Antisäkulare Zone

Mitte August kommt Papst Benedikt XVI. zum Weltjugendtag nach Köln. Seine Mission ist die Neu-Evangelisierung Europas. von jörg kronauer

Marienfeiern, Morgengebete, Katechesen, Kreuzweg, Anbetung, Laudes, Vigil: Merkwürdige Ereignisse kündigt das Programm des 20. katholischen Weltjugendtags an, der vom 16. bis 21. August in Köln stattfinden soll. Rund 800 000 Menschen werden am Rhein erwartet, dazu 600 Bischöfe, 4 000 Journalistinnen und Journalisten sowie der Papst. Für das Patronat über die skurrile Versammlung konnten hochrangige Persönlichkeiten gewonnen werden: die Heiligen Bonifatius, Ursula und Albertus Magnus und, so heißt es im offiziellen Programm, die Heiligen Drei Könige. Ihnen wird das Motto des Weltjugendtags zugeschrieben: »Wir sind gekommen, um IHN anzubeten.« »IHN«? Um Himmels Willen: wen?

Das bevorstehende Großereignis in Köln ist inzwischen Anlass für verschiedene Spekulationen. Werden die zu Hunderttausenden anreisenden Jugendlichen den Vorschriften ihres Klerus trotzen und der ortsansässigen Condomi AG Rekordgewinne bescheren? Wieso wurden 32 Bomben, 31 Brandbomben, 15 Rohrwaffengeschosse, 2 200 Sprengkörper und 73 Kilogramm Munitionsteile aus dem Zweiten Weltkrieg erst während der Vorbereitungen für den Weltjugendtag von den beliebten Poller Rheinwiesen entfernt, auf denen in wenigen Tagen die frommen Schafe ihrem Oberhirten lauschen sollen? Wird das Handy-Funknetz angesichts der telefonierenden Massen während des Abschlussgottesdienstes ebenso zusammenbrechen wie in Rom beim Tod von Johannes Paul II.?

Während sich die lokale Öffentlichkeit mit allerlei Spektakel befasst, gerät die politische Bedeutung der Veranstaltung gar nicht erst in den Blick. Dabei ist der Weltjugendtag alles andere als eine planlose spirituelle Zeremonie. Der im April verstorbene Karol Wojtyla rief ihn im Jahr 1986 zum ersten Mal aus, sein ehemals wohl engster Mitarbeiter, Joseph Ratzinger, führt das Projekt nun fort. Es »kann und soll zu einem Positivruck nach vorne werden«, sagt der Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner. Von einer »Neu-Evangelisierung« ist die Rede: vom Versuch des katholischen Klerus, seine wegen der Aufklärung und der realsozialistischen Experimente verlorene Macht wieder zu gewinnen.

Die »Neu-Evangelisierung« des alten Europa spielte schon für Johannes Paul II. eine wichtige Rolle, bei Benedikt XVI. spiegelt sie sich sogar im Namen wider. Der Heilige Benedikt gilt in der katholischen Lehre als »Patron Europas«, dem auf ihn zurückgehenden Benediktinerorden wird eine entscheidende Rolle in der Christianisierung des Kontinents zugeschrieben. In Benediktinerklöstern wurde Bonifatius erzogen, der »Apostel der Deutschen«, der hierzulande erfolgreich missionierte und nun zu den Patronen des Weltjugendtages zählt. Dieses Patronat ist freilich kein Zufall: Die »Neu-Evangelisierung« soll nach dem Vorbild der Bonifatius-Mission vor allem die leicht säkularisierte europäische Hegemonialmacht erfassen, der auch der neue Papst entstammt.

Kardinal Meisner bestätigte dies kürzlich der Nachrichtenagentur ddp. »Papst Johannes Paul II. hat sehr bewusst entschieden, dass der XX. Weltjugendtag in Deutschland stattfindet«, sagte er. »Der Papst wollte, dass am Anfang des 21. Jahrhunderts von Deutschland eine Positivbewegung in die Welt ausgehe.« Seinen Nachfolger führt bereits die erste Auslandsreise im Amt in den mächtigsten Staat der Europäischen Union. »Europa« bedürfe »einer Grundlage gemeinsamer Werte«, heißt es in einem Text Ratzingers, den die bayerische Staatskanzlei auf ihrer Website veröffentlicht.

Auf dem Programm des Papstes stehen ein »Höflichkeitsbesuch beim Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland« und »Audienzen für einige Autoritäten des politischen und gesellschaftlichen Lebens«: Gerhard Schröder, Wolfgang Thierse, Angela Merkel, Jürgen Rüttgers. Für Seminaristen an der Kirche Sankt Pantaleon, die vom ultrareaktionären Opus Dei kontrolliert wird, nimmt sich der Papst gleichfalls eine Stunde Zeit. Auch Repräsentanten jüdischer und islamischer Organisationen will er treffen. Im Kampf gegen die Säkularisierung gelten dem Vatikan auch nicht christliche Glaubensgemeinschaften als Verbündete.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Besuch Benedikts XVI. in der Kölner Synagoge, wo er am 19. August eine Ansprache halten will. Seit seinem Amtsantritt ist die Haltung des deutschen Papstes zum Judentum und zu Israel Gegenstand skeptischer Beobachtung. Der ehemalige Hitlerjunge habe vor Jahren die Ansicht vertreten, »das jüdische Schrifttum und die jüdische Geschichte erfüllten sich ausschließlich in der Gestalt von Jesus Christus«, berichtete die New York Times Mitte April.

Im Juli führte eine Mitteilung aus dem Vatikan zu einem heftigen Streit mit Israel. Ratzinger hatte Staaten aufgezählt, in denen in den Wochen zuvor Terroranschläge stattgefunden hatten. Israel kam in der Liste trotz eines Attentats in Netanja nicht vor. Als sich das israelische Außenministerium daraufhin beschwerte und dem Vatikan vorwarf, seit Jahren Anschläge gegen Israel nicht zu verurteilen, reagierte der Vatikan scharf. Man könne »keine Belehrungen akzeptieren«, hieß es. Der Sprecher des Vatikans, Joaquin Navaro-Valls, warf Israel vor, mit seinen Reaktionen auf die Teroranschläge internationales Recht zu verletzen. »Es wäre daher unmöglich, das erste (den Terrorangriff) zu verurteilen und das zweite (die israelische Reaktion) stillschweigend zu übergehen.«

Die Kölner Synagoge will Benedikt XVI. zusammen mit Meisner besuchen. Der für seine Homophobie bekannte Erzbischof brachte Anfang Januar die Shoah mit Schwangerschaftsabbrüchen in Verbindung, und zwar nicht zum ersten Mal. Bereits 1998 verglich er die Abtreibungspille RU 486 indirekt mit Zyklon B. Schwangerschaftsabbrüche stellten »wohl alle bisherigen Verbrechen der Menschheit in den Schatten«, behauptete er in seiner letzten Silvesterpredigt.

»Ich werde in der Synagoge sein und hoffentlich die Gelegenheit haben, zumindest ein paar Worte mit dem Papst zu wechseln«, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, kürzlich der Welt. Anlässe dafür gibt es inzwischen zuhauf.

Ganz ohne Proteste wird der Versuch, mit konservativ-katholischen Werten von Deutschland aus eine neue Evangelisation Europas zu betreiben, nicht vonstatten gehen. Mehrere atheistische Organisationen haben eine »religionsfreie Zone« ausgerufen und kündigen Gegenveranstaltungen zum Besuch des Papstes an. Einer der kirchenkritischen Referenten, Hubertus Mynarek, erregt inzwischen allerdings selbst Protest. Er habe im Laufe seines Lebens mit verschiedenen dubiosen Gruppierungen kooperiert, etwa mit dem Ahriman-Verlag, der mit dem rechten »Bund gegen Anpassung« im Zusammenhang steht, und mit der Sekte »Universelles Leben«, berichtet ein Mitarbeiter des antifaschistischen Hartmut-Meyer-Archivs. Mynarek vertritt eine »ökologische Religion«. Im Interview mit dem Verlag »Das Brennglas« sagte Mynarek bereits 2001: »Das schlimmste KZ bereiten wir den Tieren!«

Marienfeiern, Neu-Evangelisierung, Verharmlosung der Shoa – Köln stehen wüste Tage bevor. Die Heiligen Drei Könige und ihre Patronatskollegen werden als Schirmherren des Weltjugendtags alle Hände voll zu tun bekommen.