Ein Keks fürs Kind

Die Nahrungsmittelhilfe für den Niger läuft schleppend an. Auch andere Länder der Region sind von Hungerkrisen bedroht. von ruben eberlein

Die Ministerin für Frauenangelegenheiten und Kinderschutz im westafrikanischen Niger hatte sich diesen Fototermin sicherlich anders vorgestellt. In dem von den Médecins Sans Frontières (MSF) betriebenen Hilfszentrum in Maradi kündigte sich Zeinabou Ousmane Moulaye Mitte Juni kurzfristig zum »Tag des afrikanischen Kindes« an, berichtete die UN-Nachrichtenagentur Irinnews. Milch, Datteln und Kekse wollte die Ministerin dort einigen der 300 unterernährten Kinder schenken.

Den Auftritt verdarb ihr eine MSF-Mitarbeiterin, die gegen die Verteilung von ungeeigneter Nahrung protestierte, der Delegation zu verstehen gab, dass sie die Arbeit der Nothelfer störe, und sich mit der Ministerin einen heftigen verbalen Schlagabtausch lieferte. Die MSF hatten in den vergangenen Monaten wiederholt die Reaktionen der Regierung auf die Hungersnot im Niger scharf kritisiert. Die Helferin wurde kurz danach zurückgerufen.

Dem Land am Rande der Sahel-Zone fehlen dem World Food Programme (WFP) der UN zufolge derzeit 223 000 Tonnen an Grundnahrungsmitteln. Der Hirsepreis hat sich in den vergangenen Monaten verdoppelt. Etwa ein Viertel der zwölf Millionen Einwohner ist von Unterernährung und Hunger bedroht. Seit Mai 2005 erhöht das WFP in regelmäßigen Abständen seine Schätzungen über benötigte Gelder, momentan beläuft sich der Bedarf auf ungefähr 30 Millionen US-Dollar.

Die bislang äußerst schleppend verlaufende Bereitstellung von Finanzmitteln zieht in diesen Tagen aufgrund des wachsenden Medieninteresses an. Noch Mitte Juli hatte der UN-Sondergesandte, Jean Ziegler, die internationale Reaktion auf die Hungersnot als »absolut inadäquat« bezeichnet. »Auf diesen Eilappell zu reagieren, hat nichts mit Wohltätigkeit zu tun«, sagte Ziegler Irinnews. »Wenn ein UN-Mitgliedsstaat Schwierigkeiten hat, seine Menschen zu ernähren, haben andere Mitglieder eine juristische Pflicht zu reagieren.«

Niger bewegt sich auch in guten Erntejahren ständig am Rande einer Hungersnot. Die Heuschreckeninvasion und das zu frühe Ende der Regenzeit setzten den Kleinbauern, die die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, in dieser Saison zusätzlich zu. Vorräte und Ersparnisse sind aufgezehrt. Auch in anderen Ländern der Region – vor allem Mali und Burkina Faso – werden Hungersnöte befürchtet.

Nicht nur die MSF, sondern auch andere ständig im Land tätige NGO werfen der Regierung Nigers und den ausländischen Geldgebern vor, die kritische Lage nicht erkannt oder vertuscht zu haben. Während für die Regierung im vergangenen Jahr der Machterhalt im Zuge von Wahlen im Mittelpunkt des Interesses stand, plädierte das WFP lange gegen kostenfreie Nahrungsmittelhilfe im großen Stil, statt dessen wurden die Produkte subventioniert. »Die Situation ist ernst, doch nicht außer Kontrolle«, meinte der Direktor des WFP im Niger, Gian Carlo Cirri, noch im Juni. Vier Wochen später gab er eine veränderte Strategie bekannt: »Niger braucht heute Hilfe, nicht morgen«, hieß es nunmehr. Das WFP verdreifachte mittlerweile die Anzahl der Menschen, die kostenlose Nahrungsmittel erhalten.

Vorangegangen ist der Kehrtwende auch eine Demonstration in der Hauptstadt Niamey. Am 1. Juni forderten Tausende die Verteilung von kostenlosen Nahrungsmitteln, vor allem in den abgelegenen Gebieten des Landes, und kritisierten den Verkauf von subventionierter Hirse, die viele nicht erreicht, als unzureichend. »Die Menschen haben kein Geld mehr und könnten sterben. Die Regierung sollte nicht von ihnen verlangen zu zahlen«, sagte Moussa Tchangari, Sprecher der Democratic Coordination of Civil Society, die die Demonstration veranstaltete.