»Linkspopulismus ist nicht falsch«

Radikale Linke haben einen Offenen Brief an die Linkspartei geschrieben, um eine antirassistische Politik zu fordern. Ein Gespräch mit tim laumeyer,der das Schreiben mit verfasst hat
Von

Was ist der Zweck des Offenen Briefes?

Zentrales Anliegen ist, dass die Linkspartei klare antirassistische Positionen vertritt und nach dem Wahlkampf eine antirassistische Politik betreibt. Wir fordern zum Beispiel, dass sie sich für das Recht auf Legalisierung und das Recht auf Migration einsetzt und gegen Abschiebelager eintritt.

Wie kam es zu dem Bündnis der über 200 Unterzeichner?

Die Antifaschistische Linke Berlin und die Gruppe Fels haben einfach losgelegt und andere angesprochen. Es gab von Anfang an viel Zuspruch.

Kann man so tatsächlich Einfluss auf das Linksbündnis ausüben?

Ich gehe davon aus, dass es nach dem Wahlkampf tatsächlich möglich sein wird, mit der Linkspartei in einzelnen Punkten antirassistische Kampagnenpolitik zu machen.

Warum biedert sich die radikale Linke ausgerechnet jetzt einem durch und durch sozialdemokratischen Projekt an?

Was wir jetzt in Deutschland erleben, dass sich eine neue Partei herausbildet, die als einzige offensiv gegen den Neoliberalismus antritt, findet auf europäischer Ebene schon länger statt. Das ist in den heutigen Zeiten eine wichtige Voraussetzung für die Linke, um überhaupt wieder in die Offensive kommen zu können.

Gysi und Lafontaine vertreten einen nachfrageorientierten Keynesianismus. Die Kaufkraft soll gefördert, die Wirtschaft angekurbelt werden. Mit Antikapitalismus hat das nichts zu tun.

Die Erwartung ist auch nicht, dass die Linkspartei den Kapitalismus abschafft. Aber sie bietet zumindest die Möglichkeit für radikale Linke, politisch ein wenig in die Offensive zu kommen. Niemand erwartet, dass das Linksbündnis die Revolution vorbereitet, aber zumindest können sich im gesellschaftlichen Diskurs die ersten Brüche auftun, und ich finde, da sollten wir dabei sein.

Die PDS hat diese Politik schon immer vertreten. Mit Lafontaine an der Seite ist sie nicht unbedingt nach links gerutscht.

Ich finde, es ist schon eine Neuerung, dass die PDS bzw. jetzt die Linkspartei zum ersten Mal einen größeren gesellschaftlichen Diskurs bewegt. Es hat sich gezeigt, dass in solchen Umbruchsituationen Meinungen und Themen von Parteien noch relativ offen sind. Solange es keine antikapitalistische Bewegung gibt, ist die radikale Linke auf einen Interventionismus angewiesen, sie sollte dort in Erscheinung treten, wo große gesellschaftliche Konflikte stattfinden.

Gysi und Lafontaine bedienen vor allem Ressentiments gegen »die da oben«. Ihr »Antikapitalismus« ist bis ganz nach rechts anschlussfähig.

Prinzipiell finde ich einen Linkspopulismus, der relativ einfach daherkommt, nicht falsch. Für eine Umverteilung von oben nach unten einzutreten, ist ja richtig. Ich sehe nicht die Gefahr, dass die Linkspartei jetzt den neuen braunen Mob hervorruft und dieser anschließend losschlägt. Die Stimmen sind besser in der Linkspartei aufgehoben als irgendwo anders.

Ihr kommt ja aus der Antifa. Lafontaine hat gesagt, sein Ziel sei es, auch rechtsextreme Wähler einzubinden. Ist das eure neue Antifastrategie?

Rassistische Ressentiments gibt es immer und überall. Ich sehe nicht, dass der Wahlkampf der Linkspartei auf rassistischen Parolen beruht. Gysi und Lafontaine machen jetzt zwar Stimmung, aber es kommt darauf an, was nach dem Wahlkampf politisch realisiert wird. Und da sehe ich gute Chancen auch für antirassistische Positionen. Es ist ja auch nicht so, dass jetzt alle Hoffnungen auf dem Linksbündnis beruhen, sondern es ist eine Interventionsmöglichkeit neben vielen anderen. Im Übrigen finde ich es zum Kotzen, wie von den Grünen versucht wird, Gysi und Lafontaine als halbe Nazis hinzustellen, nach dem Motto, ganz links und ganz rechts sei eh dasselbe.

interview: ivo bozic

Info: www.offener-brief-an-linkspartei.de