SS-Zombies auf Kuba

»Freedom Force vs. The 3rd Reich« verquirlt Geschichte zu einem wüst-großartigen PC-Game. von kay sokolowsky

Es gibt primitive Computerspiele, langweilige, sadistische, suchterregende und vielleicht. einmal im Jahr ein atemberaubendes. Mit »Freedom Force vs. The 3rd Reich« wird eine neue Bewertungskategorie für Computerspiele nötig: hirnschwurbelig bzw. tollwütig resp. präadoleszent-postmodern. Nie zuvor war ein Game so komplett durchgeknallt, so infantil und abgefeimt zugleich. Und selten zuvor ist so deutlich geworden, wie vollkommen wurscht alle politischen, ideologischen und moralischen Dichotomien der Vorglobalisierungsepoche geworden sind, seit metakorrupte Figuren wie Joschka Fischer, Tony Blair und Barbara Salesch sich dicke tun und den Restdiskurs bestimmen.

Die Weltgeschichte laut »Freedom Force vs. The 3rd Reich« sieht wie folgt aus: Ein außerirdischer Superdiktator wollte während des Zweiten Weltkriegs die Erde unterjochen. Sein engster Vertrauter fand das nicht so gut und ließ eine Kapsel mit mysteriöser Superenergie zur Erde hinabstürzen. Die versprühte ihren Inhalt wahllos auf gute und böse, lebende und tote Einwohner des Planeten. Nun kloppen sich die hochgeladenen menschlichen Akkus. Dann wird zwischengespeichert. Danach wird weitergekloppt.

Das klingt sehr bescheuert. Doch die Sache ist komplizierter. Denn die Bösewichte mit den Superkräften sind kommunistische Nazis bzw. Nazi-Kommunisten, die Superhelden allesamt Einwohner der Freien Welt, d. h. der U. S. of A. Deshalb heißen die einen die »Freedom Force«. Doch man wird etwas kopfweh und -weich, wenn man zu verstehen versucht, warum die anderen »3rd Reich« genannt werden wollen.

Und es wird noch komplizierter. Die guten Supermenschen waren schon gut und Supermenschen, als es die Kapsel mit Superenergie noch gar nicht gab. Die Superschurken haben den außerirdischen Stromschlag eigentlich auch nicht gebraucht. Und von dem extraterrestrischen Superdiktator kriegen wir im Lauf des Spiels eher gar nichts mit. Dafür aber von seinem verräterischen Adjutanten (der viel geschraubten Quatsch von sich gibt und ziemlich schnell nervt).

Die Spielemacher verehren sichtlich den legendären Comic-Zeichner Jack »King« Kirby. Die Supermenschen, die in »Freedom Force« auftauchen, sind ebensolche Krautwickel aus Titanenkraft und Lebenszweifel wie seine berühmtesten Schöpfungen, wie »Das Ding«, »Der Mächtige Thor« oder »Der Hulk«. Sie sehen sogar aus wie seine Figuren, vom immergleichen herzförmigen Kopf mit Atemlöchlein und hohen Wangenknochen bis hinab zu den immergleichen stempelförmigen Füßen, die in Action mindestens drei Meter weit voneinander gespreizt stehen (wobei die Männer ihr Geschlechtsteil unsichtbar in der Bauchhöhle verschwinden lassen).

Jack Kirby ist der Gottvater aller modernen Superheldencomics, der einflussreichste und auch aufregendste Trivialillustrator, den es je gab. Echte Genies wie Frank Miller (»The Dark Knight Returns«) nennen ihn, Kirby, ehrfürchtig ein echtes Genie und ihre größte Inspiration. Mindestens vier Fünftel der US-Comicindustrie leben heute von den Stilmitteln und dem, wenn man so sagen will: optischen Pathos, das Kirby erfunden hat. Man kann den »Freedom Force«-Entwicklern also gar nicht verdenken, dass sie dem großen Zeichner einen Kratzfuß erweisen wollten, als sie ihre seltsame Version einer Superheldengeschichte zusammenschraubten.

Man kann es ihnen gleichfalls schwerlich verdenken, wenn sie sich lustig machen wollen über die monströse Naivität von »King« Kirby und seinem langjährigen, kongenialen Szenaristen Stan »The Man« Lee. Als die beiden Anfang der Sechziger den Comic-Verlag Marvel im Alleingang vor dem Ruin retteten, indem sie einen Teil der realen Welt – nämlich Psychotherapie und Politik – in die wüsten Phantasien des Superhelden-Genres integrierten, veränderten sie die Popkultur der USA für immer. Allerdings kamen sie mit ihren Subversionen nur durch, weil sie keinen Ton, nicht mal eine Lautmalerei von sich gaben, um die akuten Verbrechen ihres eigenen Landes zu geißeln.

Sie sangen im Gegenteil von der Wichtigkeit, den asiatischen Kommunismus zu bezwingen – so entstand der menschliche Superroboter Iron Man –, sie erfanden lauter Schurken – wie den Mole Man oder Kang the Conqueror –, die vorzuführen hatten, was einen freien Mann unterm roten Stern erwartet: ein Fronleben wie am General-Motors-Fließband, allerdings sieben Tage die Woche und sogar nachts. Für die üblen Details der US-Realität, die sie in ihre Comics durchaus einbauten, organisierte Kriminalität z. B., Armut und Drogensucht, machten sie wahlweise, nein: wahllos Nazischurken, die Roten oder verdächtig nach Nazis bzw. Commies aussehende Aliens verantwortlich.

Die Schöpfer von »Freedom Force vs. The 3rd Reich« haben Lees und Kirbys wirre Ideologie noch überdreht. In ihrem Game ist alles eins und egal. Kein Stalin, kein Hitler ist hier für irgendwas verantwortlich, sondern ein monsterfressiges Alien, das freilich wie Adolf Stalin bzw. Josip Hitler redet und handelt. Und von einem nicht minder monsterfressigen Rudolf Heß verraten wird. Oder soll das ein ins Gute gewendeter Berija sein? Geschenkt! Die Helden wie die Schurken mit den übermenschlichen Kräften bewegen sich durch Szenarien, die kein Mensch ernst nehmen kann. Sofern dieser Mensch schon mal ein Buch über die jüngere Geschichte in der Hand hatte. Freilich hatten die Macher des Spiels schon mal so ein Buch in den Griffeln – es war dann aber auch keine Rettung. Sie spielen an auf die sowjetisch-kubanische Raketenbasis von 1962, schieben deren Errichtung aber den Nazis von ca. 1942 in die Stiefel. Kurz darauf tauchen SS-Zombies auf. Die durch die Straßen torkeln wie eine Oktober-Parade auf dem Roten Platz in den Fünfzigern. Es herrscht wirklich die blanke, strahlende Ignoranz in diesem Game.

Man könnte diesen kruden Mix und Wichs aus Kirby-Verehrung und fröhlicher Geschichtsverfälschung, diesen wüsten Scheiß, den ein paar pickelgesichtige Nerds zusammengeschmiert haben, einfach als Schwachsinn abtun. Doch dafür ist das Spiel viel zu gut gemacht.

Die Steuerung der Figuren kapieren auch blutige Anfänger sehr schnell; der Sound, die Optik und die 3D-Animation haken noch seltener als ein Kamm auf einem Glatzkopf. Und es macht richtig Spaß, in die Polygon-Hülle eines der Freiheitsmacht-Helden zu schlüpfen und zum Aufwärmen Autos durch die Gegend zu werfen oder Laternenpfähle auszureißen. Den Sinn der Sache kapiert man zwar auch beim Rumdaddeln nicht – aber das geht einem ja bei den meisten PC-Games so.

Vielleicht ist »Freedom Force vs. The 3rd Reich« so was wie die Globalisierung als Computerspiel? Blanker Irrsinn, amoklaufende Verrücktheit? Und vielleicht geht man den Spielemachern schwerst auf den Leim, wenn man diesen Stuss ernst nimmt? Schließlich nennen sie ihr Entwicklungsstudio Irrational Games. Und es gibt ja wenig Peinlicheres als einen Spielverderber. Also lieber keine Antworten auf all die offenen Fragen. Ich hab ja auch nie kapiert, womit Jack Kirbys Comic-Männer eigentlich pinkeln.

»Freedom Force vs. The 3rd Reich.« Für PC ab Pentium III 800 Mhz. USK ab 12 Jahre. Hersteller: Digital Tainment Pool. Preis: ca. 20 Euro