herkunftsland abgeschoben werden.

Anlass zu Panik oder Hysterie gebe es nicht, betonte Günther Beckstein in seiner Rede nachdrücklich. Denn wir sind auf dem richtigen Weg.