Bei Anruf Knall

In Madrid ließ die Eta auf einer belebten Straße eine Bombe explodieren. Die Leben von Bewohnern des Baskenlandes werden nicht so leichtfertig aufs Spiel gesetzt. von gaston kirsche

Die Schneiderei, in der Antonio arbeitet, liegt an einer breiten Straße im Gewerbegebiet von Madrid. Am Mittwoch vergangener Woche explodierten in einem Kleintransporter auf der gegenüber liegenden Straßenseite 20 Kilo des Sprengstoffs Cloratit. »Ich stieg gerade eine Treppe hinunter, als plötzlich die Schaufensterscheiben zerbarsten und ich zu Boden geworfen wurde«, erzählt Antonio.

Kurz vor acht Uhr hatte mal wieder ein Anrufer im Namen der Separatistentruppe Eta bei der baskischen Tageszeitung Gara angerufen und verkündet, dass um halb neun Uhr eine Bombe gezündet werde. Der Anrufer machte auch konkrete Angaben darüber, wo sie deponiert sei.

Wenig später war die Polizei vor Ort. Die Beamten vergaßen allerdings, die 300 Mitarbeiter des Call Centers zu warnen, vor dem der explosive Kleintransporter geparkt worden war. »Zehn Minuten vor der Explosion sahen wir, wie die Straße sich mit Polizisten füllte. Eine Kollegin sagte: ›Da wird jemand Wichtiges kommen.‹ Aber dann begannen die Polizisten zu rennen, und deshalb liefen wir auch auf die Straße«, erzählt eine Mitarbeiterin. 47 Menschen wurden leicht verletzt. Die meisten erlitten Schnittverletzungen oder hatten wegen der enormen Druckwelle der Explosion Hörprobleme. Ein Wachmann musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Auch Linke kritisieren seit langem, dass die Eta fahrlässig darauf setzt, die Polizei werde nach ihren Bombenwarnungen das Terrain schon evakuieren.

Die Separatisten bomben gerne mit Autos voller Sprengstoff, ihre Ziele waren bisher aber vor allem Militärangehörige und deren Einrichtungen. Vor einer Woche wollte die Eta offensichtlich zeigen, dass sie jederzeit einen Anschlag verüben kann. Dass diese Demonstration von Handlungsfähigkeit aber an einem scheinbar zufällig gewählten Ort voller Menschen stattfand, ist ein fatales Zeichen. Kein Bewohner der Hauptstadt scheint mehr vor dem Terror der Eta sicher zu sein. Dabei hatten die Separatisten das islamistische Massaker am 11. März 2004 entschieden verurteilt.

Im Baskenland, für dessen Unabhängigkeit die Eta kämpft, ist ein so ungezielter Anschlag undenkbar. Wenige Tage vor dem Attentat in Madrid explodierte in Zarautz eine Bombe vor dem Haus eines baskischen Industriellen. Das Ganze fand in der Nacht statt. Hier wurde darauf geachtet, dass keine Menschen zu Schaden kamen. Seit Januar gab es im Baskenland elf Anschläge, die sich alle gegen Firmeneigentum oder die Häuser der Besitzer richteten. Die Eta bekannte sich in einer Erklärung zu ihren Erpressungen und schrieb, dass sich die Betroffenen geweigert hätten, Geld für die »Befreiung des Baskenlandes« zu geben.

Eine Woche vor der Bombe in Madrid hatte das Parlament beschlossen, der Eta Verhandlungen anzubieten. Im Gegenzug sollte sich die Separatistentruppe auflösen. »Heute ist der Rechtsstaat schlagkräftiger als jemals zuvor. Die Konsequenz aus der Stärke des Rechtsstaats ist die Schwäche der Eta, auch wenn sie weiter Attentate verübt. Für die Eta kann es nur ein Ziel geben: sich selbst aufzulösen und die Waffen abzugeben«, heißt es in dem Parlamentsbeschluss.

Auch wenn die rechte Opposition nun das Vaterland bedroht sieht, weil überhaupt die Möglichkeit erwogen wird, mit der Eta zu verhandeln, ist für die Truppe der Parlamentsbeschluss kein ernsthaftes Verhandlungssangebot, sondern schlicht eine Aufforderung zur Kapitulation. Und darauf wird dann eben mit einer Mischung aus Düngemittel, Schwefel und Zucker geantwortet, den Zutaten des klassischen Eta-Sprengstoffs Cloratit.