Öl und Islamismus exportieren sich gut

Der neue iranische Präsident kann sich über ein gut gefülltes Staatssäckel freuen. Dem Waffenkauf und dem Raketenbau steht nichts im Wege. von wahied wahdathagh

Gegenwärtig sind die Staatseinnahmen des Iran so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. Der Grund dafür sind die steigenden Gewinne aus dem Ölgeschäft. Anfang Juli kostete ein Barrel Erdöl den Rekordpreis von über 60 Dollar. Beliefen sich die Einnahmen im Jahr 1997 auf rund 18 Milliarden Dollar, betrugen sie im vergangenen Jahr 36 Milliarden Dollar. Bijan Namdar, der iranische Ölminister, geht davon aus, dass das Pro-Kopf-Einkommen in den nächsten Jahren auf 10 000 Dollar im Jahr steigen könnte. Der neue Präsident Mahmoud Ahmadinejad übernimmt also in einer Zeit die Regierungsgeschäfte, in der die Ayatollahs auf gut gefüllten Kassen sitzen.

Zugleich ist die iranische Gesellschaft in den vergangenen 26 Jahren immer mehr verarmt. Den größten Teil der Staatseinnahmen verbraucht der Gottesstaat für den Kauf von Waffen und den Bau von Atomkraftwerken. Im März beklagten 565 iranische Intellektuelle in einem offenen Brief, dass das Einkommen pro Kopf gegenwärtig um 494 Dollar, also um 30 Prozent, geringer ausfällt als im Jahr 1978. Es ist davon auszugehen, dass auch nach der Wahl Ahmadinejads, der soziale Verbesserungen ankündigte, die Armen im Iran weiter arm bleiben werden.

Puritanisch wie Khomeini hatte er vor der Wahl strengere Sitten und Disziplin, also eine stärkere Repression, gefordert. In der vorigen Woche bekamen dies Studenten und Schüler bereits zu spüren. In Zivil gekleidete Sicherheitsbeamte drangsalierten rund um den sechsten Jahrestag der Zerschlagung der Studentendemonstrationen junge Menschen. Schulen und Universitäten sollen in Zukunft noch stärker kontrolliert und überwacht werden. Gleichzeitig will Ahmadinejad die Jugendlichen für seine Ideale gewinnen. »Die Jugend ist der starke Motor für die Entwicklung des Iran. Die Führung des Landes war bisher zu unflexibel und konnte nicht die gesamte Kapazität und Macht dieses Motors nutzen«, sagte er vor der Wahl. Ahmadinejad hat bereits angekündigt, die Jugend, die Frauen und die Gesellschaft vollständig zu »islamisieren«. In Zukunft soll wieder verstärkt auf die Kleiderordnung, d.h. auf die Zwangsverschleierung der Frauen geachtet werden.

Erfahrungen mit der Islamisierung der Gesellschaft hat er schon zu Beginn der iranischen Revolution gesammelt. Als Student beteiligte er sich am Kampf gegen Linke und Liberale in den Universitäten. Zudem gibt es Indizien dafür, dass er als Bote Khomeinis die islamistischen Studenten bei der Geiselnahme von 55 US-amerikanischen Botschaftsangestellten unterstützte. Er wird auch beschuldigt, an staatsterroristischen Aktivitäten teilgenommen zu haben. Das österreichische Innenministerium wirft dem neuen iranischen Präsidenten vor, an der Ermordung von Abdul Rahman Ghassemlou beteiligt gewesen zu sein. Ghassemlou war ein Politiker der Demokratischen Partei Kurdistans. Er wurde im Jahr 1989 in Wien von islamistischen Attentätern ermordet. Die österreichische Regierung hat jedoch die Akte Ahmadinejad wieder geschlossen, da die Beziehungen mit dem Iran nicht aufs Spiel gesetzt werden sollen.

Ahmadinejad selbst hat den Kampf nie aufgegeben. Als er noch Bürgermeister von Teheran war, drohte er seinem Berliner Amtskollegen Klaus Wowereit, falls dieser das Anbringen einer Gedenktafel für die Opfer des Mykonos-Attentats zulasse, werde er eine Gedenktafel in Teheran installieren lassen. Darauf würden die Namen der Länder aufgeführt, die dem Regime von Saddam Hussein Technologie zur Herstellung chemischer Waffen geliefert haben. Die Gedenktafel wurde dennoch in der Prager Straße Berlins angebracht, wo 1992 vier Mitglieder der demokratischen Partei Kurdistans von iranischen Geheimdienstangehörigen erschossen worden waren.

Als Staatspräsident dürfte Ahmadinejad gegenüber der EU die beidseitig propagierte »Politik des Dialogs« weiter praktizieren, was die Probleme nicht verkleinert. Da die Europäer den Bau von Schahab-IV-Raketen kritisiert hatten, ließ die iranische Regierung die neue potenzielle Trägerrakete für Atombomben unter dem alten Namen Schahab III bauen. Das jüngste Modell mit einer Reichweite von über 2 000 Kilometern wurde inzwischen erfolgreich getestet. Diese Reichweite war ursprünglich für die Schahab IV geplant.

Auch wenn die Europäer den Dialog pflegen, ist es wohl einzig und allein der iranische Staatsklerus, der daran glauben mag, dass solche Raketen Verteidigungswaffen sind. Das transatlantische Luftabwehrprogramm Meads, an dem Deutschland bisher mit 847 Millionen Euro beteiligt ist, wurde mit Blick auf die aggressive Raketenaufrüstung des Iran in Auftrag gegeben. Diese Entwicklung stellt den gesamten Atomwaffensperrvertrag in Frage – auch Staaten wie Ägypten und Saudi-Arabien könnten nuklear aufrüsten. Bei einem Staat, der den Terrorismus unterstützt, besteht zudem die Gefahr, dass atomwaffenfähiges Material in die Hände von Terroristen gelangt.

Tatsächlich pflegt die iranische Führung gute Kontakte zur libanesischen Hizbollah. Am 11. Juni berichtete die iranische Zeitung Sharq von einer Reise des abgewählten Präsidenten Mohammad Khatami in den Libanon, wo er sich mit dem Generalsekretär der Hizbollah, Hassan Nasrallah, traf. Aus Sicht der iranischen Diktatur war die Wahl im Libanon ein voller Erfolg, denn die Hizbollah und die schiitischen Amal-Milizen konnten ihre politische Basis weiter vergrößern. In dem Artikel wird triumphierend betont, dass die Hizbollah vielleicht eine noch wirksamere Waffe gegen Israel sein könne als die iranische Atombombe. Denn der Iran und die Hizbollah handelten nach einem gemeinsamen Motto: »Tod für Israel«.

Nicht allein Ahmadinejad spricht davon, dass die islamische Revolution exportiert werden muss. Die iranische Zeitung Aftab berichtete am Donnerstag vergangener Woche, der Vorsitzende der iranischen Justizbehörden, Hashem Shahroudi, gehe davon aus, dass auch andere Länder vom Exportschlager Islamismus profitieren wollen. »Alle islamischen Länder wollen, dass unsere Ideen in ihre Länder exportiert werden.« Für ihn ist klar, dass die »Feinde den Iran vom Weg des Revolutionsexportes abbringen« wollen. Aber dies sei eine »gottgegebene Tradition«, und niemand könne ein »frommes Volk daran hindern, die Revolution zu exportieren«. Denn: »Unsere Volksherrschaft ist besser als die westliche Demokratie.«

In Anbetracht der nuklearen Aufrüstung des Iran bekommt die antizionistische Staatsideologie des Landes eine besondere Virulenz. Die totalitäre Staatsideologie des Islamismus enthält offen antisemitische Elemente. Diese kennzeichnen nicht nur die staatliche Propaganda, die zur Zerstörung Israels aufruft. Zudem unterstützt der Iran antiisraelische Terrorgruppen. Dass diese Unterstützung als legitimer Widerstand zu betrachten ist, darüber herrscht unter allen islamistischen Fraktionen im Iran Einigkeit.