Gloria als Klingelton

Korruptions- und Wahlbetrugsvorwürfe bringen die philippinische Präsidentin in Bedrängnis. Doch die Aussichten auf eine Amtsenthebung scheinen gering. von philipp bück

Wir werden beweisen, dass die Präsidentin bei den Wahlen betrogen hat«, kündigte der Kongressabgeordnete Rolex Suplico an. »Wir werden beweisen, dass die Präsidentin öffentliche Gelder gestohlen hat.« Die Oppositionspolitiker reichten am Dienstag der vergangenen Woche die Petition für die Amtsenthebung ein, während vor dem Parlament 25 000 Menschen gegen die Prädidentin Gloria Macapagal Arroyo demonstrierten. Ein Jahr nachdem sie wiedergewählt wurde, befindet sich ihre Regierung in einer schweren politischen Krise. Die Auslöser waren zwei politische Skandale, die das ohnehin schon geringe Vertrauen der Bevölkerung auf die Präsidentin tief erschüttert haben.

In den Kampf in den politischen Gremien um ein Gesetz, das die Präsidentin bevollmächtigt, die Mehrwertsteuer ab Januar 2006 um zwei Prozent zu erhöhen, brachen Vorwürfe, dass ihr Ehemann Jose Miguel »Mike« Arroyo, ihr Sohn Juan Miguel »Mikey« Arroyo und ihr Schwager Ignacio »Iggy« Arroyo Schmiergelder von den Veranstaltern des illegalen, aber höchst populären Glücksspiels Jueteng erhalten hätten. In einer Anhörung im Senat wurden die Vorwürfe dargestellt. Die Opposition verstand es, daraus politisches Kapital zu schlagen. Mike Arroyo ist mittlerweile auf unbestimmte Zeit ins Exil gegangen.

Es waren Jueteng-Schmiergelder, die zum Misstrauensvotum gegen den populären ehemaligen Schauspieler und Präsidenten Joseph Estrada im Jahre 2001 führten. Arroyo hat bei ihrer Amtsübernahme und im Wahlkampf des vergangenen Jahres einen neuen Politikstil versprochen, in dem es weder Persönlichkeitskult noch Patronage geben sollte, sondern persönliche Integrität und Armutsbekämpfung.

Der zweite Skandal, der die philippinische Presse seit Wochen beschäftigt, dreht sich um Tonbandaufnahmen von Gesprächen zwischen Arroyo und Virgilio Garcillano, einem Beamten der Wahlbehörde, in denen die Präsidentin fordert, dass Garcillano bei der Auszählung der Stimmen ihr den erhofften Vorsprung von einer Million sichert. Die Gespräche wurden vom Militär aufgenommen, sie sind vom stellvertretenden Leiter des Nachrichtendienstes NBI, Samuel Ong, an die Öffentlichkeit gebracht worden. Im Internet ließen sich bald Auszüge aus den Gesprächen als Klingelton für Mobiltelefone herunterladen.

Das Tonband wurde schnell zum wichtigsten Thema in der öffentlichen Debatte. Arroyos Fraktion betonte zunächst die Illegalität der Aufnahmen, ohne eine klare Position zur deren Authentizität zu beziehen. Die von Fernando Poe, dem unterlegenen Gegenkandidaten bei den Wahlen, geführte rechte Opposition forderte sofort Arroyos Rücktritt. Einige linke Organisationen, unter anderen die radikaldemokratische Partei Akbayan und die kommunistische Partei, haben sich dieser Forderung angeschlossen, wollen darüber hinaus aber die Herrschaft der traditionellen politischen Elite beenden.

Schließlich sah sich Arroyo Ende Juni gezwungen, die Authentizität der Aufnahmen zuzugeben und sich für die Gespräche zu entschuldigen. Sie sagte, sie habe nur versucht, ihren Sieg zu schützen, und bezeichnete das Telefonat als eine politische Fehlentscheidung. Doch die erhoffte Beruhigung der Öffentlichkeit blieb aus, stattdessen verschärfte sich die Krise. Noch Ende Juni wurde einem Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin, das von einem Getreuen des ehemaligen Diktators Marcos initiiert worden war, stattgegeben.

Die meisten Kommentatoren vermuten, dass die Unterstützung im Senat für eine Amtsenthebung nicht ausreicht. Das Verfahren stellt aber sicher, dass der Skandal die Regierung Arroyos noch einige Zeit begleiten wird. In verschiedenen Kreisen der Opposition wird jedoch auch der Vorwurf erhoben, es sei übereilt und komme der Präsidentin zugute. Denn das Gesetz verbietet dem Kongress, innerhalb eines Jahres nach Beginn eines Verfahrens weiteren Verfahren stattzugeben.

Sollte die Amtsenthebung misslingen, gibt es keine weitere konstitutionelle Möglichkeit, Arroyo zu stürzen. Die Präsidentin bittet daher mittlerweile ihre Kritiker, ihre Belange in das Amtsenthebungsverfahren durch den Kongress einzubringen, um Massenmobilisierungen oder Neuwahlen vorzubeugen.

Ein weiterer Faktor ist der Vizepräsident, Noli de Castro. Der ehemalige TV-Moderator verdankt sein Amt weniger seinen politischen Fähigkeiten als seiner Popularität. Auch ihm wird Korruption vorgeworfen. Die Aussicht, dass der offenkundig inkompetente de Castro das Präsidentenamt übernimmt, lässt viele ihre Rücktrittsforderungen an Arroyo überdenken. Radikale Linke fordern daher den Rücktritt der Präsidentin und ihrer gesamten Regierung mitsamt de Castro und die Einsetzung einer »vorläufigen revolutionären Regierung«.

Der Höhepunkt der Krise wurde am 7. Juli erreicht, als acht Kabinettsmitglieder und zwei hohe Finanzbeamte ihren Rücktritt erklärten und ihrerseits den Rücktritt der Präsidentin forderten. Zwar hatte Arroyo tags zuvor durch ihre Ankündigung, dass sie das gesamte Kabinett um Rücktritt bitte, um Zweifel an ihrer Person zu beseitigen und politische Reformen durchzuführen, Schadensbegrenzung betrieben, jedoch ist de facto ihre Regierungsfähigkeit seither in Frage gestellt.

Einzig die Beschwichtigung der einflussreichen katholischen Bischofskonferenz hat den Druck auf die Präsidentin gemindert. Die Konferenz forderte eine unabhängige Wahrheitskommission und stellte fest, dass der Skandal die Regierungsfähigkeit untergrabe, dass jedoch die Präsidentin selbst entscheiden müsse, ob sie fähig sei, das Land weiter zu regieren. Sie hält sich für fähig, und die Machtverhältnisse scheinen ihr das politische Überleben zu ermöglichen. Sie beteuert, sie wolle konstitutionelle Reformen vorantreiben, die Korruption bekämpfen und – vor allem und mit Gottes Hilfe – den wirtschaftlichen Stillstand des Landes beenden.

Bereits vor dem Schmiergeldskandal wurde in verschiedensten oppositionellen wie zivilgesellschaftlichen Kreisen angesichts der sich zuspitzenden ökonomischen und gesellschaftlichen Misere darüber debattiert, ob der Druck auf Arroyo durch Massenmobilisierungen erhöht werden könnte. Es scheint überraschend, dass sich trotz der derzeitigen politischen Krise die Massenproteste in Grenzen halten. Zwar fanden Demonstrationen mit einigen Tausend, im Höchstfall etwa 40 000 Teilnehmern statt, doch ist dies kein Vergleich zu den Bewegungen von 1986 und 2001, als Hunderttausende auf den Straßen waren und die Präsidenten Marcos und Estrada von der so genannten People Power gestürzt wurden.

Die Bevölkerung ist bis zum Rande des Zynismus hoffnungslos, was die Aussichten eines weiteren Aufstands betrifft. Zwar mobilisiert eine breite radikaldemokratische linke Allianz für eine »vorläufige revolutionäre Regierung«, mit der politischen Stärke und dem Willen, grundlegende Reformen durchzuführen. Zu gering scheint jedoch die Bereitschaft der Bevölkerung, sich ein weiteres Mal für einen Personalwechsel im Präsidentenpalast einzusetzen, von dem die meisten keine Verbesserungen mehr erwarten.