»Der Kanzler hat entschieden«

Ein Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten klaus barthel (spd) über die Neuwahlen, den Wahlkampf der SPD und Hartz IV

Was wird auf den nächsten Wahlplakaten der SPD stehen: »Agenda 2010 nachjustieren«? »Hartz IV abmildern«?

Nein, wir können keinen Wahlkampf führen, der sich in die Vergangenheit richtet. Für die Wählerinnen und Wähler müssen Ziele und Projekte erkennbar sein. Zum Beispiel geht es um die Fragen Bürgerversicherung versus Kopfpauschale, die Einkommen sichern contra Lohnabbau durch betriebliche Bündnisse und Arbeitszeitverlängerung. Es muss eine klare Polarisierung geben, und es muss deutlich werden, dass wir in der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht eine einfaches »Weiter so« propagieren.

Wie wollen Sie es schaffen, dass die Menschen das der SPD abnehmen? Gerade in der Frage der sozialen Gerechtigkeit sind die Zweifel an der SPD wegen Hartz IV ja immens.

Meine kritische Haltung dazu ist bekannt. Ich stand da ja auch nicht allein. Gleichzeitig wäre eine pauschale Verteufelung der Arbeitsmarktreformen falsch. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, der Versuch, das Ganze zu entbürokratisieren, die Vermittlung in den Mittelpunkt zu stellen und die Behörden zusammenzufassen, das alles ist durchaus sinnvoll. Dazu müssen wir auch stehen. Die Frage ist nur, ob wir bereit und in der Lage sind, an den Punkten, an denen sich jetzt herausstellt, dass es entweder nicht funktioniert oder zu großen sozialen Härten führt, zu korrigieren. Wir werden auch daran erinnern müssen, was ja leider von der Regierung versäumt worden ist, welche sozialen Härten der Hartz-Gesetze uns von der Union aufgezwungen worden sind. Wenn ich etwa daran denke, dass die Menschen gezwungen werden sollen, auch untertariflich bezahlte Arbeit anzunehmen.

Wie ist es mit dem Umstand, dass Menschen, die vielleicht zwanzig Jahre gearbeitet haben, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit wegen Hartz IV gezwungen sind, große Teile ihres Ersparten zu verbrauchen?

Das war ja einer der Punkte, die in der Partei am meisten umstritten waren. Das Ergebnis war, diese Regelung erst später in Kraft treten zu lassen, den Evaluierungsprozess zu beobachten und Schwächen und Ungerechtigkeiten herauszufiltern. Dazu wird es vom Ombudsrat einen Bericht geben. Wir haben versprochen, und dazu steht auch Franz Müntefering, dass es dann auch entsprechende Korrekturen geben wird. Der Druck in Partei und Fraktion wächst derzeit enorm.

War es wirklich ein »Coup« von Gerhard Schröder, angesichts derart schlechter Umfrageergebnisse Neuwahlen zu verkünden?

Ich würde mich weniger an Umfragen orientieren. Aus den inhaltlichen Gründen hätten wir es alle besser gefunden, man hätte in Ruhe die Korrekturen von Hartz IV beraten und durchführen können. Man hätte auch zeigen können, in welchen Fragen da der Bundesrat blockiert. Aber der Kanzler hat anders entschieden. Es hat keinen Sinn, darüber zu philosophieren. Die SPD muss jetzt die Entscheidung suchen.

Was halten Sie denn von der Darstellung des Spiegel, dass Schröder die Neuwahlen ankündigte, um einem Putsch der Linken in der SPD zuvorzukommen?

Es ist ja offensichtlich, dass es Kräfte gibt, die versuchen, die SPD auseinanderzutreiben und an irgendwelchen Dolchstoßlegenden stricken. An solchen Diskussionen will ich mich nicht beteiligen. So soll die SPD nur dauerhaft in eine große Koalition hineingetrieben werden.

Ist das linke Wahlbündnis der PDS und der Wahlalternative eine Gefahr für die SPD?

Weder Gregor Gysi noch Oskar Lafontaine sind geeignet für eine dauerhaft strategisch ausgerichtete Politik. Immer wenn sie hätten Verantwortung übernehmen sollen, sind sie abgehauen. Ich glaube nicht, dass sie in der Lage sind, eine Partei zu führen. Aber entscheidend wird sein, ob es die SPD schafft, ihre Mitglieder und ihre Wähler zusammenzuhalten, ob sie bereit ist, eine offensive Auseinandersetzung mit den Konservativen zu führen, die Rolle des Bundesrats deutlich zu machen und zu zeigen, dass man von einem bestimmten Verständnis von Reformen wieder wegkommen muss.

interview: stefan wirner