Die Jäger des roten Schweins

In Italien ist eine rechte Privatpolizei aufgeflogen, die sich als »Abteilung für Antiterrorstudien« bezeichnete. Im Mai gewährte Berlusconi einem ihrer Chefs eine Audienz. von egon günther

Dass es in Italien neben den offiziellen Organen immer wieder freiwillige Hilfspolizeitruppen zur Bekämpfung des Terrorismus gab, ist ein alter Hut. Anfang Juni verkündete die Genueser Staatsanwaltschaft nun offiziell, dass eine selbst ernannte Abteilung für strategische Antiterrorstudien, Departimento Studi Strategici Antiterrorismo (DSSA), existiere, die den islamistischen Terrorismus im Visier habe. Die beiden Anführer, Gaetano Saya und Riccardo Sindoca, wurden unter Hausarrest gestellt.

Bereits im November 2001 hat der im französischen Exil lebende italienische politische Flüchtling Enrico Porsia auf die »Grauhemden« hingewiesen, die in so genannten Reparti di Protezione Nazionale, in nationalen Schutzstaffeln, organisiert seien und sich mit ihrer grauen Uniform einen militärischen Anstrich gäben. Ihr Anführer war bereits damals Saya, der erklärte Parteichef der Destra Nazionale (Nationale Rechte), einer Nachfolgepartei des Movimento Sociale Italiano (MSI), der faschistischen Sozialbewegung des Führers Giorgio Almirante. Saya rühmte sich im Internet seiner guten Verbindung zu Licio Gelli, dem Großmeister des Geheimbundes Propaganda Due (P2). Er warb auch für eine eigene Truppe, mit der er im Namen der geheiligten Maximen von »Gott, Vaterland und Familie« an das im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion gebildete Nato-Netzwerk »Stay Behind« anknüpfen wollte.

Der Unternehmer Licio Gelli beabsichtigte mit seiner Ende der sechziger Jahre gegründeten und 1981 aufgeflogenen P2, anstelle der Inszenierung eines unmittelbaren Putsches zur Errichtung eines autoritären Systems einen schleichenden Staatsstreich durchzuführen. Womit letztlich dasselbe Ziel erreicht werden sollte. Zu diesem Zweck suchte er führende Persönlichkeiten der italienischen Gesellschaft zu gewinnen, darunter auch Geheimdienstmitglieder, Faschisten und Armeeangehörige. Ihre Namen verzeichnete er auf einer berüchtigten Liste, der gegenwärtige Ministerpräsident Silvio Berlusconi etwa wurde unter der Nummer 1816 geführt.

»Stay Behind« nannte sich in Italien »Gladio« (Schwert) und war eine zunächst in anderen europäischen Ländern bestehende und erst später auch in Italien gebildete und operierende Geheimorganisation aus militärisch trainierten Vaterlandsverteidigern. Jeder parlamentarischen Kontrolle verborgen, sollten diese im Falle einer sowjetischen Invasion Widerstandsnester bilden und dabei überall auf versteckte Waffendepots zurückgreifen können. Strukturen und Waffen der italienischen Gladio-Guerilla wurden dann aber in den siebziger Jahren von Rechtsterroristen zur Durchführung von Attentaten in Anspruch genommen.

Nach der Auflösung der Sowjetunion scheint bei den Gladio-Nachfolgern der Destra Nazionale nun die Angst vor einer »islamistischen Invasion« gegenüber der vor einer »kommunistischen Gefahr« zu überwiegen. Nach dem 11. März 2004, dem Tag des von Jihadisten in Madrid verübten Massakers, gründeten die Anführer der Destra Nazionale den DSSA. Zugleich deckten die Rekruten der nationalen Schutzstaffeln, darunter vorwiegend Polizisten, Gefängniswächter und Carabinieri, angebliche Sicherheitsmängel am Mailänder Flughafen Linate auf und machten islamische Metzgereien im Hinterland Mailands als verdeckte Moscheen oder Treffpunkte für Fundamentalisten aus. Bei ihrer Schnüffelei in der muslimischen Gemeinde und in Immigrantenlagern wiesen sie sich als Polizisten einer Antiterror-Einheit aus.

Die strategische Abteilung der Schutzstaffeln rühmte sich zunächst auch, dass der vor einem Jahr in Bagdad von Jihadisten hingerichtete Fabrizio Quatrocchi, ein für einen privaten Sicherheitsdienst arbeitender Söldner, in ihrem Auftrag im Irak gewesen sei. Die Ermittlungen der Staatsanwälte über das Umfeld der im rechten Milieu beheimateten italienischen Söldner im Irak führte dann Anfang Juni zur offiziellen Enthüllung der Existenz einer Privatpolizei, zum Hausarrest für ihre Anführer und zu Hausdurchsuchungen in ganz Italien.

In ihrem freiwilligen Kampf gegen den Terrorismus, der in diesen Tagen mit Carlo Taormina, einem Abgeordneten der Forza Italia, einen gewichtigen Fürsprecher fand, haben die rechten Saubermänner die »kommunistische Gefahr« dennoch nicht völlig vernachlässigt. Im September 2004 wähnten sie nämlich den von den italienischen Behörden gesuchten Kriminalschriftsteller Cesare Battisti auf Korsika und erwogen, ihn nach Italien zu entführen. 1987 ist Battisti in Italien in einem umstrittenen Prozess in Abwesenheit wegen zweier Morde verurteilt worden, die am gleichen Tag innerhalb einer knappen halben Stunde in Mailand und Mestre bei Venedig verübt worden sind.

Jahrelang weigerten sich die Franzosen, Battisti an Italien auszuliefern. Doch Ende Juni 2004 entschied ein Pariser Gericht, dem Auslieferungsersuchen stattzugeben. (Jungle World, 11 und 37/04) Seitdem ist das ehemalige Mitglied der »Bewaffneten Proletarier für den Kommunismus«, das inzwischen sogar zum Ehrenbürger von Paris ernannt wurde, untergetaucht. In den von der »echten« Polizei abgehörten Gesprächen über das ehrgeizige Entführungsprojekt nannten ihn die »falschen« Polizisten der Schutzstaffeln das »rote Schwein« oder, nach dem Kürzel für die Roten Brigaden (BR), »Herrn Bruno Rossi«.

Mag das Vorhaben der selbst ernannten Sicherheitswächter auch bereits im Ansatz gescheitert sein, ist es dennoch verfehlt, das Ganze als abgedrehte Spinnerei von rechtsextremen Hanswursten abzutun, über die man nicht groß zu reden braucht. Denn dem Chef dieser »Spinner«, Gaetano Saya, hat Silvio Berlusconi noch am 12. Mai im römischen Hotel Excelsior eine Audienz gewährt. Dem Vernehmen nach ging es bei dem Treffen um den möglichen Einzug der Nationalen Rechten in das »Haus der Freiheiten«, wie sich das Wahlbündnis des »blauen Ritters« nennt.

In der »Gesellschaft des Spektakels« (Guy Debord) ist aber das, worüber man drei Tage lang nicht mehr in der Öffentlichkeit diskutiert, wie etwas, das es nicht gibt. Genau so verhielt es sich beispielsweise Ende der achtziger Jahre mit der ominösen »Falange Armata«, die nach jedem Überfall der so genannten (Fiat-)Uno-Bianca-Bande, die in der Region Emilia-Romagna blutige und willkürlich anmutende Verbrechen verübte, die Verantwortung dafür übernahm. Die Bande bestand im Kern aus Polizisten der Bologneser Einsatzzentrale und auf ihr Konto gingen insgesamt 24 Tote und 102 Verletzte.

Wenn Innenminister Giuseppe Pisanu nun einer Verschärfung der Anti-Terror-Gesetzgebung das Wort redet, haben die Schutzstaffeln wieder einmal ihr Scherflein dazu beigetragen.