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Skandal um Schwedensex

Ikea. Infolge der Werbespots von Ikea weiß die Welt inzwischen so einiges über die lustigen Sitten und Bräuche der Schweden. Zum Beispiel dass sie ihre Tannenbäume im Januar einfach aus dem Fenster werfen oder sich Lampenschirme auf den Kopf setzen. Außerdem feiern sie regelmäßig ihr Mittsommernachtsfest und stellen dazu Tische und Stühle in den Garten, die »Kloffsta« und »Invik« heißen. Es gibt leckeren Erdbeerkuchen, und irgendwann fassen sich blonde Männer, Frauen und Kinder bei den Händen und tanzen im Kreis herum. So war das bisher.

In einem brandneuen Spot geht es deutlich ruppiger zu, und prompt wurde die Ausstrahlung in Deutschland gestoppt, weil viele Schweden ihr traditionelles Mittsommernachtsfest beleidigt wähnen. Schließlich wird in dem neuen Spot nicht mehr Fruchtbowle aus hübschen Karaffen geschlürft, man gießt sich stattdessen den Schnaps aus Kanistern hinter die Binde. Sturzbetrunkene Männer hüpfen wie Frösche im Kreis herum, bewerfen sich gegenseitig mit Essen oder stürzen sich auf halbnackte Blondinen. Höhepunkt der schwedischen Orgie: Man treibt es auf einer mit der Nationalflagge bedeckten Motorhaube eines Volvo. Dazu die Stimme aus dem Off: »Zum Glück haben wir nur das Beste vom schwedischen Mittsommerfest importiert – die wahnsinnig niedrigen Preise.«

Für viele Schweden hörte der Spaß damit eindeutig auf. Nachdem die Tageszeitung Svenska Dagbladet über die deutsche Ikea-Werbung berichtet und die drei Filmchen ins Internet gestellt hatte, war die Empörung so groß, dass die Firmenzentrale in Schweden der deutschen Ikea-Tochter die Ausstrahlung untersagte. Da half auch der Hinweis des Pressesprechers von Ikea-Deutschland nichts, dass der Spot ironisch gemeint sei. Zu der Kampagne gehört auch Radiowerbung, über deren Ausstrahlung noch nicht entschieden ist. Darin werden Anekdoten erzählt wie diese: »Ein Wildschwein sollte geschlachtet werden, doch im letzten Augenblick entdeckte man, dass es der Förster Sune war.« (her)

Kreuzberg bleibt ruhig

Orhan Pamuk. Gemeinhin geraten türkische Medien und mit ihnen ein guter Teil der Landsleute ganz aus dem Häuschen, wenn einer der ihren eine internationale Auszeichnung gewinnt. Ob der Preis im Fußball, in einem Schlagerwettbewerb oder im Sackhüpfen verliehen wird – kein Anlass ist zu nichtig, um die Größe der Türken herauszukrakeelen und dabei doch nur den kollektiven Minderwertigkeitskomplex zur Schau zu stellen. Als in der vorigen Woche bekannt wurde, dass der Friedenspreis des deutschen Buchhandels an den Romancier Orhan Pamuk verliehen werden soll, blieben die schrill-stolzen Schlagzeilen jedoch ebenso aus wie die lärmenden Autokorsos durch Berlin-Kreuzberg.

Im Gegenteil, den meisten türkischen Zeitungen war die Sache nicht die kleinste Notiz wert. Dabei ist es erst wenige Monate her, dass Pamuk im Blickpunkt der türkischen Medien stand. Nachdem er Anfang des Jahres in einem Interview mit einer Schweizer Zeitung die Verdrängung des Massenmords an den Armeniern kritisiert hatte, folgten eine wutschnaubende Medienkampagne und Strafanzeigen wegen Landesverrats. Aus einigen Bibliotheken wurden seine Bücher entfernt, und mancher munkelte, Pamuk wolle sich im Ausland beliebt machen, um eines Tages den Nobelpreis einzustreichen.

Er habe »ein Werk geschaffen, in dem Europa und die muslimische Türkei zusammenfinden«, heißt es in der Begründung des Börsenvereins, der – nach der Preisverleihung an Yasar Kemal 1997 – schon zum zweiten Mal einen türkischen Autor auszeichnet.

Dass allzu innige Sympathiebekundungen für das »Türkische« böse Folgen haben können, kann man in Pamuks noch nicht ins Deutsche übersetztem autobiografischen Essay »Istanbul« nachlesen: »Die Reisenden aus dem Westen liebten es, in Istanbul die nicht westlichen, ›exotischen‹ Dinge zu beobachten und zu beschreiben. Die westliche Strömung, die die Stadt beherrschte, nahm dies stets zum Anlass, all diese Eigenschaften, Einrichtungen und Traditionen als hinderlich für die Verwestlichung zu werten und innerhalb kurzer Zeit zu beseitigen.«

Nach und nach seien die Janitscharen, die Derwische, die arabische Schrift, die osmanische Kleidung, schließlich die Lastträger und die alten amerikanischen Autos verschwunden. Nicht dass Pamuk ein ähnliches Schicksal zu befürchten hätte, aber sicherheitshalber sollte man ihn endlich als großartigen Romancier wahrnehmen, nicht als Ingenieur für Brückenbau oder Sondergesandten für Beitrittsfragen. (dy)