»Wir stehen links von der Mitte«

Ein Gespräch mit klaus ernst vom Bundesvorstand der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit über das linke Wahlbündnis und den Kampf gegen den Sozialabbau

Sie haben kürzlich im Neuen Deutschland gesagt, die PDS solle von ihrem hohen Ross herunterkommen. Petra Pau von der PDS meinte dagegen in der vorigen Woche in der Jungle World, niemand solle auf ein hohes Ross hinaufsteigen. Ist die Stimmung schlecht in den Verhandlungen zwischen der Wahlalternative und der PDS?

Die Stimmung ist sehr gut.

Drei ostdeutsche Landesverbände der Wahlalternative, der in Mecklenburg-Vorpommern, der thüringische und der sächsische, haben den »sofortigen Abbruch« der Verhandlungen mit der PDS gefordert.

Die haben sich nicht richtig darüber informiert, wie unsere Parteitagsbeschlüsse lauten. Wir haben einen Verhandlungsauftrag des Parteitags, und den erfüllen wir. Beide an den Verhandlungen beteiligten Parteien gehen mit großem Respekt für die Problematik der anderen Seite an diese Dinge heran.

Man hört auch andere Töne, vor allem aus Berlin. Der Landesvorsitzende der PDS, Stefan Liebich, hat die Wasg als »Gurkentruppe« bezeichnet, Petra Pau meint, die Wasg habe sich in Berlin gegen die PDS gegründet und den rot-roten Senat ablösen wollen.

In Berlin wollte die Initiative Volksbegehren den Senat kippen. Viele der daran beteiligten Aktivisten sind auch bei uns eingetreten. Aber wir haben als Bundesvorstand der Wasg immer die Haltung vertreten, dass unsere Ziele bundespolitischer Art sind. Uns geht es vor allem um die Erhaltung des Sozialsystems. Insofern ist der Konflikt in Berlin regional begrenzt. Er spielt in den Verhandlungen, die wir jetzt führen, keine Rolle.

Warum lehnen Sie es ab, dass Mitglieder der Wahlalternative auf offenen Listen der PDS kandidieren?

Die PDS ist im Westen nie angekommen, sie gilt dort als reine Ostpartei. Wir haben die Wasg gegründet, weil wir wussten, dass es mit der PDS im Westen nicht funktioniert. Nur ein Anschluss an die PDS würde das Problem nicht lösen, dass die PDS in der Wahrnehmung der Bundesbürger eine Ostpartei bleibt.

Teile der PDS sind überzeugt, dass sie die Fünfprozenthürde auch ohne die Wasg bewältigen.

Diese Stimmung gibt es ja auch bei uns, wenn Sie die Resolution aus den neuen Ländern ansehen. Wir schließen auch nicht aus, dass dies funktionieren könnte. Aber in der jetzigen politischen Situation, in der wir auf einen Bundestag ohne Opposition zusteuern, ist es mir lieber, wir gehen einen sicheren Weg als einen, der mit Fragezeichen behaftet ist.

Sowohl die Wasg als auch die PDS reden gerne von der »neoliberalen Einheitspartei«, die von der CDU bis zu den Grünen reiche. Aber gibt es nicht auch eine »Einheitspartei der Arbeit«? Sie tragen den Begriff im Namen, Angela Merkel fordert eine »Agenda Arbeit«.

Was Merkel will, unterscheidet sich völlig von dem, was wir wollen. Stoiber sagt: »Sozial ist, was Arbeit schafft.« Wenn das stimmt, wäre das alte Rom ein Sozialstaat gewesen.

Wir unterscheiden uns prinzipiell davon. Es geht darum, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und nicht die Arbeitslosen. Insbesondere durch eine Steigerung der Nachfrage wollen wir wieder mehr Leute in Arbeit bringen. So könnten die Sozialsysteme wieder finanzierbar werden. Auch die Kosten für die Arbeitslosigkeit würden sinken. Das Sozialsystem braucht keine Hungerkur, sondern ein Fitnessprogramm. In dieser Frage gibt es nicht die geringste Affinität zur CDU.

Braucht man nicht, etwa aufgrund der Rationalisierungsprozesse, immer weniger Beschäftigte, um das gleiche Bruttosozialprodukt oder sogar ein größeres herzustellen?

Uns geht doch nicht die Arbeit aus. Unser Bildungssystem krankt, wir haben nicht mehr den Standard, den wir schon mal glaubten zu haben. Wir haben in diesem Bereich einen großen gesellschaftlichen Bedarf, das ist Arbeit, die geleistet werden muss. Unsere Infrastruktur muss dringend überholt und verbessert werden. Wir haben einen großen Bedarf im Gesundheitssystem, in der Pflege. Wir wissen, dass Ärzte und Pflegepersonal in einer Art und Weise überlastet werden, dass es eigentlich für die Beschäftigten und die Patienten unzumutbar ist. Das sind nur ein paar Beispiele dafür, dass Arbeit gebraucht wird. Nur weil gegenwärtig eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht oder ein großer Rationalisierungsdruck in der Produktion vorhanden ist, heißt das noch nicht, dass der Gesellschaft die Arbeit ausgeht.

Es gibt bereits Erfahrungen mit linken Bündnissen jenseits der SPD. Was garantiert dem Wähler, dass es mit der Wahlalternative nicht ähnlich verläuft wie mit den Grünen, dass sich die Wahlalternative nicht auch dem Sachzwang und den Anpassungsmechanismen des Parlamentarismus hingibt?

Die Grünen sind angetreten mit einem Programm, das insbesondere die Themen Umwelt und Frieden in den Vordergrund gerückt hat. Heute gibt es keine Partei, die nicht das Thema Umwelt behandelt. Das ist ein Erfolg der Grünen. Ich wäre froh, wenn es uns gelingen würde, Themen wie die Gestaltung der Sozialsysteme und die Arbeitslosigkeit in den nächsten zwanzig Jahren so in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte zu bringen, wie es die Grünen mit ihren Themen geschafft haben.

Aber nichts garantiert uns, dass dies so kommt. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir nicht aus irgendwelchen Gründen vorschnell Haltungen aufgeben, um irgendwelche Pöstchen zu erringen.

Schwächt die Arbeit für den Einzug der Wahlalternative in den Bundestag nicht den Widerstand gegen den Sozialabbau auf der Straße?

Soziale Bewegungen finden statt ohne die Partei und mit der Partei. Wir glauben aber, dass sie mit der Partei erfolgreicher sein werden. Die sozialen Bewegungen werden mit einer solchen Partei ihre Möglichkeiten der politischen Einflussnahme verstärken, die Partei hingegen ist auf den Widerstand auf der Straße angewiesen, um erfolgreich zu sein, weil sie alleine im Parlament auch nicht viel verändern kann.

Aber das kennt man doch von den Grünen. Sie sprachen anfangs auch von einem parlamentarischen und einem außerparlamentarischen »Standbein«. Von dem letztgenannten ist inzwischen nichts mehr zu sehen.

Das müssen Sie mit den Grünen diskutieren.

Aber was lässt mich hoffen, dass es mit der Wasg anders kommt?

In dem Moment, da wir uns genauso verhalten wie die Grünen, sind wir überflüssig.

Wie links ist eigentlich die Wasg? Sie haben sich vor der Nürnberger Delegiertenkonferenz im Herbst von »Sektierern« abgegrenzt und gesagt, nicht jede Gruppe, die ihre Versammlung in einer Telefonzelle abhalten könne, solle Einfluss in der Wasg gewinnen.

Wir müssen uns in der Mitte des fortschrittlich-demokratischen und damit linken Spektrums positionieren und nicht am Rande. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn es uns gelingt, dass man uns in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als linke Sektierergruppe begreift. Wir wollen nicht in die Mitte der Gesellschaft, da wollen ja alle hin. Wir stehen links von der Mitte.

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer hat davor gewarnt, das Wahlbündnis könne die Linke spalten.

Die Linke ist längst gespalten. Man kann die SPD ja nicht mehr als links bezeichnen. Das ist eine ganz normale, neoliberale, bürgerliche Partei. Sehr viele Leute haben diese Partei bereits verlassen oder wurden ausgeschlossen. Die Politik, die keine sozialdemokratische ist, hat diese Partei gespalten.

interview: stefan wirner