Tretschaden! Motorbruch!

Die CDU strebt bessere Beziehungen Deutschlands zu den USA an. Ein Bruch mit der rot-grünen Außenpolitik wird dennoch nicht stattfinden. von jörg kronauer

Tretminen! Achsenbruch! Motorschaden! Kaum ist Angela Merkel aus Paris zurück, da werfen die Kommentatoren in der Presse mit den üblichen Metaphern nur so um sich. Die Kanzlerkandidatin der Union bereitet sich darauf vor, Deutschlands Position in den internationalen Verhältnissen neu zu bestimmen, sie hat zu diesem Zweck Gespräche mit der französischen Regierung geführt. Es ist Wahlkampf, da reizt solch ein hochrangiges Treffen die Medien ganz besonders.

Was wird sich ändern, sollte Merkel nach den Wahlen als Bundeskanzlerin die Leitlinien der deutschen Außenpolitik bestimmen? Die Analysen der Presse differieren, je nach der politischen Ausrichtung des Mediums. »Auch in der Außenpolitik will die Union im Falle eines Wahlsiegs alles anders machen«, teilt die Süddeutsche Zeitung ihrem Publikum mit, offensichtlich unzufrieden mit dem Motiv: »den USA zuliebe«. »90 Prozent und mehr der Politik Schröders und Fischers« könne Merkel »übernehmen«, beruhigt hingegen die Financial Times Deutschland.

Zentrales außenpolitisches Moment einer von der CDU geführten Bundesregierung wäre, darüber besteht kein Zweifel, eine engere Anlehnung an die Vereinigten Staaten. »Europa darf sich nicht als Gegengewicht zu den USA verstehen«, forderte Merkel im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Nur gemeinsam könne man die Unruhestifter in den Griff bekommen, die von Kolumbien über Afghanistan bis nach Indonesien die herrschende Weltordnung stören, lautet die Grundannahme. Allerdings verlangt die CDU einen größeren Einfluss auf die Entscheidungsprozesse. »Die USA müssen eine starke, handlungsfähige EU (...) als gleichberechtigten Partner in Sicherheitsfragen anerkennen«, sprach die Parteivorsitzende in München.

Ihr Auftritt in Paris in der vergangenen Woche legte weitere Koordinaten ihrer Außenpolitik offen. »Tretminen lauern überall«, schrieb die Frankfurter Rundschau über Merkels Aufenthalt in der französischen Hauptstadt. Tatsächlich kamen dort sensible Themen zur Sprache. »Deutschland und Frankreich müssen führen, aber sie dürfen nicht versuchen, Dominanz auszuüben«, schrieb der außenpolitische Sprecher der CDU / CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger, am Tag vor den Gesprächen seiner Parteivorsitzenden in Le Figaro. Eine offen zur Schau gestellte Machtentfaltung à la Schröder/Chirac soll es mit Merkel nicht mehr geben, auch wenn die gemeinsame Vorherrschaft in der EU – der »deutsch-französische Motor« – bestehen bleiben wird.

Die Konflikte, die zwischen einer Kanzlerin Merkel und der französischen Regierung zu Tage treten könnten, sind bekannt. Der erste beträfe die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, deren Ziel, die EU-Mitgliedschaft, die CDU-Vorsitzende auf eine »privilegierte Partnerschaft« herabstufen will. So geriete sie mit Chirac unweigerlich aneinander (übrigens auch mit der US-Regierung), könnte aber immerhin noch auf den Vorsitzenden der Präsidentenpartei UMP, Nicolas Sarkozy, hoffen. Er, der im Jahr 2007 französischer Staatspräsident werden will, spricht sich ebenfalls gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei aus. Doch auch er lehnt eine zweite Forderung der CDU ab: die Kürzung des EU-Agrarhaushalts, von dem Frankreich in hohem Maße profitiert, zugunsten der Ausgaben für Forschung und Industrie, was insbesondere der deutschen Wirtschaft zugute käme.

Der vielleicht wichtigste potenzielle Konflikt betrifft jedoch die Bündnispolitik. Die »von Bundeskanzler Schröder geschmiedete Achse Paris-Berlin-Moskau« müsse stillgelegt werden, forderte der CDU-Außenpolitiker Pflüger in Le Figaro. »Union will Achsenbruch«, titelte die Süddeutsche Zeitung, verärgert über das geplante Ende des gegen die USA gerichteten Paktes. Dabei will auch die Union weiterhin enge Beziehungen zu Russland pflegen: Von dort erhält Deutschland immerhin ein Drittel seiner Öl- und Gasimporte. »Strategische Partnerschaft ja«, hatte Merkel schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt, »aber Äquidistanz von Europa zu Russland und (...) den USA kann es nicht geben.«

Ein Ende der deutsch-russischen Sonderbeziehungen würde in Polen und anderen mittel- und osteuropäischen Staaten wohl mit großer Erleichterung aufgenommen. Gerade in Polen hat man nicht vergessen, dass eine allzu enge Kooperation seiner beiden Nachbarländer dreimal (1795, 1815, 1939) den eigenen Staat ausgelöscht hat. Die »Achse Paris-Berlin-Moskau« habe »die jungen Demokratien in Ostmitteleuropa geradezu an die Seite der USA gezwungen«, schrieb Pflüger in Le Figaro. Wo sonst hätten sie sich auch Unterstützung gegen die deutsch-russische Bedrohung suchen sollen? Freilich ist dadurch der Einfluss der Vereinigten Staaten besonders in Polen und den baltischen Ländern sehr groß geworden, und das kollidiert wiederum mit der Machtstrategie der CDU/CSU.

Die sieht nämlich vor, den deutschen Einfluss in Mittel- und Osteuropa noch stärker als bisher auszuweiten, mittels völkischer Politik. »Die deutschen Heimatvertriebenen und die deutschen Volksgruppen in Osteuropa« hätten »eine wichtige Brückenfunktion bei der Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarn«, heißt es im CDU/CSU-Regierungsprogramm. Zur Stärkung ihrer Position will die Union ein »Zentrum gegen Vertreibungen« in Berlin errichten – ein Vorhaben, das bereits zu Protesten in Polen führte. Auch in Tschechien löst die Vertriebenen-Politik der potenziellen Regierungspartei Unruhe aus, wo man die regelmäßig stattfindenden Auftritte des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) bei Veranstaltungen der Sudetendeutschen aufmerksam verfolgt.

Kontinuität zeichnet sich dagegen im Falle des Irans ab. Die Verhandlungen über das Atomprogramm des Landes sollen fortgeführt werden, verlangen die Außenpolitiker der Union bislang übereinstimmend. Wirtschaftliche Anreize könnten dabei zum Erfolg verhelfen, meinte kürzlich der Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Golfstaat, Ruprecht Polenz: »EU und USA haben dem Iran für seine Entwicklung viel zu bieten.« Auch hier spielt die Energiepolitik eine wichtige Rolle. Das Land soll in absehbarer Zukunft die Rohstoffzufuhr aus den versiegenden Nordseequellen ersetzen, die deutsche Eon AG führt bereits Gespräche über einen Einstieg in das iranische Gasgeschäft. Selbst eine Kanzlerin Merkel kann das nicht unberücksichtigt lassen.

In der China-Politik dürfte eine von der CDU geführte Bundesregierung ebenfalls keine größeren Veränderungen vornehmen. Erst im April bestätigte Angela Merkel im Bundestag, sie »teile (...) die Meinung der Bundesregierung, die – übrigens in großer politischer Kontinuität zu früheren Bundesregierungen – sagt: Wir brauchen eine strategische Partnerschaft mit China.« Zu bedeutend ist die Weltmacht im Osten, der strategische Konkurrent der Vereinigten Staaten, als dass man sie unbeachtet lassen dürfte.

Das EU-Waffenembargo allerdings wird eine Kanzlerin Merkel nicht aufheben wollen. Vor wenigen Tagen erst hat der chinesische General Zhu Chenghu erklärt, China werde sich notfalls auch mit Atomwaffen gegen einen Angriff US-amerikanischer Truppen verteidigen. Unvorstellbar für die CDU, dass dafür offiziell gelieferte deutsche Waffen zur Verfügung stehen könnten.