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Der Sänger mit Posaune

Albert Mangelsdorff. Mit ihm ist der weltweit bekannteste deutsche Jazzmusiker überhaupt verstorben. Albert Mangelsdorff galt als einer der vielen europäischen Musiker, die den Jazz ab den Sechzigern europäisierten und es tatsächlich schafften, dieser als typisch amerikanisch angesehenen Musik noch etwas Neues hinzuzufügen.

Geboren wurde Mangelsdorff 1928 in Frankfurt, der Stadt, die lange Zeit als die deutsche Jazzstadt überhaupt galt. Er studierte Violine, wechselte zur Gitarre, um dann erst zu seinem eigentlichen Instrument, der Posaune, zu finden. Ende der Fünfziger wurde er Mitglied des Radio-Tanzorchesters des HR, um kurz darauf die Leitung des Jazz-Ensembles des Hessischen Rundfunks zu übernehmen, 1961 gründete er sein sein eigenes Quartett.

Mangelsdorff blieb fortan dauernd in Bewegung. Selbst dem radikalsten Free Jazz wollte er sich im Laufe der Sechziger nicht verschließen. Auf den entscheidenden Aufnahmen des Globe Unity Orchestra ist er zu hören, und mit Peter Brötzmann, dem großen deutschen Kaputtspiel-Saxophonisten, blies er zusammen in einem Trio.

Ab Mitte der Sechziger internationalisierte sich die Jazzszene immer mehr. Jeder spielte mit jedem, Alt mit Jung, und Mangelsdorff arbeitete mit Jazzgrößen wie Don Cherry, John Surman und Elvin Jones zusammen. 1972 nahm er das erste einer ganzen Reihe von Soloalben auf.

Erst drei Jahre vorher hatte der Altsaxophonist Anthony Braxton mit seiner bahnbrechenden Platte »For Alto« bewiesen, dass man mit einem einzigen Instrument wunderbare Jazzalben komplett alleine einspielen kann. Der Posaune als Soloinstrument des Jazz ebnete Mangelsdorff den Weg. Zu Hilfe kam ihm dabei seine besondere Technik. Er blies sein Instrument nicht nur, sondern er sang es wortwörtlich. Dafür machte er täglich Stimmtraining, hörte mit dem Rauchen auf und trank keinen Alkohol mehr. Seine Technik verlieh seinem Posaunenspiel Mehrstimmigkeit, so dass sich klangliche Eintönigkeit auch bei seinen Alleingängen erst gar nicht einstellte.

Nach der großen Experimentierphase ging er Mitte der Siebziger jedoch den Weg vieler ehemals großer Jazzer, den Weg in die Langeweile. Zusammen mit Wolfgang Dauner gründete er die Jazzrock-Muckercombo United Jazz & Rock Ensemble und machte halt weiter Musik, guten Jazz, der aber nicht mehr wirklich interessant war. Mitte der Neunziger wurde er dann auch noch Funktionär und Leiter des Berliner JazzFests, das er bis 2000 leitete und endgültig in der Ödnis versenkte. Vorige Woche ist er im Alter von 76 Jahren gestorben. (aha)

Ruf an!

Viva. Auch wenn es kaum vorstellbar ist, soll das Programm von Viva demnächst noch furchtbarer werden. In den letzten Monaten bestand es aus Wiederholungen alter Stefan-Raab-Sendungen und irgendeinem schlimmen Zeug, das der amerikanische Viva-Besitzer Viacom in seinen Archiven herumliegen hatte, Sendungen voller Promi-Klatsch und so etwas.

Demnächst soll Viva jedoch, so lauten zumindest die Pläne, zu einem dieser grässlichen Quizkanäle umfunktioniert werden, wo man von schwäbelnden »Moderatoren« dazu genötigt wird, sofort!!! anzurufen, denn schließlich habe man ja Geld an den Anrufer zu verschenken.

Der Grund, warum Viacom den Sender nun endgültig abwickeln möchte, liegt auf der Hand: Fersehquiz-Sendungen bringen einfach mehr Geld als das Abspielen von Video-Clips, und Jamba-Klingeltöne kann man zwischendurch ja immer noch bewerben. Des einfach verdienten Geldes wegen lässt inzwischen eigentlich jeder private Sender nach Mitternacht seine Zuschauer raten, was zwei plus zwei ergibt oder wie viele Ecken ein Viereck hat. (aha)

Duchamp, hilf!

Kunst. Wir alle kennen diese lustigen Geschichten von Kunst, die nicht als solche erkannt wird. Geschichten von der Putzfrau, die im Museum mal so richtig sauber gemacht hat und nichts davon gewusst haben will, dass es sich bei dem gründlich entfernten Schmutz um eine original Fettecke von Joseph Beuys handelte. Die Kunstgeschichte ist nun um eine weitere derartige Anekdote reicher. Denn dem Künstler Walter Hill ist sein Werk »Massenvernichtungswaffe« auf tragische Art und Weise abhanden gekommen. Seine Arbeit bestand aus einer Wasserflasche, die mit geschmolzenem Eis aus der Antarktis gefüllt war. Damit wollte er auf die drohenden Gefahren der Erderwärmung aufmerksam machen, sagte er. Einen Besucher der Ausstellung, auf der die »Massenvernichtungswaffe« zu sehen war, schien dieses ehrenwerte Anliegen wenig beeindruckt zu haben. Es wird angenommen, dass er die Flasche von ihrem Sockel genommen, leer getrunken und weggeworfen hat.

Wäre Walter Hill jedoch ein weniger pingeliger Künstler, hätte er wortlos eine neue Flasche genommen, hätte sie unter den Wasserhahn in der nächstbesten Toilette gehalten und sie zur nächsten »Massenvernichtungswaffe« samt Wasser aus der Antarktis erklärt. (aha)

Berlinspaziergang

Fuckparade. Die Loveparade ist am Ende, die Fuckparade noch lange nicht. Das hoffen zumindest ihre Veranstalter. Diesen Samstag will man auch ohne den potenziellen Gegner ungerührt erneut um die Häuser Berlins ziehen. Mit Gabba, Breakcore und Techno gegen Ausbeutung und alles, was sonst noch schlecht ist auf dieser Welt. Denn man will die Fuckparade ja schließlich immer noch als politische Veranstaltung verstanden wissen. Vielleicht stapfen dieses Jahr aber auch wirklich mehr als die üblichen paar Hanseln den Musikwagen hinterher. Schließlich ist Breakcore derzeit ein echter Hype. Hoffentlich hat sich das noch nicht bis zum Loveparade-Publikum herumgesprochen. (aha)