Neue Werte

Auseinandersetzung mit dem Rassismus in den USA von william hiscott

Es waren nur wenige Senatoren anwesend, denn die Erklärung wurde mitten in der Nacht verlesen, und statt durch eine Abstimmung wurde sie per Akklamation angenommen. Immerhin war es eine symbolische Geste, dass der US-Senat sich dafür entschuldigte, nie ein Antilynchgesetz verabschiedet zu haben. Damit sollte ein besonders trauriges Kapitel der institutionell rassistischen Vergangenheit dieser Kammer abgeschlossen werden.

Zwischen 1880 und 1960 wurden fast 5 000 Afroamerikaner in den Südstaaten der USA vom weißen Mob gelyncht. Dreimal zwischen 1920 und 1940 verabschiedete das US-Abgeordnetenhaus Antilynchgesetze, doch alle drei scheiterten im Senat am Widerstand einiger Abgeordneter aus den Südstaaten.

Oftmals wurden die Opfer des Lynchmobs unter den Augen der staatlichen Behörden und vor hunderten Schaulustigen aufgehängt. Auch wer Afroamerikaner oder Bürgerrechtler angriff, konnte in den Südstaaten auf die Komplizenschaft von Polizei und Justiz zählen. Einer der spekatulärsten Mordfälle wurde in der vergangenen Woche neu aufgerollt. Edgar Ray Killen, ein ehemaliges Mitglied des Ku-Klux-Klan und Pfarrer aus Mississippi, kommt erneut vor Gericht. Dem 81jährigen Killen wird vorgeworfen, 1964 den Mord an einem schwarzen Aktivisten aus der Region und zwei weißen Bürgerrechtlern aus New York organisiert zu haben. 1967 endete sein Prozess wegen des Widerstands einer einzigen Geschworenen mit einem Freispruch.

Zudem dürfen Staatsanwälte nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Geschworene in Zukunft nicht mehr anhand des Kriteriums »race« auswählen. Damit dürfte beispielsweise die teils noch übliche Praxis, Schwarze nicht in einen Geschworenenkreis aufzunehmen, wenn der Beschuldigte auch schwarz ist, endlich beendet werden.

Der US-amerikanische Staatsapparat scheint auf die von den modernen Konservativen um Präsident George W. Bush kommenden Forderungen nach einem anderen Umgang mit der schwarzen Bevölkerung zu reagieren. Dabei stellt sich der neue Konservatismus als eine Staatsideologie dar, die nur gute und schlechte Amerikaner kennt. Anders als in der traditionellen konservativen Ideologie sollen Rassenkonstruktionen nicht mehr der Maßstab sein, der Freund und Feind unterscheidet. Vielmehr zählen »moral values«, gemeinsame Werte, allen voran der religiöse Glaube, der Patriotismus und der kapitalistische Unternehmungsgeist.

Die Farbenblindheit der neuen Konservativen bedeutet allerdings nicht nur Integration der Schwarzen. Wenn das Kriterium »race« keine Rolle mehr spielt, kann geleugnet werden, dass es eine historisch gewachsene schwarze Unterschicht gibt. Armut gilt als individuelles Versagen. Dass es einen indirekt wirkenden institutionellen Rassismus gibt, kann weitgehend ignoriert werden.

Noch aber ist unklar, ob sich Bushs moderner Konservatismus gegen den weiterhin auch in der Republikanischen Partei präsenten Rassismus der Konservativen alter Schule durchsetzen kann. Etwa ein Dutzend republikanische Senatoren vornehmlich aus dem tiefen Süden hat sich von der Entschuldigung des Senats distanziert. Drei Hardliner im Obersten Gericht haben für den weiteren Gebrauch »rassischer« Kriterien bei der Auswahl von Geschworenen gestimmt. Und sicherlich nicht wenige weiße Rassisten in den Südstaaten sehen in Killen einen Helden, der sich damals gegen »aufmüpfige Schwarze« und »jüdische Nordstaatler« wehrte.